AWO oder Pilgerhaus? Der Gemeinderat entschied sich letztlich, dass die 'Psychologische Beratungsstelle' künftig in der Lützelsachsener Einrichtung heimisch wird. Foto: Kreutzer
Weinheim. (keke) Es war der Abend der Sitzungsunterbrechungen und geheimen Abstimmungen. Exakt die Länge eines Fußballspiels plus Nachspielzeit benötigte das Ratsgremium, um die Trägerschaft für die Psychologische Beratungsstelle ab dem 1. Januar 2013 an das Pilgerhaus abzugeben und für deren Weiterbetrieb für die Dauer von zehn Jahren einen jährlichen Zuschuss von maximal 170 000 Euro zu zahlen.
Arbeiterwohlfahrt (AWO) gegen Pilgerhaus, SPD, Weinheim Plus und Linke gegen CDU, Grüne und Freie Wähler, nachdem sich die FDP freiwillig ins Abseits gestellt hatte: So lautete die Ausgangslage für ein Spiel, in dem es schon vor dem Anpfiff zu unliebsamen Rangeleien gekommen war gab - verbalen wohlgemerkt.
Auch wenn mit dem Pilgerhaus und der AWO zwei bewährte Träger zur Übernahme bereitstünden, so verliere die Stadt eine Einrichtung, die erfolgreich zum sozialen Klima beigetragen habe, hatte zunächst Constantin Görtz (SPD) den Anstoß von Thomas Bader (CDU) abgefangen.
Die Verwaltung habe die Verhandlungen einseitig geführt und die Interessen der beiden Bewerber nicht in gleicher Weise berücksichtigt, forderte Görtz einen Freistoß zugunsten der AWO. Dessen Kreisverband habe erst durch die Gemeinderatsvorlage davon Kenntnis erhalten, dass die Beratungsstelle in die Trägerschaft des Pilgerhauses überführt werden solle.
"Freudentränen" wegen der Abgabe und "Zornesröte" angesichts der Vorgehensweise der Verwaltung hätten sich in der Abwehr und im Angriff der eigenen Mannschaftsteile abgewechselt, hatte zuvor Bader die Stimmungslage innerhalb der CDU geschildert und ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten angekündigt. "Libero" Gerhard Mackert (FW) setzte einer Übernahme durch die AWO die Erfahrung des Pilgerhauses im Umgang mit Kindern entgegen. Auch die GAL tue sich schwer, die Beratungsstelle aus der städtischen Obhut zu entlassen, schlug Elisabeth Kramer gleichfalls eine Flanke Richtung Pilgerhaus.
Was eine Weinheimer Beratungsstelle künftig leiste, müsse zwischen dem Kreis und dem Träger festgelegt werden. Eine Verpflichtung des künftigen Trägers durch die Stadt auf "inhaltliche Aufgaben wie bisher" könne es ebenso wenig geben auf eine Ausstattung mit 4,29 Vollzeitstellen, spielte Günter Breiling (FDP) den Ball vorsätzlich ins Aus und lehnte die vorgeschlagene Vereinbarung ab. Was deren finanziellen Teil betrifft, zeigte sich die FDP allerdings bereit - sofern die Beratungsstelle auch weiterhin bei der Stadt verbleibt - dafür einen Beitrag zu leisten, der "weit über das hinausgeht, was andere Städte dafür tun". 60 Prozent des vom Kreis gezahlten Förderbetrags im Rahmen einer "sinnvollen Übergangsregelung" hielt Breiling hier "für durchaus tragbar".
In der Angelegenheit sei "einiges verrutscht", nahm Dr. Michael Lehner das Zuspiel von Breiling auf. Der "Weinheim Plus"-Vertreter sah im Grunde keine Veranlassung, die Beratungsstelle aufzugeben. Zumal sich per Saldo kein wesentlicher Einspareffekt ergebe. Bei einer Abstimmung, so Lehner, würde man die AWO favorisieren.
Die Frage von Carsten Labudda (Linke), ob sich der Kreis finanziell an der Beratungsstelle beteilige, beantwortete OB Heiner Bernhard mit einem klaren Nein. Und erinnerte daran, dass man in Richtung Abgabe an einen anderen Träger schon vor fünf beziehungsweise drei Jahren "zwei vergebliche Runden gedreht" habe. Dem Nachhaken Breilings hielt Bernhard schließlich die Rote Karte ("Nächstes Mal setze ich mich mit Ihren Argumenten nicht mehr auseinander, weil sie Quatsch sind") entgegen. Breiling wies die Unterstellung "Unsinn geredet" zu haben, empört zurück.
Was folgte, war der Gang in die Sitzungsunterbrechung und in den Abstim-mungs-Marathon. Die Entscheidung pro Pilgerhaus trugen letztlich 34 Räte mit, fünf waren dagegen.