Von Karin Katzenberger-Ruf, Katharina Schröder und Philipp Weber
Neckar/Bergstraße. Sie wollen zeigen ’Seht her, wir haben es gepackt, ihr könnt das auch’: Rund 25 Ehemalige des Carl-Benz-Gymnasiums (CBG) in Ladenburg, die ihr Abitur seit einem Jahr in der Tasche haben, empfangen gestern Morgen die 89 Anwärter, die mit dem Fach Deutsch in den Prüfungs-Marathon starten. Auf einem Tisch im Foyer stapeln sich Süßigkeitentüten gefüllt mit Gummibärchen, Riegeln und Kaubonbons, in ihren Händen halten die Ehemaligen Äpfel. Das Verschenken von Nervenfutter hat Tradition am CBG.
Wenige Meter weiter machen bunte Plakate den angehenden Abiturienten Mut. "Till & Koray, Jetzt zieht’s einfach durch" steht auf einem. "Lisa, Du holst dir die Punkte" auf einem anderen. "Deutsch ist ein gemütlicher Einstieg", sagt der 19-jährige Till Wichmann.
Es sind noch wenige Minuten bis Prüfungsbeginn und Schüler laufen durch die Gänge, um ihren älteren Geschwistern einen Glücksbringer zu geben. Die 17-jährige Leonie Wessling bekam morgens noch einen Schlüsselanhänger als Talisman von ihren Eltern zugesteckt. "Ich bin erstaunt, dass ich motiviert und wenig nervös bin", sagt sie. Leonie und ihre Freundin Nina Bronold sind froh, dass die Prüfungsphase endlich beginnt.
Die Woche davor sei schlimmer gewesen, jetzt wollen alle die Klausuren nur noch hinter sich bringen. Sebastian Wölke (18) hätte lieber mit Biologie angefangen, "darauf habe ich mich einfach am besten vorbereitet", sagt er. Aufgeregt sei er wegen der Deutsch-Prüfung aber nicht. "Nur die Dauer ist abschreckend", sagt Linda Brunner. Von 8 bis 13.30 Uhr können die Prüflinge schreiben.
Kurz vor 8 Uhr steht Jürgen Sollors in einem Klassenzimmer des Kurpfalz-Gymnasiums und gibt den Startschuss für 82 angehende Abiturienten. Die Prüfungsaufgaben kennt der Rektor bereits ein paar Minuten länger. "Heiße Tränen niedertropfen auf die kalte Winterzeit" heißt es im Gedicht "Alles still" von Theodor Fontane, das zum Vergleich mit einem Werk des weniger bekannten Schriftstellers Alfred Lichtenstein steht. In dessen "Winter" lauten die Schlusszeilen "Und ein Fleck aus Menschen schrumpft zusammen und ist bald ertrunken im schmählich weißen Sumpf."
Sollors war nach dem Öffnen der Umschläge jedenfalls erleichtert. "Da ist für jeden was dabei", sagt er. "Agnes" von Peter Stamm zum Beispiel, oder "Homo Faber" von Max Frisch. "Ohne Boulevardpresse ist die Demokratie in Gefahr": Der Text von Matthias Heine war, salopp formuliert, zur Erörterung freigegeben.
Wie Sollors am Kurpfalz-Gymnasium öffnete Rektor Wolfgang Metzger am privaten Heinrich-Sigmund-Gymnasium für 32 Prüflinge die Umschläge. Faire Aufgaben seien gestellt worden, sagt er. Wobei ihn etwas wundert, dass darunter auch die skurrile Geschichte "Spuk in Genf" von Erich Kästner war, die man sonst doch eher vom Fliegenden Klassenzimmer kenne.
Zum Abheben war den 84 Prüflingen aus dem Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium eher nicht zumute - jedenfalls wirkten sie kurz nach Abschluss der ersten Prüfungsrunde doch etwas geschafft. Dennoch waren einige von ihnen auf Anfrage durchaus zufrieden mit den Prüfungsaufgaben. Auch die Fachlehrer hätten ein gutes Gefühl gehabt, so Schulleiterin Gudrun Aisenbrey. Sie selbst wollte sich nicht festlegen: Ihre Fächer sind Mathe und Physik.
Den größten Weinheimer Abiturjahrgang stellt wieder das Werner-Heisenberg-Gymnasium mit 101 Prüflingen. Auch hier war die Stimmung zum gestrigen Beginn der Prüfungen optimistisch - ebenso wie am Privatgymnasium Weinheim, das seinen nunmehr dritten Abschlussjahrgang in die Prüfungen geschickt hat. Durchaus beliebt, hieß es im RNZ-Gespräch, sei die Erörterungsaufgabe zu Boulevardpresse und Demokratie gewesen.
Die schriftlichen Abi-Prüfungen gehen am Freitag mit dem Fach Englisch weiter, Mathematik kommt am Mittwoch, 2. Mai, an die Reihe.