Twenty One Pilots - Eine Ära endet
Twenty One Pilots mixen muntere Beats und melancholische Texte. Außerdem reingehört haben wir auch bei Sophie Ellis-Bextor, Machine Gun Kelly, The BossHoss und Wolf Alice.

Von Lea Holland
Man kennt sie vor allem durch ihre Hit-Single "Stressed Out", die sie 2015 an die Spitze der "Billboard Hot 100" katapultierte und auch in Deutschland über Monate hinweg nicht aus dem Radio wegzudenken war. Jetzt, zehn Jahre später, bringt das US-Duo Twenty One Pilots mit "Breach" sein achtes Album raus.
Gefeiert werden Tyler Joseph und Josh Dun für ihren vielseitigen Sound, der sich – in reduzierter Form – auch auf "Breach" wiederfindet. Getriebene Alt-Rock und Electro-Elemente mischen sich mit Josephs Rap-Einlagen und sentimentalen Klavier-Passagen. Zwischendurch sorgen harmonische Sprünge und Tempowechsel für Abwechslung. Hervorzuheben sind hier die Tracks "RAWFEAR" und "Center Mass". Letzterer sticht durch sein jazziges Intro hervor – ein spannender Kontrast zu dem sonst fast poppigen Song.
Die Kombi aus munteren Beats und introspektiven, bisweilen traurigen Lyrics punktet seit jeher bei den Fans, die sich mit der Verletzlichkeit der Pilots identifizieren. "Learning all that really matter is a slow and painful lesson", heißt es da. Oder einfach nur: "I feel like garbage!" Seine Unsicherheit drückt Sänger Tyler Joseph in der Figur "Blurryface" aus, die der Durchbruchsplatte von 2015 ihren Namen gab. Mit dem Musikvideo zu "Heavydirtysoul" begann damals die Erzählung rund um den Charakter Clancy, der immer wieder versucht, aus der dystopischen Stadt Dema zu fliehen. Über die nächsten Alben "Trench" (2018), "Scaled And Icy" (2021) und zuletzt "Clancy" (2024) wurde diese Geschichte weitererzählt. Nun kulminiert sie im Video zu "City Walls", in dem Clancy den düsteren Nekromanten Nico alias Blurryface konfrontiert und schließlich selbst dessen Platz einnimmt.
Ja, diese Band hat sich ein cineastisches Universum samt eigener Mythologie erschaffen. In den vergangenen Jahren sorgten die Mittdreißiger immer wieder mit kryptischen Posts und digitalen Schnitzeljagden für Spannung unter den Fans. 2024 erschien mit dem Video "I Am Clancy" dann das erste Mal eine übergreifende Erklärung der Storywelt. Darin erzählt Joseph vom zyklischen Kampf gegen Nemesis Blurryface – eine Personifizierung des scheinbar nie endenden Konflikts mit den eigenen Ängsten.
Dass das Duo Herzblut in die Kunst steckt und eine besondere Bindung zu den Anhängern pflegt, wird auch auf dem neuen Album deutlich. Zum Beispiel bei "Center Mass", in dem die Aufnahme eines Fans zu hören ist: "Girl, I really don’t think you should take that ..." Eine humorvolle Hommage an den Moment, als eine junge Frau nach einem Konzert in Manchester einen Teil des Drumsets mopste – danke der Hilfe von Fans jedoch gestellt werden konnte.
Insgesamt pflegen die Pilots eine ganz eigene Form der Kreativität. Kritische Stimmen mögen aber anmerken, dass die Band an Abwechslungsreichtum eingebüßt hat. Einige der "Breach"-Songs wirken seicht – trotzdem gibt’s kaum Ohrwurm-Potenzial. Für neue Hörer wird die Scheibe deshalb weniger interessant sein. Die alten Fans kommen mit dem Finale der Clancy-Saga dennoch auf ihre Kosten.
Info: "Breach" ist aktuell erhältlich. Nächstes Jahr spielen Twenty One Pilots bei Southside und Hurricane.
Die Parcels und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.
Sound der Woche
Sophie Ellis-Bextor
Perimenopop
Disco-Pop Sophie Ellis-Bextor? Da kommt einem sofort ihr Überhit "Murder On The Dancefloor" in den Sinn. Nach Ausflügen in Richtung Indie, Folk und Artpop kehrt die 46-Jährige wieder in die Disko zurück. Der Albumtitel spielt augenzwinkernd mit dem Wort Perimenopause, der Lebensphase vor der eigentlichen Menopause, in der sich Ellis-Bextor befindet – und nach eigener Aussage sehr wohlfühlt. Die Britin singt über Anziehung ("Taste") und Sehnsucht ("Heart Sing"), toxische Beziehungen ("Glamorous) und Verlust ("Don’t Know What You Got ’Til It’s Gone") – und über durchtanzte Nächte ("Freedom Of The Night"). Die zwölf Songs sind hervorragend produziert und stecken voller liebevoller Details. (lex) ●●●
Für Fans von: Kylie Minogue
Bester Song: Time
Machine Gun Kelly
Lost Americana
Pop-Punk Auch wenn Bob Dylan himself dieses Album anteaserte: Wer legendengroße Kunst sucht, sollte die Finger von "mgk" lassen. Denn die liefert der 35-Jährige auf "Lost Americana" nicht. Dafür sind die Stadionrock-Riffs zu abgenudelt, die Autotune-Anklänge zu offensichtlich und die Texte alles andere als dylanesk. Aber: Dafür bringt die Platte höllisch Spaß! Ohne Angst vor dem Klischee tänzeln diese 13 Songs quer durch die US-Musikgeschichte. Roadtrip-Material! (sös) ●●
Für Fans von: Green Day
Bester Song: Outlaw Overture
The BossHoss
Back To The Boots
Country So fresh wie ihr "Like Ice In The Sunshine"-Cover von 2005 wirken die BossHoss-Bros schon länger nicht mehr. Auch "Back To The Boots" haut einen nicht zwangsläufig aus dem Sattel. Immerhin: Die 17 Songs haben noch genug Schub, um ein Bauch-Beine-Po-Workout im Gym zu pushen. Passend dazu konnten die Durchhalter des Countryrock Arni Schwarzenegger für den Song "I’ll Be Back" gewinnen. Noch stärker: der Spinning-taugliche Chorus von "Win Win". (dasch) ●
Für Fans von: Das Kanu des Manitu
Bester Song: Win Win
Wolf Alice
The Clearing
Poprock Deutschland, wir hinken hinterher. Und damit sind ausnahmsweise mal nicht Digitalisierung oder Klimaschutz gemeint. Sondern: Wolf Alice! In ihrer Heimat gelten die Brit-Award- und Nummer-eins-Album-Abräumer als Band der Stunde. Bei uns fristen die Nordlondoner um Ellie Rowsell dagegen ein Nischendasein. Die gute Nachricht: Im Gegensatz zu Breitband- oder Schienenausbau lässt sich das entspannt fixen. Einfach alle die neue Scheibe "The Clearing" auflegen und zurücklehnen. Wie schwebend-schön die Einflüsse von Electric Light Orchestra, R.E.M. und anderen Granden hier ins Jahr 2025 transportiert werden – ein Genuss. Diese Wölfin darf gerne auch die hiesige Region heimsuchen. (dasch) ●●●
Für Fans von: Haim
Bester Song: White Horses