RNZ-Interview

Für Laith Al-Deen braucht es mehr positive Zeichen

Am Freitag erscheint nach vier Jahren wieder ein neues Album von Laith Al-Deen - Auf "Dein Begleiter" schlägt er auch neue Töne an.

18.04.2024 UPDATE: 18.04.2024 04:00 Uhr 3 Minuten, 49 Sekunden
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Von Steffen Rüth

Seine Hits wie "Bilder von dir" oder "Dein Lied" machten ihn bekannt. Der in Mannheim lebende Laith Al-Deen ist verlässlicher Garant für musikalisch ausgeklügelten und nicht selten tiefgehenden Pop. Seine Stärke: Über Zuversicht und Zusammenhalt zu singen, ohne die Herausforderungen des Lebens dabei zu ignorieren.

Laith, du sollst dir lange unschlüssig gewesen sein, ob du ein weiteres Album aufnimmst. Weshalb?

Laith Al-Deen: Ich fühlte mich einfach nicht danach. Was mein Leben anging, befand ich mich in einer Phase, in der ich die Dinge neu priorisierte. Ich habe mich mehr mit meiner Familie beschäftigt als mit Musik. Streckenweise habe ich gar keine Musik mehr gehört. Ich tausche mich auch viel mit Kolleginnen und Kollegen aus, und immer öfter kommen wir neuerdings darauf zu sprechen, ob es sich überhaupt noch lohnt, Alben zu machen. Ob man Alben überhaupt noch braucht. Das Format ist tatsächlich auf dem Rückzug, und man muss abwarten, ob es nicht irgendwann ganz verschwindet. Was ich selbstverständlich äußerst schade fände.

Wie kam es dann zu "Dein Begleiter"?

Ich konnte irgendwann nicht anders, als mir doch wieder alles anzuhören, was meine Kolleginnen und Kollegen so machen. Ich leckte wieder Blut, bekam wieder Lust. Neu war, mich zu ein paar schönen Schreib-Dates zu verabreden, so hatte ich endlich die Gelegenheit, Ela Steinmetz kennenzulernen, mit der ich für mein letztes Album schon was geschrieben hatte. Zusätzlich gesellten sich Musikautorinnen und -autoren kannten, die aktuell zu den angesagtesten des Landes zählen. Es kam alles so richtig gut zusammen, und dann haben wir bald schon festgestellt, dass es thematisch einen Kern gibt bei den neuen Liedern.

Nämlich?

Tatsächlich das Begleiten. Ich musste an den Film "8 Blickwinkel" denken, wo ein Anschlag auf den US-Präsidenten aus acht verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Mit jedem neuen Winkel erfährt man mehr über die Zusammenhänge der Tat. Das war also die Grundidee. Daraus folgten: Wir nehmen den Sachverhalt, der mir ganz wichtig ist, nämlich, wie ich selbst mich sehe und wie andere Menschen mich sehen und was diese Eigen- und Fremdbetrachtungen mit einem anstellen. So kamen dann die Songs zusammen, und obwohl das Thema nicht vorgegeben oder geplant war, greifen viele der Lieder tatsächlich diese Fragestellungen auf.

Musikalisch ist "Dein Begleiter" eine Mischung aus dem klassischen Laith Al-Deen und vergleichsweise modernen Popzutaten. "Geschichte schreiben" hat einen tropischen Beat. Wolltest du den alten mit dem neuen Laith verknüpfen?

Das ist so. Wir, also mein Produzent Udo Rinklin und ich, haben etwa den Song "Neugeboren" ziemlich beatmäßig und modern angelegt. Bis kurz vor Schluss kam da am Ende noch so eine richtige Technosequenz, die haben wir nach langer Überlegung abgeschnitten und ausgetauscht. "Geschichte schreiben" ist für mich so eine kleine Hommage an den 2step der Neunziger. Ich denke da an Craig David und solche Leute, mit denen ich auch oft zusammen auf Festivals spielte und die mich lange begleitet haben.

