Stimme als Instrument der Freude
Auf ihrem neuen Album "Sains et saufs" vereint die französische Sängerin Zaz Jazz, Pop, Chanson, Folk und Soul.

Von Steffen Rüth
Ihre Stimme ist so beeindruckend wie eh und je. Ihre neuen Songs klingen persönlich, ergreifend und kraftstrotzend. Zaz, zur Welt gekommen am 1. Mai 1980 als Isabelle Geoffrey und berühmt geworden mit der Pop-Hymne "Je veux", hat ihre Kampfeslust auf dem neuen Album "Sains et Saufs" durch neue, innige Sanftheit ergänzt. Steffen Rüth sprach nach einem Konzert mit Zaz über ihre neuen Lieder, ihre neue Haltung zum Leben und ein geschenktes Fahrrad.
Zaz, dein Auftritt war ein Fest. Hast du den Abend genossen?
Zaz: Oh ja, mir ist so wahnsinnig viel Liebe entgegengeschwappt. Das war für mich schon sehr berührend. Auch wenn es mir fast schon zu viel der Lobhudelei war (lacht).
Magst du Lobhudeleien nicht so gern?
Ich lerne immer besser, mit dem Lob und dem Zuspruch umzugehen. Früher war ich sehr störrisch, in so ziemlich jeder Hinsicht. Da haben mich die Auszeichnungen und Komplimente, die ich bekam, nicht nur verwirrt, sondern regelrecht gestört. Ich kann mich erinnern, dass ich vor Jahren einmal von meinem Team ein Fahrrad geschenkt bekam. Ich habe geweint, weil ich gar nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte.
Und dann?
Sprach ich mit meinem Psychotherapeuten in unserer darauffolgenden Sitzung darüber, dass ich quasi kopflos reagiert habe, weil Menschen nett zu mir sein wollten. Das Ganze war im Grunde eine Panikattacke. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass ich ein Mensch bin, der immer geben will. Und der es deshalb nicht gewohnt war, auch einmal etwas zu bekommen.
Mittlerweile hast du das gelernt?
Ich lerne immer noch, mich zu freuen und Positives zu akzeptieren, aber ich habe mich in diesem Punkt stark gebessert. Vor allem in den letzten Jahren habe ich eine gute Entwicklung erlebt. Ich bin glücklich mit meinem Mann verheiratet, wir leben ein ruhiges, schönes Leben, und insbesondere um meinen vierzigsten Geburtstag herum, der mitten in die Corona-Zeit fiel, habe ich einige wesentliche Dinge in meinem Leben verändert.
Welche Dinge sind das konkret?
Ich habe aufgehört zu rauchen, ich trinke keinen Alkohol mehr und verzichte sogar auf Kaffee.
Welche Konsequenzen hat das gesunde Leben für dich?
Keinen Kaffee mehr zu trinken, war wirklich die größte Hürde. Ich habe Kaffee geliebt. Aber mit diesen Veränderungen hat sich auch in mir selbst ein Wandel bemerkbar gemacht. Ich habe gelernt, Zuneigung und Liebe auch anzunehmen. Schließlich ist es ja mein größtes Anliegen, die Botschaft der Liebe mit meinen Liedern zu vermitteln. Wie eine Ikone möchte ich jedoch noch immer nicht bewundert werden.
Sondern lieber auf Augenhöhe?
Exakt, so ist es. Ich bin, wie ich bin. Ich möchte akzeptiert werden, ohne dass man mich auf einen Sockel stellt. Mir geht es darum, in den Austausch mit den Menschen zu treten, zu erfahren, was sie bewegt und ihnen zu erzählen, was bei mir los ist. Meine Persönlichkeit soll hineinfließen in meine Chansons, ich singe auf "Sains et Saufs" beispielsweise vom Tod meines Vaters vor zwei Jahren, der mich sehr mitgenommen hat. Aber nun über ihn zu singen und seiner auf diese Weise zu gedenken, macht mich nicht traurig, sondern glücklich.
"Sains et Saufs" heißt so viel wie "Gesund und munter". Ist das die Beschreibung deines Zustands?
