Mannheimer Nationaltheater

Sehnsucht nach dem ganz persönlichen Glück

Ganze Reihen müssen frei bleiben: Das Theater plant die nächste Saison mit neuem Sicherheitskonzept.

23.07.2020 UPDATE: 24.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Im oberen Foyer des Nationaltheaters Mannheim: Der Schauspiel-Intendant Christian Holtzhauer beleuchtet mit verschiedenen Produktionen das Thema Beziehungen. Foto: A. Gerold

Von Volker Oesterreich

Mannheim. Nichts ist gewiss in Zeiten der Pandemie, dennoch richtet sich der Blick in die Zukunft, wobei zwei Fragen im Vordergrund stehen: Was geht? Und was geht nicht? Auch im Nationaltheater Mannheim, diesem Riesentanker der Darstellenden Kunst und der Musik, stellt man sich den Herausforderungen der Corona-Zeit. Am 13. März musste der Spielbetrieb Knall auf Fall eingestellt werden, zunächst vorläufig, dann wurde der Rest der laufenden Spielzeit am 30. April komplett abgesagt: "Aus Sicherheitsgründen", wie der Geschäftsführende Intendant Marc Stefan Sickel am gestrigen Donnerstag bei der Vorstellung der Projekte für die kommende Saison sagte, "denn auch bei uns gab es Infektionsfälle". 505 Veranstaltungen mussten bis zur Sommerpause abgesagt werden, was "zu einem Einnahmeausfall von 3,7 Millionen Euro geführt" habe. Auch die kommende Spielzeit werde wegen der Sicherheitsvorkehrungen und des stark reduzierten Platzangebots defizitär sein, sagte Sickel.

Im Opernhaus können bis auf Weiteres nur 230 Besucher Platz nehmen, im Schauspielhaus nur 110, ganze Reihen müssen frei bleiben. In beiden Häusern kann nicht gleichzeitig gespielt werden, sondern nur im zeitlichen Abstand von vier Stunden, damit sich die Zuschauer im Foyer nicht ins Gehege kommen. Kontaktdaten werden aufgenommen, man muss einen Ausweis parat haben und bis zum Sitzplatz einen Mund-Nase-Schutz tragen. Das Sicherheitskonzept hat in allen Sparten auch Auswirkungen auf das künstlerische Angebot.

> Oper: Albrecht Puhlmann, der Intendant des Musiktheaters, startet unter dem Motto "Wir für Euch" mit sechs sehr unterschiedlichen Opernproduktionen in die neue Saison. Sie dauern maximal 90 Minuten und werden ohne Pause gezeigt. Hans Thomallas Song-Oper "Dark Spring" wird am 11. September uraufgeführt. Von der Pop-Oper "Vespertine" nach Björk ist eine Neufassung geplant, ebenfalls neu arrangiert werden Repertoire-Klassiker, die zwischen weißen Wänden von großflächigen Projektionen renommierter Videokünstler begleitet werden. Dazu zählen Mozarts "Zauberflöte", an der Anna Thalbach mitwirken wird, Puccinis "Madama Butterfly", Rossinis "Der Barbier von Sevilla" und Humperdincks "Hänsel und Gretel". Es werde völlig neue Seh- und Hörerlebnisse geben, erklärte Puhlmann. Bei Puccinis "Butterfly" beispielsweise wirkten nur 16 Musiker mit. Die Opernprojekte ab Januar seien noch nicht terminiert, aber man denke daran, die Aufzüge von Wagners "Tristan und Isolde" an mehreren Tagen nacheinander zu zeigen.

> Schauspiel: Bei Monologen muss man die Abstandsregeln nicht so genau im Auge behalten, deshalb konzentriert sich der Schauspiel-Intendant Christian Holtzhauer auf dieses Genre. Nicht ausschließlich, aber vorrangig. Als erster Monolog wird am 20. September Sivan Ben Yishais Abend mit dem ungewöhnlichen Titel "Die Tonight, Live forever oder Das Prinzip Nosferatu" gezeigt, es folgen Simon Stephens "Steilwand", "Die Wand" nach dem Roman von Marlen Haushofer, Dea Lohers "Land ohne Worte" und "Fräulein Else" nach Arthur Schnitzler. Sandra Strunz wird die Uraufführung "Späte Familie" nach dem Roman von Zeruya Shalev inszenieren, gefolgt von der Bühnenfassung von Thomas Manns "Felix Krull". Björn Bickers "Lehrer*innen", Friedrich Dürrenmatts "Versprechen", Mehdi Moradpurs Stück "ein körper für jetzt und heute" sowie Kleists "Käthchen von Heilbronn" stehen ebenfalls auf Agenda. Als "Männerabend für alle Menschen" wird Daniel Cremers "Sex – Die halbe Wahrheit" angekündigt, außerdem wird Elena Ferrantes "Meine geniale Freundin" fortgesetzt. Das Stadtensemble Mannheimer Bürger will sich in zwei Projekten dem Grundgesetz widmen. Wie international die "Internationalen Schillertage" vom 17. bis 27. Juni gestaltet werden können, steht derzeit noch in den Corona-Sternen.

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> Tanz: Stephan Thoss, der Intendant der Tanz-Compagnie, widmet sich mit der Choreografie "My Island" der menschlichen Sehnsucht nach dem ganz persönlichen Glück. Als zweite Produktion plant er "Crescendo" zur Musik von Arvo Pärt, Hauschka und John Corigliano. Auch Thoss muss umdenken, weil die Tänzerinnen und Tänzer sechs Meter Abstand voneinander halten müssten. Wie vertanzt man so das innige Verlangen? Man darf gespannt sein.

> Junges Nationaltheater: Einen eigenen Kosmos von Farben, Formen und Mustern verspricht die Sparten-Intendantin Ulrike Stöck mit der Uraufführung "Insekten" für Menschen ab fünf Jahren, des Weiteren sind die Premieren von "Performing Family" von Wera Mahne, "hast du schon gehört?" des Theaters Marabu sowie die Wiederaufnahmen von "Matsch", "Die Welt ist rund", "Freche Fläche" und "1001 Nacht" geplant.

Info: www.nationaltheater.de

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