Sound der Woche

Bryan Adams - Der Vorzeige-Boomer

Das neue Album von Bryan Adams kracht überraschend wuchtig ein. Außerdem reingehört haben wir auch bei Rodney Crowell, Robert Jon & The Wreck, Margo Price und Helloween.

27.08.2025 UPDATE: 31.08.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Foto: dpa

Von Steffen Rüth

Halb Deutschland diskutiert, ob die Menschen zwischen 55 und 70 zu faul, egoistisch, verantwortungslos und überhaupt an allem schuld seien. Es gibt Leute, die den Halbalten ihr Geld wegnehmen möchten ("Boomer-Soli"), die nächsten wollen sie zu einem Jahr Dienst am Gemeinwohl verdonnern. Andere gönnen den zumeist fidelen wie solventen Jungseniorinnen und Jungsenioren aber auch ihre Norwegen-Kreuzfahrten, SUP-Schnupperkurse und Zweitwohnsitze in der Provence. Boomer Bryan Adams, der im November 66 Jahre alt wird, dürfte diese Debatte, mit einem Schmunzeln quittieren.

Der Mann hat mehr als 40 sehr erfolgreiche Berufsjahre als Rockmusiker abgeleistet – und nach wie vor Freude an dem, was er tut. Ende des Jahres wird Adams mehr als 100 Konzerte gespielt haben. Und es langsamer angehen zu lassen, kommt ihm nicht in den Sinn. "Nein, warum?", fragt er so schelmisch wie rhetorisch. "Ich liebe mein Publikum und meine Musik." Auch für 2026 fülle sich der Tourkalender bereits rapide.

Aber auch mit neuer Musik weiß der Vielbeschäftigte, der sich seit Jahren eine Zweitkarriere als Fotograf aufbaut, zu beeindrucken. Jüngst hat Adams sich von allen korporativen Fesseln befreit und seine eigene Plattenfirma Bad Records gegründet, was für zusätzliche Kreativmotivation gesorgt habe. "Roll With The Punches" heißt jetzt sein 17. Studioalbum. Mit zehn Songs ist es nicht lang, aber auch nicht zu kurz. Die Stimme des Kanadiers klingt darauf so raugeraspelt wie eh und je. Und liefen in unseren Autos noch Alben statt vom Algorithmus eingeschaufelte Podcasts, wäre "Roll With The Punches" ein idealer Fahrtbegleiter.

Der angenehm harte Töne anschlagende Titelsong "Roll With The Punches" lässt direkt an "It’s Only Love", Adams’ Duett mit Tina Turner, denken. Das bluesig-funkige "A Little More Understanding" hat so sehr was von Joe Cockers "Unchain My Heart", dass man nachschaut, ob jenes von Adams geschrieben wurde (wurde es nicht). Dazu gesellen sich melodische Midtempo-Nummern – manchmal mehr Pop, manchmal mehr Rock. Zwei Balladen sind auch dabei: das in Nostalgie getünchte "Will We Ever Be Friends Again" und "Life Is Beautiful". Letzteres schlägt seiner Binsenweisheitigkeit ein Schnippchen, als Adams in Anspielung auf die Abtreibungsdebatte "Your body, your choice" singt – gefolgt von einem Aufruf, die Stimme zu erheben. Ein achselzuckender Nach-mir-die-Sintflut-Boomer war er eben noch nie ...


Info: "Roll With The Punches" erscheint diesen Freitag. Am 16. Dezember spielt Bryan Adams in Braunschweig.







Jon Batiste und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Rodney Crowell

Airline Highway

Countryrock Eine Legende ist dieser 75-Jährige bisher nur in den USA. Eigentlich unverständlich. Denn Rodney Crowell hat unzählige Grammys eingeheimst und legt bereits sein 23. Album vor. Während er früher Songs für Johnny Cash, Waylon Jennings oder Bob Seger schrieb, gibt der Texaner mit seinem neuen Werk den Staffelstab an die nächste Generation weiter. Rebecca und Megan Lovell von Larkin Poe, Ashley McBryde, Lukas Nelson und Charlie Starr von Blackberry Smoke unterstützen den Meister. Oder andersrum – wie man will ... Auf jeden Fall sind zehn feine Titel herausgekommen. Mal wird zackig gerockt, mal wehmütig am Lagerfeuer geträumt – stets authentisch und mit klugen Texten. (gol) 

Für Fans von: John Hiatt


Bester Song: Rainy Days In California


Robert Jon & The Wreck

Heartbreaks & Last Goodbyes

Rock Der Southern Rock lebt, und wie! Robert Jon & The Wreck klingen, als wären Tom Petty & The Heartbreakers zurück. Produzent Dave Cobb (Chris Stapleton) verpasst den Kaliforniern einen erdigen, ehrlichen, energischen Sound. Unter den zehn sehr guten Bluesrock-Songs stechen heraus: das dreckige "Sittin’ Pretty", das in einer Jam-Session entstand, und das kernige "Dark Angel". Insgesamt eine äußerst atmosphärische Hommage an den Rock der Siebziger. (lex) ●●

Für Fans von: Tom Petty

Bester Song: Dark Angel


Margo Price

Hard Headed Woman

Country "Don’t let the bastards get you down", rät Margo Price – und man kriegt direkt gute Laune. Ja, die in Nashville lebende Songwriterin ist im besten Sinne retro. Ihre quirlige Art zu singen ruft Erinnerungen an June Carter wach, die schlitzohrigen Outlaw-Texte könnten von Willie Nelson stammen. Ehe, Elternschaft, das Leben auf Tour und in "Music City": Margo verarbeitet alles mit ansteckendem Humor. Fun Fact: An einigen der Songs hat Rodney Crowell mitgebastelt. (dasch) ●●

Für Fans von: Dolly Parton


Bester Song: Don’t Wake Me Up


Helloween

Giants & Monsters

Metal Dass den Metal-Giganten Helloween mit "Giants & Monsters" erneut ein starkes Album gelingt, überrascht nicht. Ihr Mix aus Speed und eingängigen Refrains ist ein Erfolgskonzept, das mit dem Opener "Giants On The Run" sofort zündet. Das Septett traut sich aber auch an poppigere Sounds: "A Little Is A Little Too Much” klingt mit seinem 80er-Synth kaum noch nach Metal. Zurück zu den Ursprüngen geht es dafür mit "We Can Be Gods": brachiale Gitarrenriffs, blitzschnelle Drums und drei Powerröhren, die zeigen, welche Höhen sie noch immer erreichen. Komplex wird es auf Langläufern wie "Majestic". Fazit: ein meisterlicher Spagat zwischen Tradition und Neuerfindung. (lia) ●●

Für Fans von: HammerFall

Bester Song: We Can Be Gods