Matthias Maaß' größtes Werk entstand in einer Nacht
Rund 3000 Arbeiten des Künstlers sind in einem Werkverzeichnis versammelt. Der Heidelberger Künstler starb 2019 im Alter von 61 Jahren.

Von Matthias Roth
Heidelberg. Er war ein schwieriger Mensch, aber ein selbstbewusster Künstler. Seit wir eine Ausstellung von ihm im Hinterzimmer der Absinth-Bar in der Unteren Straße besucht hatten, kannten wir uns persönlich. Zugegeben: Er war eine oft auch ein bisschen zwielichtige Gestalt in der Öffentlichkeit, stolzierte mit langen, zotteligen Haaren, gelegentlich leicht derangiertem Anzug und auffallender Zigarettenspitze durch die Hauptstraße und erzählte einem offen von den Psychopharmaka, die ihn gerade "bei Laune" hielten, und davon, dass er gerade wieder zeichnen könne. Die Schizophrenie quälte ihn sonst schier unerträglich.
Matthias Maaß zeichnete gegen seine Erkrankung an, und die Ergebnisse waren oft frappierend. Als er 2019 in Heidelberg starb, war klar, dass da einer gegangen war, dessen künstlerisches Werk über sein Lebensalter hinaus von Bedeutung ist. Das Werkverzeichnis, das jetzt rund 3000 erhaltene und dokumentierte Arbeiten in zwei Bänden versammelt, macht dies nun schwergewichtig deutlich.
Die farbig wiedergegebenen Arbeiten, immer drei auf einer Seite, also in einem Format, das Detailansichten gerade noch zulässt, sind chronologisch angeordnet, denn die meisten davon sind (ab etwa 1982) mit genauem Datum versehen. Meist ist die Zeitangabe der Entstehung Teil des Bildes, wie überhaupt grafische Elemente oft zum Bildinhalt gehören, etwa auch die Bildtitel.
Zeichnungen und Aquarelle bilden den Hauptteil dieses Œuvres, aber es kommen auch Gemälde in Acryl und Öl auf Leinwand vor, wie etwa die Großformate "Totenmahl" (Ergebnis einer Kunstaktion in der St. Vituskirche von 1992), das heute als Leihgabe der Prinzhorn-Sammlung in der Heidelberger Kopfklinik hängt, oder das "Familienbild", das kurz darauf entstanden ist.
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Die meisten Bilder jedoch sind Arbeiten mit Glasfeder und Tusche bzw. Kugelschreiber, Filzstift, Kreide oder Mischtechniken auf Papier. Oft figürlich gehalten, führen sie in surreale Traumwelten. Bemerkenswert und geradezu berühmt geworden sind schon zu Lebzeiten die "Köpfe" des Künstlers, gelegentlich Porträts, oft Selbstporträts, denen er sich vor allem in den letzten Lebensjahren bevorzugt widmete. Vorbilder wie Picasso oder Paul Klee sind erkennbar, aber die persönliche Handschrift des Künstlers wird schnell deutlich. Daneben gibt es minimalistisch-serielle Rasterbilder von geradezu manischer Strenge, wie etwa die "15.000 Arschlöcher", die das Bild schachbrettartig bevölkern. Eher überraschend finden sich auch Landschaften.
Dabei sind diese Arbeiten fast immer autobiografisch motiviert und beziehen sich oft auf persönliche Begebenheiten, etwa den Tod des Vaters: Der Mathematiker Hans Maaß hatte eine große Bedeutung für den Sohn, der ein besonderes Verhältnis zu Zahlen entwickelte. Hingegen zeigt der Künstler in seiner kontinuierlichen Arbeit nur selten augenfällige Reaktionen auf Weltereignisse wie etwa den Fall der Mauer im November 1989 oder den Anschlag auf der World Trade Center in New York am 11. September 2001.
Der Sammler und Künstler-Freund Wilhelm Kampik, Herausgeber der beiden Bände, die Kunsthistorikerin Kristina Hoge, die ihn in ihrer Galerie P13 ausstellte (zuletzt zum 60. Geburtstag des Künstlers) sowie die Schwester des Künstlers, Helen Sarah Maaß, führen mit sensiblen Texten in das Werk des Heidelbergers ein, der 2019 im Alter von 61 Jahren starb.
Herausragend sind in diesem Gesamtwerk tatsächlich die "Köpfe", deren spezifischer Ausdruck in einer langen Entwicklungsphase entstand, die sich ab etwa 1999 herauskristallisierte: Oft mit Glasfeder, Kugelschreiber oder Filzstift vorgezeichnet und dann aquarelliert oder anderweitig koloriert, können diese kleinen Meisterwerke einer psychisch höchst zerrissenen Existenz auch heute noch berühren.
Info: Wilhelm Kampik (Hg.), Matthias Maaß, Werkverzeichnis. Bezug über www.matthias-maass-collection.de.



