Die Dummheit war eines seiner Lieblingsthemen
"Ein Ausbruch in Kreativität": Die Sammlung präsentiert eine überarbeitete Neuauflage zu Erich Spießbach.

Von Matthias Roth
Heidelberg. Im Prinzhorn-Museum findet derzeit eine interessante Ausstellung in Kooperation mit einem Klinik-Museum in Paris statt, die den Humor in der Psychiatrie zum Thema hat: ein probates Mittel vieler Patienten, ihre eigene Situation mit Hilfe von Witz, Ironie und oftmals beißender Kritik an Ärzteschaft und Politik erträglicher zu machen. Ein besonderer Fall, der auch in dieser Ausstellung dokumentiert wird, betrifft den 1901 in Gotha geborenen und lange in Münster und anderswo untergebrachten Erich Spießbach. Ihm ist ein eigener Katalog gewidmet, der nun erschienen ist.
Es handelt sich dabei um die erweiterte und (zweisprachig) überarbeitete Ausgabe einer bereits 2012 herausgekommenen Publikation, die schnell vergriffen war. Spießbach ist von besonderem Interesse, da der zum Präparator und Grabungshelfer ausgebildete Mitarbeiter am Heimatmuseum Gotha und später am Landesmuseum Münster tätige Restaurator und Spezialist für Frühgeschichte durch ständige Querelen mit seinen Vorgesetzten, vor allem in Münster, Beschwerden und juristische Eingaben, vermutlich auch maßlose Selbstüberschätzung auffiel und schließlich 1943 als "querulierender Paranoiker" in eine geschlossene Psychiatrie überführt wurde.
Schon zehn Jahre zuvor hatte sich Spießbach geweigert, aus einer einzigen historischen Hakenkreuzscherbe eine komplette Buckelurne des 3.-4. Jahrhunderts zu "rekonstruieren" und legte sich so mit der nationalsozialistisch orientierten "Germanischen Vorgeschichtsforschung", dem Amt Rosenberg und der SS-Forschungseinrichtung "Deutsches Ahnenerbe" an. Unter dem Verdacht, wissenschaftliches Material entwendet zu haben, geriet er 1936 in Untersuchungshaft – doch das Verfahren endete mit Freispruch. Allerdings führte seine daraufhin einsetzende Flut von Klagen und Prozessen schon 1938 zu einem ersten psychiatrischen Gutachten.
Als er den Vorgesetzten des Arbeitsgerichts Münster "wegen offensichtlicher Geisteskrankheit" seines Amtes entheben lassen wollte, führte dies 1942 zu Spießbachs Entmündigung und kurz darauf zur Einweisung in eine Anstalt. Nach Kriegsende klagte er auf Schadensersatz in Höhe von 200.000 Mark wegen "frecher Behinderung meiner Zukunftspläne". So setzen sich seine Anstaltsaufenthalte fort, bis er beim dritten Fluchtversuch 1956 abstürzte und sich tödliche Verletzungen zuzog.
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Nicht ungewöhnlich für Psychiatriepatienten und schon von Hans Prinzhorn beschrieben sind kreative Schübe von Anstaltsinsassen. Nach einem "Schreibwahn" hatte Spießbach, der in frühen Jahren Fundorte und Fundstücke zeichnerisch dokumentierte, 1951/52 einen solchen "Ausbruch in Kreativität", und aus diesem kurzen Zeitraum stammen fast alle der etwa 300 erhaltenen, zum Teil sehr detaillierten Zeichnungen, aber auch Plastiken. Der größte Teil seines künstlerischen Nachlasses beherbergt heute das Museum Sammlung Prinzhorn. Darunter sind bemerkenswerte Pflanzenstudien genauso wie politische Plakatentwürfe. Am häufigsten aber sind satirische Blätter, die nun in der erwähnten Ausstellung zu sehen sind.
Darunter "Der deutsche medizinische Weltrekord: Die Holzkopfprothese des Irrenarztes Dr. X..." oder der Plan für ein Denkmal "Die Heilige Dummheit der Universitätsstadt Münster gewidmet von dem dreifach diplomierten Idioten Erich Spießbach", der nun das Buchcover ziert. Die menschliche Dummheit war eines der Lieblingsthemen Spießbachs und inspirierte ihn immer wieder zu höchst humorvollen Arbeiten.
Info: Thomas Röske (Hg.) Ein Ausbruch in Kreativität. Erich Spießbach, "der dreifach diplomierte Idiot". Sammlung Prinzhorn im Wunderhorn Verlag, Heidelberg, 192 S., 19,99 Euro.



