Sekunden entschieden über Leben und Tod

Bei einem amerikanischen Bombenangriff auf Bruchsal am 1. März 1945 war Heidelberg als Ersatzziel auserkoren

10.08.2013 UPDATE: 10.08.2013 06:00 Uhr 1 Minute, 34 Sekunden
Sekunden entschieden über Leben und Tod
Von Robert Brenner

Heidelberg. Im Rahmen der Serie "Meine Stadt 1945" hat die RNZ von dem in Walldorf lebenden Militärexperten Karl Heinz Kleine jetzt ausführliche Unterlagen über einen Kampfauftrag vom 1. März 1945 erhalten. Aus den Dokumenten geht hervor, dass Heidelberg und Donaueschingen als Ersatzziele für die Bombardierung des Bruchsaler Verschiebebahnhofs auserkoren waren.

Kleine setzt sich schon seit Jahrzehnten mit dem militärischen Geschehen des Zweiten Weltkriegs auseinander. Bei seinen teils umfangreichen Recherchen kann er durch Verbindungen in die USA auf mehrere amerikanische Militärarchive zurückgreifen. Dabei hat sich der Walldorfer auch mit der Frage beschäftigt, warum Heidelberg von gezielten alliierten Luftangriffen verschont geblieben ist.

Dabei steht für Kleine das angeblich über dem Heidelberger Stadtgebiet abgeworfene Flugblatt mit dem Text "Heidelberg wollen wir verschonen, denn nach dem Krieg wollen wir da wohnen" solange in Frage, bis ein Original des Flugblatts auftaucht.

Es gebe zwar Aufzeichnungen über Notabwürfe beschädigter und auch getroffener Bomber auf Heidelberg, die aber nicht als geplante Luftangriffe einzustufen seien. So sind in den Archiven auch Angriffe auf Bahnlinien und Eisenbahnbrücken erwähnt, die aber ohne größere Wirkung blieben, wie zum Beispiel die beim Heidelberger Tiergarten, betont der Experte.

Überraschend geriet Karl Heinz Kleine kürzlich an einen Kampfauftrag mit der Nummer 327 vom 1. März 1945 der 303. Amerikanischen Bombergruppe, dem zu entnehmen ist, dass der Verschiebebahnhof von Bruchsal mit 39 Kampfbombern, die mit einer Fülle von Vernichtungsmaterial verschiedenster Art ausgestattet waren, bombardiert werden sollte.

In dem bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Tagesbefehl ist auch vermerkt, dass im Falle schlechter Sichtbedingungen die Städte Heidelberg oder Donaueschingen als Ersatzziel anzufliegen und zu bombardieren seien. In den umfangreichen und ausführlichen Unterlagen ist auch die Menge des mitgeführten Bombenarsenals genaustens vermerkt.

Dazu war die Länge des Kampfauftrags mit acht Stunden und 27 Minuten vorgegeben. Die in England gestarteten, 39 viermotorigen Kampfbomber wurden von 92 Mustang-Jägern der Serie P-51 als Jagdschutz begleitet. Als Abwurfhöhe waren 20 bis 21 000 Fuß vorgegeben. Die vorhandene Wolkendecke war am besagten Bruchsaler Schicksalstag mit 7 bis 8000 Fuß vermerkt, was für die Bombardierung eher ungeeignet erschien. So gab es beim Anflug auf das festgelegte Ziel auch keinerlei Widerstand in Form deutscher Abfangjäger oder Flakfeuer. Als der Führungsbomber Bruchsal schließlich erreichte, war es vollkommen bewölkt, doch plötzlich öffnete sich im Norden die Wolkendecke für etwa 15 Sekunden. Ein Zeitraum, der letztendlich ausreichte, um Bruchsal in Schutt und Asche zu legen - rund 1000 Menschen wurden unter den Trümmern begraben. Grausame Realität: Bruchsals Pech war Heidelbergs Glück - gerade einmal 15 Sekunden haben über Leben und Tod entschieden.

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