Der hämmernde Beat einer verflossenen Liebe
Tanzgruppe L-E-V mit einer Choreografie von Sharon Eyal in der Heidelberger Hebelhalle

Sie tanzen in erstaunlicher Flexibilität: Szene aus "Love Chapter 2" in der Heidelberger Hebelhalle. Foto: André Le Corre
Von Zhe Weber
Heidelberg. Als sich der Vorhang öffnet und ein fahles Licht die Dunkelheit vertreibt, stehen fünf Personen auf der Bühne. Zwei Männer und drei Frauen. Ganz langsam setzen sie sich in Bewegung, so, dass man fast glauben könnte, es passiere gar nichts. Während immer ein Tänzer eine Art Solo vorführt, bewegen sich die anderen fast synchron. Sie tragen graue, verwaschene Turnanzüge und schwarze Strümpfe. Die Künstler stellen ihre Körper auf eine trostlose Weise zu Schau, sind wie Maschinen, jeglicher Menschlichkeit beraubt. Eine Stunde lang verausgaben sie sich, führen ununterbrochen ruckartige Bewegungen aus. Sie strecken und verbiegen sich bis ans Äußerste. Am Ende stehen einigen nicht nur der Schweiß auf der Stirn, sondern auch die Tränen in den Augen. Doch sie sind nicht die einzigen, die herausgefordert werden. Für das Publikum ist der Abend in der Heidelberger Hebelhalle eine einzige Tour de Force.
"Love Chapter 2" der israelischen Choreografin Sharon Eyal ist die Fortsetzung von "OCD Love" aus dem Jahr 2015. Eyal, die mittlerweile internationales Renommee genießt, gründete gemeinsam mit dem Produzenten und langjährigen Mitarbeiter Gai Behar die Tanzgruppe L-E-V. In Heidelberg gaben sie die einzige in Deutschland geplante Vorstellung aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Unterwegstheaters. "Lev" ist laut Programmheft das hebräische Wort für "Herz". Der Name der Gruppe ist somit eine Aufforderung, Eyals Stücke nicht verstehen zu wollen, sondern vor allem zu spüren.
Thematisiert wird in "Love Chapter 2" die Einsamkeit und Leere am Ende einer Liebe. Die Tänzer sind durchweg ausdruckslos in ihren Gesichtern. Manchmal sind Bruchstücke von Ballett oder Tango zu erahnen. Aber nie interagieren die Tänzer miteinander. Sie bleiben für sich, sind im eigenen Schmerz gefangen, wenn sie ihre Körper auf fast übermenschliche Weise dehnen und verdrehen. Selbst in den Momenten, wenn sie sich über den Bauch streichen oder Küsse in die Luft werfen, um Intimität anzudeuten, wirken sie isoliert und allein. Begleitet wird die Aufführung durch Live-Musik des Komponisten und DJ Ori Lichtik. Die meiste Zeit über besteht sie allein aus einem monotonen, hämmernden Beat. Erst spät, gegen Ende der Vorstellung, kommt eine weichere Melodie mit Gesangseinlage hinzu.
So kraftvoll und energiegeladen der Rhythmus zu Beginn auch ist, nutzt sich der Effekt mit der Zeit ab und wirkt schließlich nur noch ermüdend. Nichtsdestotrotz ist "Love Chapter 2" eine eindrucksvolle Zurschaustellung von Ausdauer und Präzision. Die Bewegungen die Tänzer geschmeidig und kraftvoll zugleich. Sie nehmen akrobatische Positionen ein, variieren diese und fallen dabei nie aus ihrer Rolle. Und so gibt es am Ende minutenlang stehende Ovationen.