Queens Songs mit Humor und abstruser Story
Wenn Helene Fischer hilft, den Rock zu retten. In der SAP-Arena kam das gut an.

Von Daniel Schottmüller
Mannheim. Die Musik ist gestorben, der Rock ist tot. Endlich! Die "Killer Queen" und ihre schleimigen Handlanger begeistert das so sehr, dass sie eine bombastische Rocknummer anstimmen. Ergibt das Sinn? Nö. Es ist aber noch der kleinste Widerspruch, den die Zuschauer von "We Will Rock You" aushalten müssen. Tatsächlich wirkt die wilde Story des Queen-Musicals, das in der Mannheimer SAP-Arena über Pfingsten gleich fünf Mal aufgeführt wird, als hätte sich Autor Ben Elton beim Script-Schreiben allzu oft vom Fernsehbildschirm ablenken lassen.
In einer dystopischen Zukunft trifft die flamboyante Elite aus "Hunger Games" auf die Rebellen aus "Matrix" – das vermitteln zumindest die knalligen Kostüme und das comicartige Bühnenbild. Die Hoffnungen der Freiheitskämpfer ruhen auf einem Auserwählten, der – ganz der biblische "Joseph" – in der Lage ist, die Zukunft vorauszuträumen. Damit die sich zum Guten wendet, muss er aber, wie einst Artus das Schwert, einen Hammer aus einem Stein ziehen und die Macht der Musik heraufbeschwören, so wie Tenacious D es in "The Pick of Destiny" vorgemacht haben. Als wäre das nicht genug, weckt Gavin Turnbull mit seiner Interpretation des Queen-Songs "These Are The Days Of Our Lives" noch Erinnerungen an "Could We Start Again Please?" aus "Jesus Christ Superstar".
Alles ein bisschen viel und arg drüber. Egal. Das Publikum wäre wohl auch in die Arena geströmt, wenn dieses Stück statt in der Zukunft in der Saurier-Ära angesiedelt gewesen wäre. Bei "We Will Rock You" geht es schließlich um die Musik. Und die schlägt ein wie "dynamite with a laserbeam". 24 (!) Songs der britischen Bombastrocker Queen feuert der musikalische Leiter Dustin Conrad (Keyboards) zusammen mit Rachel Murphy (Keyboards), Connor Gallagher, Ryan Weber (Gitarren), Aidan Platts (Bass) und Danny Newell (Schlagzeug) im Laufe des "Jukebox-Musicals" ab. Der erste Schlüsselsong: "I Want To Break Free".
Scaramouche (Inga Krischke), die "lieber eine verkümmerte Depri als eine billige Barbie" ist, und Galileo "Fifi" Figaro (Philipp Büttner) wollen nämlich gemeinsam die Ketten sprengen. Allzu lange hat der alles dominierende Konzern Global Soft ihre Kreativität eingezwängt. Aber ein Leben als willenloser Konsument, wie es all die anderen "Gaga-Girls" und "-Boys" führen, kommt für die beiden nicht infrage. Sie brechen aus und treffen bald schon auf eine inspirierte Guerilla-Truppe: die "Bohemians". Diese zeigen Fifi und Scaramouche anhand von "Reliquien" (alte Zeitschriftenfetzen), dass die in Vergessenheit geratene Rockmusik die Macht hat, Individualität und Leidenschaft zurückzubringen. Nur, wie hat Rock eigentlich geklungen? "Wir wissen es nicht."
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In seinen selbstironischen Momenten liegt die Stärke des Musicals. Etwa wenn die "Mm-noom-ba-deh, Doom-boom-ba-beh"-Sounds, die Queen-Fans aus "Under Pressure" kennen, zu Gedankenblitzen werden, die den "Träumer" Fifi durchzucken. Auch schön: Als sich der martialischste Macho unter den Rebellen damit brüstet, dass er sich nach dem härtesten Rocker aller Zeiten benannt hat: Helene Fischer.
Womit wir wieder bei den Widersprüchen wären: Ausgerechnet Lady Gaga, die Freddie Mercury mit ihrer Attitüde aktuell am nächsten kommt, muss im Musical für die seelenlose Gefolgschaft der "Killer Queen" (Linda Holmgren) Modell stehen. Queen wiederum, die operettenhafteste Gruppe der Rockgeschichte, die mit "American Idol"-Star Adam Lambert auf Tour geht und jede Möglichkeit nutzt, um Mercurys Erbe in Cash umzumünzen, symbolisiert den ehrlichen, handgemachten Rock. Besser nicht zu viel darüber nachdenken ...
Je näher das Ende rückt, desto stärker verdrängt die Musik alles andere. Zum Glück! Bei "We Will Rock You" klatscht das Publikum mit, zu "We Are the Champions" werden selig die Smartphones geschwenkt. Und wenn der gerade in den sanften Parts überzeugende Philipp Büttner und die rockig-wuchtige Inga Krischke "Who Wants to Live Forever" zum anrührenden Liebesduett umfunktionieren, dann ist der krude Plot endgültig vergessen. Überhaupt verstehen es alle Sänger, den komplexen Kompositionen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Und spätestens als das Piano von "Bohemian Rhapsody" den letzten Song des Abends ankündigt, wünscht man sich, dass diese zumindest musikalisch beeindruckende Show doch noch weitergeht.