Good Charlotte geben sich wie zu Teeniezeiten
Mit "Motel Du Cap" feiern Good Charlotte ihr Album-Comeback. Außerdem reingehört haben wir auch bei Patty Griffin, Douwe Bob, Brunhilde und Travis Scott.

Von Daniel Schottmüller
"I hope I die before I get old", skandierten The Who 1965 – und tun es 60 Jahre später als rentenunwillige Rockopas noch immer. Tja, manche Songzeile altert eben nicht ganz so, wie man sich das im ersten Moment vorgestellt hat ... Good Charlotte können ein Liedchen davon singen: "Lifestyles Of The Rich And Famous".
Im Sommer 2002 rotzten Benji und Joel Madden mit diesem Track ihre Wut auf die Eliten raus. Die Reichen und Berühmten? Machen doch nichts, als sich permanent beschweren! Wie wär’s mit Schnauze halten, statt sein Selbstmitleid im "Rolling Stone" auszubreiten?! Die Zwillinge aus verkrachtem Elternhause rockten das quäkig-nasal ins Mikro – man vermochte ihre Teeniestimmen kaum zu unterscheiden. "If money is such a problem / You got so many problems / Think I could solve them …"
Es kam, wie es kommen musste: Die beiden Maddens, Söhne einer alleinerziehenden Mom aus Maryland, wurden mit ihrer Musik selber reich und berühmt. Mehr als 265 Millionen Mal wurde ihr Promi-Diss Stand heute auf Spotify abgerufen. "The Anthem", die ultimative Hymne der nach einem Kindermärchen benannten Band, bringt es sogar auf über eine halbe Milliarde Streams.
Letztlich sind das Folgeerscheinungen der frühen Zweitausender. Wuschig-wuschlige Boys in Skinny Jeans und Skaterschuhen, die ihren Harmoniegesang auf harte E-Gitarrenwände prallen lassen: Das war damals der heiße Scheiß. Und außer Sum 41 und Blink-182 grindete die Pop-Punk-Reling keiner so gekonnt wie die Jungs von Good Charlotte.
Heute haben die Bandbosse selbst jeder zwei Kids – Joel mit Nicole Richie, Benji mit Cameron Diaz. Aber nach sieben Jahren Albumpause reicht es mit Däumchendrehen in der eigenen Villa. Ein spaßbringender, innerfamiliärer Auftritt bei einer Hochzeit an der Riviera Südfrankreichs gab den letzten Anschubser. Jetzt wollen GC es nochmal wissen.
"Boom, Boom" so beschrieben die Brüder jüngst dem "Rolling Stone" (ausgerechnet!) ihren neuen alten Songwriting-Ansatz. Wie zu Teeniezeiten verzichtet man aufs große Konzeptboard. Man habe sich noch nicht mal die Mühe gemacht, die Lyrics schriftlich festzuhalten – ganz so wie in der "Lifestyles"-Ära.
Das Ergebnis: 13 energiestrotzende, abwechslungsreich geratene Tracks. Okay, den Country-Ausritt mit Luke Borchelt hätte es nicht gebraucht. Und in Summe geht es bei der guten Charlotte eine Spur gefälliger zu als früher. Aber der Aufenthalt im titelgebenden "Motel Du Cap" soll ja eine authentische Erfahrung sein – und "Life Is Great" für die Maddens, wie sie mit Maryland-Nachbar Wiz Khalifa singen. Ihre Stimmen harmonieren jedenfalls wie früher. Und um nicht in die Who-Falle zu tappen, kündigen Joel und Benji bereits an weiterzurocken: Das Schlusslied heißt "GC Forever"!
Info: "Motel Du Cap" erscheint am Freitag. Zunächst touren Good Charlotte damit durch die USA und Brasilien.
Paul Weller und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.
Sound der Woche
Patty Griffin
Crown Of Roses
Songwriter Harte Zeiten hat Patty Griffin hinter sich: erst der Kampf gegen den Brustkrebs, dann die Trennung von Ex-Zeppelin Robert Plant. Der singt trotzdem wieder bei einem Song ihres neuen Albums "Crown Of Roses" mit. Das ist noch ruhiger und melancholischer geworden als ihr letztes von 2019. So energetisch wie der rhythmische Shuffle des Openers "Back At The Start" ist sonst keiner der acht Tracks. Sehr persönlich singt Griffin über ihre verstorbene Mutter und die Wälder von Maine. "All The Way Home" oder "Born In A Cage" nehmen Einflüsse von Jazz und Gospel auf und lassen nicht mehr so stark an den Folk denken, mit dem die Songwriterin ursprünglich bekannt wurde. (welf) ●●
Für Fans von: Amanda Shires
Bester Song: The End
Douwe Bob
I Believe In Fairy Tales
Songwriter/Americana Es passt schon, dass der niederländische Songwriter in seiner Album-PR auf einen ZDF-Fernsehgarten-Auftritt verweist. Denn genau danach scheint er sich zu sehnen: nach gutgelauntem Publikum, das sich gern mitnehmen lässt und eingängige Melodien zu schätzen weiß. Dass diese lange Live-Platte von Douwe Bob dann alle Americana- und Country-Anklänge viel zu poppig umhüllt – plausibel. Aber bei dem Potenzial, das auch die Band hat, leider allzu gefällig. (sös) ●
Für Fans von: James Morrison
Bester Song: Out On The Road
Brunhilde
In Love Yours Hate
Hardrock Das Quartett aus dem fränkischen Fürth, im Kern auch schon seit zehn Jahren aktiv, kombiniert ziemlich kompromisslos brachiale Metalriffs mit draufgängerischen Punkrefrains. Die charismatische Frontfrau Caro Loy wechselt mühelos zwischen Shouting, pompösem Chorgesang und Sprechgesang-Silbengewitter. Heraus kommt eine ansteckende Energie, die an die frühen Guano Apes erinnert und über die eine oder andere holprige Textstelle mühelos hinwegtröstet. (hol) ●●
Für Fans von: Guano Apes
Bester Song: Go With The Flow
Travis Scott
JackBoys 2
Rap Düsteres Cover, ernüchternder Inhalt: Der zweite Release des Jackboys-Kollektivs verlässt sich auf die Selbstwirksamkeit Travis Scotts – leider ohne von seinem genialen Gespür für futuristisch-melodischen Trap Gebrauch zu machen. Auf den 17 Tracks tauchen zwar Namen wie Tyla oder 21 Savage auf. Letzterer bleibt aber auf Adlibs reduziert – eine verpasste Chance, die für das ganze Projekt steht. Scott, der als Produzent und Rapper gewaltigen Einfluss auf den modernen Hip-Hop nahm, gelingt weder klanglich noch konzeptionell etwas Zusammenhängendes. Einer der stimmigeren Tracks ist das witzige "SHYNE" ("wobble it, wiggle it"). Insgesamt wirkt dieses Album aber wie eine Gruppenarbeit ohne Aufsicht. (lia) ●
Für Fans von: Drake
Bester Song: SHYNE