Mannheim

Die Innenstadt wird zum Sprachparcours

Die Klassik Stiftung Weimar hat das Themenjahr "Sprache" gestartet. Im Mittelpunkt stehen Goethe, Schiller und Wieland.

10.05.2022 UPDATE: 12.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Ungewohnte Einblicke in bisher nicht zugängliche Räume gibt es jetzt im Goethehaus. Die in Weimar geborene Grafikerin Ariane Spanier hat in den Wirtschaftsräumen im Erdgeschoss ausgewählte Zitate und Wortspiele des großen Dichters expressiv in Szene gesetzt. Foto: sal

Von Ingeborg Salomon

Mannheim. Seit Dr. Ulrike Lorenz im August 2019 als Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar ihr Amt angetreten hat, hat die ehemalige Leiterin der Kunsthalle Mannheim einen Traum. "Es wäre doch toll, wenn Besucher das Schillerhaus wieder von der Schillerstraße aus durch den Haupteingang betreten könnten, und wenn im Goethehaus auch das Erdgeschoss als Ausstellungsraum genutzt würde", erinnerte sie sich jetzt bei der Eröffnung des Themenjahrs "Sprache" vor dem Residenzschloss. Wer die quirlige Kunsthistorikerin kennt, weiß, dass sie es nicht beim Träumen belässt: Seit einer Woche sind beide Häuser Teil einer gewaltigen "Sprachexplosion", so der Titel, die die Innenstadt in einen literarischen Parcours verwandelt. Sprache soll sichtbar werden, und das wird sie auf eine sehr überraschende Art.

> Goethe- und Schillerhaus: In Goethes Wohnhaus am Frauenplan ist jetzt auch das Erdgeschoss geöffnet. In den ehemaligen Wirtschaftsräumen hat die in Weimar geborene Künstlerin Ariane Springer ausgewählte Zitate des großen Sprachmeisters gekonnt in Szene gesetzt. "Goethes Wortschatz umfasste rund 93.000 Wörter, allein für Farben benutzte er 300 verschiedene Ausdrücke", erklärt Projektleiterin Petra Lutz. Verweilen lohnt sich, es gibt viel zu lesen und (wieder) zu entdecken. Nur einen kurzen Spaziergang entfernt, in Schillers Wohnhaus in der Schillerstraße 2, gibts dann was auf die Ohren. Sein berühmtestes Gedicht, die "Ode an die Freude", ist in voller Länge gesprochen zu hören. Im Nebenzimmer gibt es eine Multimedia-Präsentation zur Wirkungsgeschichte: Dirigenten, Sänger und Musiker berichten von ihrer ganz persönlichen Beziehung zu diesem meist gespielten Musikstück der Welt.

> Die Ausstellung "Neusprech: Kunst widerspricht" wird ebenfalls im Schiller-Museum gezeigt. Bis 10. Juli beschäftigen sich zeitgenössische Kunstschaffende mit dem Verhältnis von Sprache und Bildender Kunst.

> Sprachparcours: Kubische Installationen im ganzen Stadtraum laden ein, sich den berühmten Sprachkünstlern im Vorbeigehen zu widmen. Den Wortkreationen von Christoph Martin Wieland ist eine Installation gewidmet, die sich an die Selfie-Generation wendet. Je nachdem, wo man darauf Platz nimmt, ist man "Bürger", "Eulenseele" oder "Königin" und kann ein entsprechendes Foto in die virtuelle Welt posten. Auch vor der berühmten Stadtkirche St. Peter und Paul, in der Johann Christoph Herder 30 Jahre lang predigte, stehen die fast futuristisch anmutenden Sprachinstallationen – ein reizvoller Kontrast zu dem ehrwürdigen Gebäude.

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> Sprachlabor: Vor dem derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossenen Stadtschloss informiert ein Holzkubus die Besucher über aktuelle Angebote; gebaut wurde er aus Holzabfällen des historischen Parks an der Ilm. Um auch Menschen außerhalb Weimars zu erreichen, fahren Sprachguides mit umfunktionierten Lastenrädern in die Umgebung und laden zu Mitmachaktionen ein.

> Die Ausstellung "Wieland. Weltgeist in Weimar" würdigt im Goethe- und Schillerarchiv den heute ein wenig vergessenen Aufklärer und Shakespeare-Übersetzer. Wer weiß schon, dass Ausdrücke wie "Spießbürger" und Steckenpferd" von Wieland stammen? Mitarbeitende des Archivs und Studierende der Universität Heidelberg haben einige seiner Handschriften, Bücher und Grafiken entziffert und für die Ausstellung aufbereitet. Ab 3. September ist zudem auf dem Wielands Gut Oßmannstedt die neue Dauerausstellung "Der erste Schriftsteller Deutschlands" zu erleben.

Bei der Eröffnung unterstrich Ulrike Lorenz, warum das Themenjahr vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs gerade jetzt so wichtig ist: "Sprache ist auch zum Kriegsschauplatz geworden. Wir gehen mit dem Themenjahr hinein in den Abgrund zwischen Poesie und Hatespeech, wir brauchen eine kritische Öffentlichkeit und setzen als Stiftung unseren Weg hin zu den Menschen konsequent fort."

Info: Alles zum Themenjahr unter www.weimar.de. Ein nützlicher Begleiter ist die App Weimar+, die in verschiedenen Audiotouren durch die Stadt führt.

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