Das bringt uns direkt zum Song "Paket Hoffnung".

Hier haben Ela Steinmetz und ich dieses Gefühl von Hoffnung auf einen bestimmten Punkt zu bringen. Was nicht leicht war, schon gar nicht in einem Song für den Frieden und einem Song gegen die Gewalt. Solch einen Song wie "Wir brauchen keinen Führer" von Udo Lindenberg, den ich mit ihm in Mannheim gemeinsam gesungen habe und der eine unfassbare Energie hat, zu schreiben, ist alles andere als einfach. Das gilt auch für die eher leisen Songs für Gemeinschaft und für Frieden, die oft ein bisschen untergehen, weil sie vielleicht etwas naiv wirken. Aber sie sind mit ganzem Herzen geschrieben und gemeint.

In dem Song geht es darum, dass die Welt brennt, dass du kein "Wir" mehr siehst, sondern nur noch ein "Ich". Glaubst du, das "Paket Hoffnung" ist groß genug, damit das "Wir" am Ende gewinnt?

Das ist die große Frage. Auf die gibt es in dem Lied auch keine Antwort. Ich glaube natürlich nicht, dass ein "Paket Hoffnung" reicht, aber wie immer ist es die Grundidee, die zählt. Da wird nicht vom Weltfrieden geträumt, sondern von kleinen Leuchtfeuern, die unter Umständen irgendwo zu einem Erwachen führen. Da können wir bei uns zuhause anfangen, bevor die nächste rechte Welle reinrauscht. Sonst muss man wirklich bald schwarzsehen.

Andererseits merken die Leute gerade, was sie an der guten alten Demokratie haben und gehen für ihre Freiheit auf die Straße

Voll. Das ist wirklich erstaunlich, dass wir in den 2020er-Jahren wieder in so eine Situation reingerutscht sind. Auch deshalb war es keine Option, das Thema Rechtsextremismus nicht auf der Platte zu haben. Ein Freund von mir, Luigi Toscano aus Mannheim, macht seit drei, vier Jahren Ausstellungen mit großformatigen Bildern von Holocaust-Überlebenden. Er war mit seinen Bildern schon in vielen Ländern Von Frankreich bis in die USA, und immer noch muss er sich damit auseinandersetzen, dass Leute sie beschmieren. Und am Schlimmsten war es bei uns in Deutschland. Das ist einfach nur beschämend, wenn man ein Land mit einer Geschichte ist, die der ganzen Welt noch in Erinnerung ist. Wie man solche Warnzeichen in den Wind schlagen kann, ist mir unerklärlich. Daher sage ich: Je mehr positive Zeichen gesetzt werden, desto besser.

Du bist jetzt 52. Beschäftigt dich das Älterwerden?

Ja, auf jeden Fall. Das ist ein Gedanke, der mich begleitet. Nicht zuletzt, weil ich in meinen Vierzigern in meinem Freundeskreis viel über das Thema gesprochen habe. In meinen Mittvierzigern habe ich außerdem viel über Leute in den Fünfzigern gelesen und dabei festgestellt, wie viele Leute, gerade Männer, in diesem Alter ihr Leben nochmal grundlegend verändern. Ich persönlich kann noch nicht sagen, wie sehr mich ein solcher Wunsch, alles auf den Kopf zu stellen, noch ereilen wird. Ich weiß nur, dass es für mich auf jeden Fall noch andere Dinge als die Musik gibt. Dass aber die Arbeit an und die Produktion der Platte in mir sehr viele alte Öfen wieder neu entfacht hat. Ich konnte mir alles zwischendurch ganz gut ohne Musik vorstellen, aber jetzt eigentlich nicht mehr.

Info: "Dein Begleiter" von Laith Al-Deen erscheint diesen Freitag. Live am Dienstag, 7. Mai, im Capitol in Mannheim. Karten 41,60 Euro.