Ja. Heute gelingt es mir, für mein inneres Gleichgewicht zu sorgen. Trotz aller Leidensprüfungen, die das Leben uns auferlegt, ist es wichtig, diese Balance nicht zu sehr anzutasten, sie zu pflegen und zu hegen. Sonst gerät vieles ins Rutschen.
Wie kommt man denn ins innere Gleichgewicht?
Zum Beispiel, indem man sich nur mit Menschen umgibt, die gut für einen sind. Und indem man dafür Sorge trägt, dass es einem selbst gutgeht. Ich habe das nicht immer getan. Ich habe viele Dinge im Leben ausprobiert, manches hat mich weitergebracht, manches ging schief. Nicht selten hatte ich den Eindruck, ich donnere direkt und ohne Bremsen auf die Wand zu.
Gehört dieses Gefühl nicht zum Leben dazu?
Sicher, aber vielleicht eher mit 20 als mit 40 oder 45. Ich habe mich gern eingelassen, auf Situationen, auf Abenteuer, auf Menschen. Gerade in der Jugend und der frühen Erwachsenenzeit ist mir eine Menge zugestoßen, im Guten wie im Schlechten. Irgendwann vor einiger Zeit habe ich mich bewusst entschieden, für mein Leben die Verantwortung zu übernehmen. Heute passe ich auf mich auf und sehe zu, dass mir nichts passiert und ich nicht in komische Situationen gerate. Das gelingt mir manchmal besser, manchmal schlechter. Entscheidend ist für mich, dass ich heute nicht mehr das Opfer in den Geschichten bin, die mir widerfahren. Sondern dass ich die Hebel selbst in der Hand halte.
Du hast also beschlossen, selbstbestimmt und glücklich zu leben. Klingt logisch, doch ist das so einfach?
Nein, einfach ist das überhaupt nicht. Im Gegenteil: Es ist schwer, glücklich zu sein. Ein Haufen Arbeit ist das. Die Welt, die uns umgibt, ist nicht so beschaffen, dass sie uns das Glück von Natur aus leicht zugänglich macht. Es gibt Kriege, es gibt so viel Schmerz, es gibt den ganzen Wahnsinn da draußen. Es wäre ein Leichtes, zu verzweifeln und in Wut oder Depressionen zu versinken. Oder in beides. Ich bin nicht unsensibel, ich sehe, was los ist. Gelegentlich wird mir vorgeworfen, ich würde eine Weltsicht haben wie diese herumspringenden Teletubbies, einfach nur fröhlich und naiv sein. Das stimmt nicht. Ich bin mir über alles bewusst, und dennoch nutze ich meine Stimme als Instrument, um meine Freude auszudrücken. Ich lasse mich nicht zur Geisel der Nachrichtenlage machen. Ich habe die Werkzeuge, um zu kämpfen. Zu singen ermöglicht mir, mit der Welt umzugehen, in ihr zurechtzukommen und dem Schrecken die Stirn zu bieten.
Welche Rolle hast du als Künstlerin in dieser Welt?
Zu tanzen, zu lachen und positive Gefühle zu verteilen. Wenn ich auf der Bühne stehe, spüre ich, wie das innere Licht in mir angeht. Dieses Licht an die Menschen weiterzugeben, ist mein größter Wunsch.
Deine melancholisch klingende Single "Je pardonne" handelt vom Vergeben. Hat deine Mit-Vollgas-vor-die Mauer-Haltung sanfterer Lebenseinstellung Platz gemacht?
Ich weiß nicht, ob ich sanft geworden bin. Ausgeglichener, das ja. Aber immer noch kocht die Wut in mir hoch, wenn ich denke, ich muss meine Ideale und Überzeugungen verteidigen. Ungerechtigkeit macht mich immer noch ganz wahnsinnig. Nur habe ich lernen müssen, dass man nicht immer im Leben genug Zeit hat, um auf eine Entschuldigung zu warten. Manchmal kommt diese Entschuldigung nie, und das muss man dann hinnehmen und akzeptieren. Deshalb ist es besser, man vergibt der anderen Person aus sich heraus. Damit es nicht irgendwann zu spät ist.
Info: Das Album "Sains et saufs" erscheint diesen Freitag. Live ist Zaz im Dezember auf Deutschland-Tournee.