Schillertage Mannheim

"Zusammen" - Das meinen die Schillertage ernst

Die Nationaltheater und die freie Szene kooperieren für das diesjährige Festival.

26.03.2021 UPDATE: 27.03.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Klangkünstler Dimitri de Perrot bringt „Niemandsland“ nach Mannheim. Foto: Studio Ddp

Von Isabelle von Neumann-Cosel

Mannheim. Die 21. Internationalen Schillertage des Mannheimer Nationaltheaters finden statt: vom 17. bis 27. Juni, drinnen oder draußen, live und als Streaming-Angebot, mit spektakulärem Festivalzentrum unter freiem Himmel und auf die ganze Stadt verteilten Schauplätzen. Schauspielintendant Christian Holtzhauer, der künstlerische Leiter des Festivals, versucht sich mit seinem Team auf jede denkbare pandemische Entwicklung einzustellen. Mehr noch: Mit dem Motto "zusammen" schlagen die Schillertage nicht nur die Brücke zu einem kontroversen Thema in der Pandemie, sondern geben eine gesellschaftliche Losung aus.

Das Motto soll mehr sein als ein Lippenbekenntnis. So hat Christian Holtzhauer gleich selbst eine neue Qualität von "zusammen" in das Festival eingebaut: die Kooperation zwischen Nationaltheater und freier Theaterszene. Ganz neu ist das nicht – zumindest die Räume der freien Gruppen wurden schon mit kleinen Festivalformaten bespielt. Aber in diesem Jahr funktioniert die Kooperation auf Augenhöhe: Drei freie Kulturinstitutionen dürfen eigens auf das Festival zugeschnittene Produktionen erarbeiten. Der Synergieeffekt ist beträchtlich: Die Freien bekommen finanzielle Unterstützung und den Rahmen eines Festivalformats, der ihnen entsprechend hohe Aufmerksamkeit sichert. Christian Holtzhauer darf sich im Gegenzug über drei sehr spezielle Uraufführungen freuen, für die allesamt die Qualität "out of the box" gilt, also außerhalb des üblichen Theaterrahmens. Solche Formate sind quasi das Lebenselixier der freien Szene – und sie können beflügelnd auf die etablierten Theaterstrukturen wirken.

Im Theaterhaus G7 werden für die Produktion "Made of Mannheim" des Autorenteams Javard Alipoor und Chris Thorpe sogar Mitglieder des Schauspielensembles am Nationaltheater und KünstlerInnen der freien Szene zusammen auf der Bühne stehen. Die Autoren haben das Aufeinanderprallen von Idealismus und Realität als Thema formuliert, das Schillers Werk mit der Gegenwart verbindet. Dazu haben sie BürgerInnen in der Quadratestadt befragt und ein echtes Mannheim-Stück zusammengeschmiedet. Schon das (gleichzeitig!) dreisprachige Textkonzept des Stückes ist einzigartig: Der englische Originaltext kommt im klassischen Blankvers (fünffüßige Jamben) daher; die Übersetzungen ins Deutsche und Türkische müssen diese Herausforderung meistern.

Die Kooperative zeitraumexit hat bereits mehrere Projekte mit der österreichischen Performance-Künstlerin Vanessa Stern verwirklicht. Für die Schillertage steuert die Schauspielerin und Autorin, die genüsslich und mit Erfolg weibliche Klischees aufspießt, das Stück "Knochenarbeit" bei. Ausgehend vom Mythos von Schillers Schädel, der sich bei wissenschaftlicher Untersuchung als ursprünglich weiblichen Ursprungs herausstellt, lässt sie drei Maden aus genau diesem Schädel zu Wort kommen. Ein hintergründiger, provokanter Theaterspaß ist vorprogrammiert.

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Noch einen Schritt weiter geht der Schweizer Klangkünstler Dimitri de Perrot auf Einladung des Mannheimer EinTanzHauses. Sein "Niemandsland" bewegt sich im Spannungsumfeld zwischen Theater, Konzert, Installation und Party – nur Darsteller gibt es keine. Diese Rolle übernimmt das Publikum in der einstündigen Performance, der alltägliche Geräusche den musikalischen Rahmen geben. Diese ungewöhnliche Theatererfahrung soll während der Schillertage im Stundentakt gemacht werden können – möglichst unterstützt durch lokale DJs.

Mit der Ankündigung der drei Schillertage-Uraufführungen, lange noch bevor das übrige Festivalprogramm steht, geht Christian Holtzhauer einen weiteren solidarischen Schritt, um die PartnerInnen der freien Szene ins rechte Licht zu setzen. Das Motto "zusammen" auch bei der Struktur des Festivals einzulösen, ist hoffentlich ein gutes Omen.

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