"Don Karlos" aus Düsseldorfer Schauspielhaus im Nationaltheater
Inszenierung Alexander Eisenachs - Was ist heute Gedankenfreiheit?

Eine Art Gewächshaus dominiert die Bühne beim "Don Karlos"-Gastspiel im Rahmen der Schillertage. Foto: Rabsch
Von Franz Schneider
Mannheim. Der Mensch, der nicht frei ist, lebt wie auf einer schrägen Glasfläche, auf der er ständig abzurutschen droht, sichtbar für die anderen. Das glaubt man sofort hineinzuinterpretieren, wenn man Daniel Wollenzins Bühnenbild sieht, das er für die "Don Karlos"-Inszenierung Alexander Eisenachs fürs Düsseldorfer Schauspielhaus erbauen ließ. Diese Produktion wurde jetzt zu den Mannheimer Schillertagen geholt.
Ein Gerüstbau, der mit seinem Glasdach fast wie ein Gewächshaus aussieht, damit das Unkraut darin gedeihen kann, das einem den spanischen Hof zur Hölle macht. Daneben ein Turm, gebaut wie ein Beobachtungsposten, der einen an die Macht gemahnt. Die Figuren können sich dahinter und darin verstecken.
Es ist auf der Bühne betont düster geworden für Schillers dramatisches Gedicht. Lichter ähneln Grablichtern, Schwarzgrau dominiert, Rot dazu als Kontrast, wenn Blut vonnöten ist und ein wenig Spielerei: Bälle, die aussehen wie Tomaten etwa oder wenn die Prinzessin Eboli bei ihrem ersten Auftritt in einer Art E-Pferdchen vorbeigleitet. So putzig aber wird es danach nie mehr. Was der Zuschauer primär erlebt, ist die Gewalt der Wortgefechte: hitzig, leidenschaftlich, gewunden.
Die Figuren sind verstärkt durch ihre Sprache präsent, durch das Verrenken ihrer Hände bei dem, was sie sagen wollen. Wirkliche Körperlichkeit entwickelt eigentlich nur Wolfgang Michalek als König Philipp, kräftig und kahlköpfig, kein Aristokrat, sondern ein Brutalo, dessen Sensibilität und Sentimentalität nur als Kompendium seiner Gewalt erscheinen.
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Den anderen ist besonders die Angestrengtheit, die Qual zu eigen, aus der es kein Entrinnen mehr gibt, denn bekanntlich ist Aranjuez längst vorüber. So präsentiert Jonas Friedrich Leonhardi seinen Don Karlos als so zerrissen von seinen Gefühlen wie unrettbar infantil. André Kaczmarczyks Marquis von Posa wirkt mit seine lauteren Gedanken auch nur wie eine Stimme in einem Gesamtdiskurs der Intrige, der zudem getragen wird von Sebastian Tessenow als Herzog von Alba wie Lou Strenger als Prinzessin Eboli, Lea Ruckpaul als Elisabeth und Alexej Lochmann als Domingo. Im ersten Teil wirkt alles statisch, es schreit nach Bewegung, nach Rotation.
Dies geschieht: "come as you are" steht über allem, ein Gruß aus dem Nirwana, das Ende beginnt. Aufgeklappt nun das Gewächshaus zu einzelnen Flügeln, der Turm jetzt in der Mitte, das Drama bewegt sich endlich. Es bleibt dabei aber der Vorlage verpflichtet, die Aktualität der Thematik: Fragen wie "Was ist heute Gedankenfreiheit?" werden entfaltet, irgendwann wurde sogar Björn Höcke zitiert, aber dennoch bleibt alles stimmig. Einen großen Kreis beschreibt das Gerüst der Repräsentation und Konvention, aus dem es kein echtes Entfliehen gibt außer durch den Tod im Theaterblut.
König Philipps Treffen mit einem Großinquisitor, der mit Karin Pfammatter bewusst völlig unscheinbar daher kommt, gerät zu einem Finale, das mit dem frommen Wunsch aus Schillers "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" endet: "Lebe mit deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf". Das klingt dann so bedeutsam, wie wenn einer den Buchdeckel zuklappt.
Entlassung des Publikums darum aus einer so fordernden wie homogenen Inszenierung. Es konnte offenbar mit dem Geschehen etwas anfangen und dankte mit reichlichem Applaus.



