Die Good Charlotte geben sich wie zu Teeniezeiten
Mit "Motel Du Cap" feiern Good Charlotte ihr Album-Comeback. Außerdem reingehört haben wir auch bei Madeline Juno, The Wood Brothers, Adax Dörsam und Tyler, The Creator

Von Steffen Rüth
An und für sich begegnet uns Paul Weller am Telefon äußerst freundlich an diesem Julinachmittag, den er im Gärtchen seines Londoner Stadthauses verbringt. Nur bei einem Gesprächsthema wird der "Modfather" – einst Mitbegründer von The Jam und Style Council und seit über 30 Jahren solo höchsterfolgreich – etwas knurrig: Oasis. Er habe keine Meinung zum gigantischen Stadioncomeback der Gallagher-Brüder, teilt Weller mit. "Mich kümmert das nicht. Warum muss ich denn eine Meinung dazu haben?" Muss er natürlich nicht. Auch wenn der 67 Jahre alte Vater von acht Kindern mit Noel Gallagher befreundet ist und damals für den Oasis-Hit "Champagne Supernova" die Gitarre eingespielt hat.
Jetzt ist Noel wiederum als Akustikgitarrist im Quasi-Titeltrack "El Dorado" zu hören, einem lässigen, 2019 veröffentlichten Folksong des weithin unbekannten britischen Sängers und Songschreibers Eamon Friel. "Ich gönne ihnen die Kohle, ich gönne ihnen alles", schiebt Weller noch hinterher. Der große Unterschied zu Oasis, die vom Ruhm alter Zeiten und der Sehnsucht nach Nostalgie zehren: Er selbst veröffentlicht in hoher Frequenz neue Alben.
Vor einem Jahr erst kam "66", jetzt folgt mit "Find El Dorado" eine persönliche Goldschatz-Sammlung von Coversongs. 15 an der Zahl, alle sehr schön interpretiert, oft ziemlich zurückgelehnt, mit akustischen Instrumenten. Streicher, Piano und Mundharmonika kommen zum Einsatz, ebenso das Saxofon des 2020 verstorbenen Manu Dibango. Stilistisch ist "Find El Dorado" mehr Folk- als Rock- oder Pop-Album. Das einstige Band-Aid-Mitglied widmet sich seinen sorgsam und über Jahre ausgesuchten Schätzchen mit viel Liebe und Wärme.
Die meisten dieser Lieder sind praktisch unbekannt. Die Band The Guerrillas, deren recht flotten Titel "Lawdy Rolla" Weller neu interpretiert, hat auf Spotify gerade mal 48 monatliche Hörer. Auch die Namen der Troubadoure Duncan Browne ("Journey"), Hamish Imlach ("Clive’s Song, als zweite Stimme ist hier Robert Plant dabei) oder Brian Protheroe müssen selbst Musikliebhaber nochmal nachrecherchieren. Einzig "Nobody’s Fool" von The Kinks und der von Robin Gibb verfasste Bee-Gees-Hit "I Started A Joke" lassen sich als bekannt bezeichnen.
Mit seinen politischen Ansichten hält der linksgesinnte Paul Weller auf "Find El Dorado" nicht hinterm Berg. Stark hallt hier das erste Stück "Handouts In The Rain", ein Spätwerk von Woodstock-Veteran Richie Havens, nach. Hier heißt es – aktuell erschütternd vielseitig anwendbar: "You can bomb your foreign brother / You can hurt him until he dies / You can kill him until he never asks you why / You’re on his land, you’re on his land ..."
Info: "Motel Du Cap" erscheint am Freitag. Zunächst touren Good Charlotte damit durch die USA und Brasilien.
Paul Weller und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.
Sound der Woche
Patty Griffin
Crown Of Roses
Songwriter Harte Zeiten hat Patty Griffin hinter sich: erst der Kampf gegen den Brustkrebs, dann die Trennung von Ex-Zeppelin Robert Plant. Der singt trotzdem wieder bei einem Song ihres neuen Albums "Crown Of Roses" mit. Das ist noch ruhiger und melancholischer geworden als ihr letztes von 2019. So energetisch wie der rhythmische Shuffle des Openers "Back At The Start" ist sonst keiner der acht Tracks. Sehr persönlich singt Griffin über ihre verstorbene Mutter und die Wälder von Maine. "All The Way Home" oder "Born In A Cage" nehmen Einflüsse von Jazz und Gospel auf und lassen nicht mehr so stark an den Folk denken, mit dem die Songwriterin ursprünglich bekannt wurde. (welf) ●●
Für Fans von: Amanda Shires
Bester Song: The End
Douwe Bob
I Believe In Fairy Tales
Songwriter/Americana Es passt schon, dass der niederländische Songwriter in seiner Album-PR auf einen ZDF-Fernsehgarten-Auftritt verweist. Denn genau danach scheint er sich zu sehnen: nach gutgelauntem Publikum, das sich gern mitnehmen lässt und eingängige Melodien zu schätzen weiß. Dass diese lange Live-Platte von Douwe Bob dann alle Americana- und Country-Anklänge viel zu poppig umhüllt – plausibel. Aber bei dem Potenzial, das auch die Band hat, leider allzu gefällig. (sös) ●
Für Fans von: James Morrison
Bester Song: Out On The Road
Brunhilde
In Love Yours Hate
Hardrock Das Quartett aus dem fränkischen Fürth, im Kern auch schon seit zehn Jahren aktiv, kombiniert ziemlich kompromisslos brachiale Metalriffs mit draufgängerischen Punkrefrains. Die charismatische Frontfrau Caro Loy wechselt mühelos zwischen Shouting, pompösem Chorgesang und Sprechgesang-Silbengewitter. Heraus kommt eine ansteckende Energie, die an die frühen Guano Apes erinnert und über die eine oder andere holprige Textstelle mühelos hinwegtröstet. (hol) ●●
Für Fans von: Guano Apes
Bester Song: Go With The Flow
Travis Scott
JackBoys 2
Rap Düsteres Cover, ernüchternder Inhalt: Der zweite Release des Jackboys-Kollektivs verlässt sich auf die Selbstwirksamkeit Travis Scotts – leider ohne von seinem genialen Gespür für futuristisch-melodischen Trap Gebrauch zu machen. Auf den 17 Tracks tauchen zwar Namen wie Tyla oder 21 Savage auf. Letzterer bleibt aber auf Adlibs reduziert – eine verpasste Chance, die für das ganze Projekt steht. Scott, der als Produzent und Rapper gewaltigen Einfluss auf den modernen Hip-Hop nahm, gelingt weder klanglich noch konzeptionell etwas Zusammenhängendes. Einer der stimmigeren Tracks ist das witzige "SHYNE" ("wobble it, wiggle it"). Insgesamt wirkt dieses Album aber wie eine Gruppenarbeit ohne Aufsicht. (lia) ●
Für Fans von: Drake
Bester Song: SHYNE