Ein Rundumerlebnis mit The Last Dinner Party
Noch besser als auf ihrem umjubelten Debüt: The Last Dinner Party. Außerdem reingehört haben wir auch bei Kool Savas, Zaho De Sagazan, Yellowcard und James Morrison.

Von Steffen Rüth
Kurz bevor The Last Dinner Party ihr zweites Album "From The Pyre" veröffentlichen, musste Bassistin Georgia Davies weg. "Ich hatte zwei Wochen Zeit und habe mit meinem Freund im Internet geguckt, wo auf der Welt man am leckersten essen kann." Die Wahl des jungen Paares fiel auf San Sebastian im Baskenland. Entsprechend erholt und gut genährt sitzt die 26-Jährige nun beim Interview in ihrer Londoner Wohnküche. "Die Pintxos sind der Wahnsinn", schwärmt sie von den belegten Zahnstocher-Broten, die es in San Sebastian an jeder Ecke gibt. "Dazu haben wir den besten Rotwein getrunken, den ich je probiert habe."
Georgia Davies hat die Auszeit sehr gut gebrauchen können, verrät sie lächelnd. Denn was ihr und ihren vier Kolleginnen Abigail Morris, Lizzie Mayland, Aurora Nishevci und Emily Roberts in den vergangenen Jahren widerfahren ist, erlebt eine junge Rockband nicht alle Tage. Die fünf Londonerinnen spielten Ende 2021 ihr erstes Konzert, traten im Sommer 2022 bereits als Vorgruppe der Rolling Stones im Hyde Park auf und sind spätestens seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums "Prelude To Ecstasy" inklusive der Singles "Nothing Matters" und "Sinner" eine der angesagtesten Bands des Planeten. Dass es so flugs gehen würde mit einem zweiten Album nur eineinhalb Jahre später, habe sich früh abgezeichnet, so Georgia Davies. "Wir hatten noch unvollendete Songs vom ersten Album. Zusätzlich haben wir während der vielen Shows 2024 immer wieder geschrieben. Und Anfang des Jahres sind wir dann ins Studio gegangen."
Qualitativ kann sich "From The Pyre" locker mit dem gefeierten Vorgänger messen. Die Mittzwanzigerinnen schöpfen erneut mit vollen Kellen aus ihrem Inspirationsfundus, in dem sich vor allem Siebziger-Jahre-Bands wie Fleetwood Mac oder Queen befinden, dazu exaltierte Popcharaktere wie David Bowie oder Florence + The Machine. Dennoch: Ihr Stil ist eigenwillig genug, um zehn Songs lang vollends zu fesseln. Nicht mehr ganz so lieblich ist der Klang der neuen Nummern, was auch damit zusammenhängt, dass die Band einiges an Misogynie erdulden musste und darauf mit wütenderen Stücken wie "Hold Your Anger" oder "Inferno" reagiert. Auch die Vorabsingle "This Is The Killer Speaking" mutet düster an. Gleichwohl stehen auch diesmal große Melodienbögen, orchestrale Elemente, barocker Pop und Rock und überhaupt dieser ganze kunstsatte Bombast im Zentrum, der The Last Dinner Party zu solch einem Rundumerlebnis macht.
Fragt man Georgia Davies, welche Karriereziele als nächstes auf dem Zettel stehen, antwortet sie schmunzelnd mit "The Royal Albert Hall" – Londons allerschönster Veranstaltungsort.Info: "From The Pyre" erscheint diesen Freitag. Im Februar spielen The Last Dinner Party in Köln und Berlin.
Stefanie Heinzmann und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.
Sound der Woche
Kool Savas
Lan Juks
Deutschrap Er ist wieder da. Der selbsternannte "King" Kool Savas. Nun 50-jährig, liefert er vor allem alte Posen statt neue Poesie. Was man Savas Yurderi lassen muss: Er kann spitten! Die harte Aussprache, die Stimmfarbe und die Fähigkeit, im Flow auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen, bleiben markant. Doch was hat Savas zu erzählen? Außer, dass er sich immer noch für den Größten hält? Das aggressive Geflexe wirkt mittlerweile beliebig. Die Reim-Ketten erfüllen ihren Zweck, haben aber wenig Swag. Immerhin: Die eingesungenen Hooks seiner Feature-Gäste sind willkommene Abwechslung. Lan Juks ist Savas’ Sprayer-Pseudonym – einen neuen Anstrich könnten auch seine Rap-Strophen gut vertragen. (make) ●
Für Fans von: Kollegah
Bester Song: Monster
Zaho De Sagazan
La Symphonie Des Eclairs
Pop Die "New York Times" vergleicht sie bereits mit Edith Piaf, hier im Zett wollen wir damit noch kurz warten. Die Französin Zaho De Sagazan wird auf jeden Fall als kommender Superstar gehandelt. Jetzt hat sie ihr 2023er-Debüt neu eingespielt, dieses Mal als Orchesterfassung. Die Tanzbarkeit und Technoeinflüsse opfert sie einer luzideren, schwelgerischen Atmosphäre. Ab und an rutscht das zwar in den Kitsch, alles in allem wirkt dieses Album dennoch grundsolide. (han) ●●
Für Fans von: French Touch
Bester Song: Tristesse
Yellowcard
Better Days
Punkpop Dass diese elf Songs so pogo- ("Ocean Avenue") beziehungsweise schmettertauglich ("Only One") sind wie die alten Hymnen – schwer vorstellbar. Die Plattenfirma bewirbt das Yellowcard-Comeback nach sieben Jahren als "solide". Bedeutet: Die Travis-Barker-Gedächtnis-Drums wirbeln, während Ryan Keys für Ohrwurm-Refrains und die E-Geige für Pathos sorgt. Innovationen? Fehlanzeige. Dafür gibt’s ein Avril-Lavigne-Duett und jede Menge Millennial-Nostalgie. (dasch) ●●
Für Fans von: Simple Plan, Blink-182
Bester Song: Honestly I
James Morrison
Fight Another Day
Pop Mit Jim und Van verbindet ihn mehr als nur der Nachname – auch James Morrison ist ein starker Sänger. Bestes Beispiel: "Broken Strings" (2008), eine der eindringlichsten Balladen dieses Jahrtausends. Nun teilt der Mann aus dem mittelenglischen Örtchen Rugby erneut Musik, die einen nicht kalt lässt. Mit "Fight Another Day" verarbeitet Morrison den Suizid seiner Lebensgefährtin. Neben Trauer und Wut legt der 41-Jährige dabei eine beeindruckende Widerstandskraft an den Tag. Es lohnt sich weiterzuleben – das ist die Botschaft der 13 Songs, von denen einige den beiden Töchtern gewidmet sind. Allen voran: das soulige "Little Wings", das weniger an die Nachnamensvettern als an Stevie Wonder erinnert. (dasch) ●●●
Für Fans von: Lewis Capaldi
Bester Song: Little Wings