Von Günther Grosch
Weinheim. "Ich habe die Nachfahren von Heinrich Hübsch noch gekannt", erzählt Ingeborg Weishaupt voller Stolz. Die Enkelin des badischen Oberbaudirektors und Architekten (er lebte von 1795 bis 1863) hätte bis zuletzt in dem früheren Kolonialwarengeschäft und Drogeriemarkt von Weishaupts Eltern eingekauft: in der heutigen "Schäfer-Apotheke". So ist Ingeborg Weishaupt am Sonntag eine der Ersten, die sich beim "Tag des offenen Denkmals" die einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen wollen: ein Besuch in der "Villa Hübsch".
Mitte des 19. Jahrhunderts hat das Anwesen - heute liegt es gegenüber der Stadthalle an der B 3 - eine Größe von 21.436 Quadratmetern umfasst. Die "Hofraite" (der von Gebäuden umschlossene Hof) erstreckte sich über eine Fläche von 3400 Quadratmetern. Auch der Rest des Geländes wurde genutzt: als Garten, Ackerland und Weinberg.
Komplette Friedhofssanierung kaum bezahlbar
Der 1840 in spätklassizistischen Formen errichtete Sandsteinquaderbau mit Walmdach geht auf Pläne von Heinrich Hübsch zurück, dem landauf, landab tätigen Sohn des Kaiserlichen Postmeisters Karl Samuel Hübsch. Die Villa stelle ein "wichtiges Objekt im Schaffen von Heinrich Hübsch" dar, schreibt das Landesamt für Denkmalspflege.
"Wir fangen ganz oben an": Vom Dachgeschoss aus führen Architekt Carsten Hörr und Sarah Wittmann durch das großzügige Treppenhaus über zwei Stockwerke bis hinunter in den 170 Quadratmeter großen Gewölbekeller. Die heute als Bürogebäude genutzte Villa ist 2014 von der Firma Atalanta gekauft und von den Brüdern Jan und Jonas Machuletz für rund 850.000 Euro denkmalgerecht instand gesetzt worden.
Zuvor war das Anwesen über einen langen Zeitraum von einem Teppichhändler genutzt worden und stand anschließend leer. 2012 hatten es die Familie Hübsch verkauft. Weitgehend im Original erhalten geblieben sind der Fliesenboden im Eingangsbereich, die Türrahmen im ganzen Haus sowie der Handlauf des Treppengeländers. Als "Hingucker" erweisen sich die ehemalige "Räucherkammer" im Dachgeschoss, die von Verputz befreiten gemauerten Kamine und die aus den Wänden hervorgeholten alten Holzbalken, die zum Teil als "Schmuck-Ständer" eine neue Aufgabe erhalten haben. Im Urzustand des Hauses nicht vorhandener, aber jetzt angebrachter echter Gipsstuck aus Bayern harmoniert mit dem modernen Interieur der Räume und begeistert auch Ingeborg Weishaupt: "Auch Heinrich Hübsch würden die Verbindung von Alt und Neu und der Atem des neuen Zeitgeists gefallen."
Neben "Rotem Turm" und "Schlossturm", "Notariat", "Mausoleum" und dem "Alten Rathaus" in Lützelsachsen wird auch der "Alte Friedhof" von St. Peter von mehr als 100 Interessierten förmlich überrannt. Historische Gräberfelder seien gleichermaßen prägender Bestandteil der Städte und Kulturlandschaften wie Träger eines kollektiven und persönlichen Gedächtnisses, führen hier Alexander Boguslawski und Siegfried Demuth den Besuchern vor Augen. Darüber hinaus gäben die Grabstätten Auskunft über das Gedenken an wichtige Persönlichkeiten der Stadtgeschichte und stellten Orte der Identifikation und Verbundenheit mit früheren Generationen dar. Umso bedauerlicher, so die Meinung nicht nur von Boguslawski, dass der alte Friedhof - die letzte Bestattung fand 1894 statt - derzeit ein wenig gepflegtes Erscheinungsbild aufweist.
Lediglich etwa 100 Grabsteine sind noch weitgehend erhalten, darunter die Grabstätten von Friedrich Härter, Adam Platz, Carl Johann Freudenberg, Christian Eduard Dürre, Friedrich Daniel Weisbrod, der Familie Hübsch, von Adam Karrillon sowie Jean und Johann Heinrich Hildebrand. "Ohne diese Persönlichkeiten, ohne ihr Tun und Handeln wäre Weinheim nicht das, was es heute ist", so die Friedhofsführer. Zumindest die Säuberung der Ruhestätten macht sich seit einiger Zeit die "Bürgerstiftung Weinheim" zur Aufgabe. "Ihre komplette Konservierung und Restaurierung allerdings erscheint aus finanziellen Gründen nicht machbar", so Autor Boguslawski. Stattdessen soll aus dem steil aufsteigenden Friedhofsgelände ein "Park der Erinnerung" werden.
Sogar acht Zwetschgenbäume standen hier einmal bis etwa 1850 "zum Nutzen des örtlichen Kirchendieners", hat Boguslawski als Mitverfasser des kürzlich erschienenen Buchs "Weinheims Alter Friedhof" herausgefunden. Und auch dies gehört zur Geschichte des mehr als 1000 Jahre alten historischen Gottesackers: Ein Großteil der alten Grabsteine wurde bei der Verdolung des Grundelbachs ebenso verwendet wie alte Eisenkreuze an die damalige Maschinenfabrik Badenia verkauft und vermutlich eingeschmolzen wurden.
Etwas makaber: Aus den Steinen des ehemaligen "Leichenhauses" wurde das "Am Hirschkopf" stehende Vereinshaus der Jagdhornbläser errichtet.