"Ich finde die Wahrheit in mir"
Fast 30 Jahre ist er fester Bestandteil von H-Blockx und seit zehn Jahren Sänger bei den Söhnen Mannheims. Mittlerweile wandelt Henning Wehland auf Solopfaden mit seinem musikalisch breitgefächerten Album "Der Letzte an der Bar". Wie politisch er damit ist, verrät er im Interview mit Daria Eva Stanco.

Bist Du oft der Letzte an der Bar?
Nee, ganz im Gegenteil. Das ist eher metaphorisch gemeint. Ich bin laut der Aussage meiner Frau tatsächlich einer der Ersten, der die Bar verlässt. Es geht auch gar nicht darum, möglichst lange am Tresen auszuhalten, sondern darum, dass ich da bin, wenn Menschen mich brauchen - ich habe eben Lust, mich mit ihnen zu unterhalten und suche den Austausch.
Apropos Austausch - der ist Dir mit anderen Künstlern sehr wichtig, wie man an Deiner Arbeit sieht. Wie wirst Du ihn pflegen, wenn Du jetzt mehr solo unterwegs bist?
Ich begegne nach wie vor unfassbar vielen Menschen. Gerade was mein kreatives Schaffen angeht, ist es mir wichtig, mich mit Künstlern auszutauschen. Wenn ich ein Soloalbum rausbringe, dann heißt es noch lange nicht, dass ich alleine arbeiten möchte. Ich will mit vielen verschiedenen Köpfen zusammenarbeiten, wie mit Sarah Connor oder mit Tim Bendzko - mit Freunden, die für mich wichtig sind, um mich selbst weiterzuentwickeln.
Du sagst, dass Du in dem Soloalbum Dinge von Dir preisgibst, die Du "gar nicht so geil" findest. Welche sind das?
(lacht) Gute Frage. Höre Dir einfach mal Songs an wie "Frei", "Der Letzte an der Bar" oder "Der Affe und ich". Da geht’s um Dinge, die charmant verpackt auf Schwächen meiner eigenen Persönlichkeit anspielen. Aber ich mag es nicht so gerne, Bedienungsanleitungen für Songs mitzuschicken. Wenn Du Dich mit meinen Texten beschäftigst, dann hörst Du das heraus.
Und Du verpackst die Schwächen lieber charmant in Songs, als sie direkt anzusprechen?
Ich finde, dass ich als Künstler die große Möglichkeit habe, mir über mein eigenes Leben mit Schwächen und Stärken Gedanken zu machen, und das findet seinen Einfluss in den Songs. Ich bin jetzt nicht einer, der immer nur darüber schreiben muss, wie toll ich bin.
Im Song "Frei" gibt es die Zeile: "Ich habe die Preise gesenkt für politisch korrekt. Mir ist die Wahrheit egal, solange Herz drin steckt" - was meinst Du damit?
Mir ging es schon darum, etwas zu provozieren. Denn was bedeutet heutzutage noch Wahrheit? Früher gab es noch drei Fernsehprogramme, da war es einfach: Da hat man Samstagabend mit der Familie "Wetten, dass…" eingeschaltet und ist am nächsten Morgen zusammen in den Zoo gegangen. Das waren einfache Wahrheiten - die gibt es heutzutage nicht mehr, da man im Internet wirklich alles sofort abrufen kann. Das meinte ich mit diesem Satz "Mir ist die Wahrheit egal, solange Herz drin steckt": Es geht für mich darum, dass ich auf die Wahrheit meines Herzens höre und nicht auf die Wahrheit, die mir von außen aufgedrückt wird.
Du startest auch deshalb solo durch, um etwas Eigenes auszudrücken und es Dir wichtig ist, eine - auch politische - Botschaft unterzubringen. Welche Botschaft das ist?
(lacht) Das ist das große Problem unserer Gesellschaft, dass wir auf komplexe Fra-gen einfache Botschaften haben wollen und unser Leben in kurze Schlagzeilen zusammengefasst wird. Es für mich auf einen Satz zu verdichten, würde bedeuten: die Wahrheit in mir selber zu suchen. Und: Ich kann einen Unterschied machen.
Liegt diese Sehnsucht nach dem eigenen Ausdruck auch darin begründet, dass Du nicht immer hundertprozentig hinter den Songs standst, die Du gesungen hast?
(lacht) Nee, ganz im Gegenteil. Ich bin immer ein Teamplayer gewesen, suche starke Nähe zu Kollegen und Kolleginnen. Ich sehe Musik als eine Sprache, die nicht nur für Selbstgespräche da ist. Der Plan, ein Soloalbum zu machen, war für mich eine eigene Sprache zu finden. Sowohl mit H-Blockx als auch mit den Söhnen Mannheims gab es einen bestimmten Duktus, der mir nach wie vor Spaß macht, auch nach 25 Jahren. Aber ich habe gemerkt, dass es eine bestimmte Sprache gibt, mit der ich kommunizieren möchte - und für die nur ich persönlich verantwortlich bin. Und mein Anspruch war bei meinem ersten Soloalbum, dass ich gerne Songs singen möchte, die kein anderer singen kann.
Warum durften wir in diesem Interview eigentlich keine Fragen zu Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims stellen?
Naja, weil ich zum einen nicht Xavier Naidoo bin und ich es ehrlich gesagt leid bin, für ihn Fragen gestellt zu bekommen. Und was die Söhne Mannheims angeht, kannst du mich gerne fragen. Ich bin stolzes Mitglied der Band. Wir haben eine über zwanzigjährige Geschichte, in der viel mehr stattfindet als das, was in den letzten Monaten so berichtet worden ist. Es ist genau das, was ich vorhin angesprochen habe - dass auf komplexe Fragen zu einfache Schlagzeilen erwartet werden. Die kann ich nicht geben.
Info: Auf seiner Tour kommt Henning Wehland am Donnerstag, 26. Oktober, nach Frankfurt. Karten für 29,50 Euro bei RNZ-Ticket.