Buhrufe fürs Regie-Team bei Richard Wagners "Walküre"
Hier wird mit Musik gemalt: Das Premierenpublikum reagierte mit Jubel für Sänger und Orchester, die Einfälle der Regie stießen auf Unverständnis.

Von Nike Luber
Mannheim. Kunstschnee rieselt vom Bühnenhimmel, als Wotan sich von seiner Lieblingstochter Brünnhilde verabschieden muss. Sie bleibt allein auf dem Felsen zurück. Ein symbolhaftes Schlussbild der "Walküre" im Nationaltheater Mannheim, das Richard Wagners ganzen "Ring" innerhalb von nur vier Wochen auf die Bühne bringt. In der "Walküre" wurden die Vorteile, aber auch die Nachteile deutlich, die ein "Ring" auf die Schnelle mit sich bringt.
Musikalisch besticht er durch mitreißenden Schwung. Was das ohnehin kaum vorhandene Bühnenbild nicht zeigt, malen GMD Alexander Soddy und das Nationaltheater-Orchester farbenreich aus. Da erzeugen die Kontrabässe im Vorspiel ein Gefühl des Gehetztseins, lassen die Blechbläser grelle Blitze aufleuchten, im Schlagzeug folgt das Donnergrollen. So stimmt die Atmosphäre für das Auftauchen des verfolgten Siegmund in der häuslichen Ehehölle von Sieglinde.
Auch der wahrhaft furios gespielte Walkürenritt setzt die perfekte musikalische Grundlage für die furios und sicher singenden Walküren. Man hört, dass das Orchester Wagners Musik genießt. Manchmal bekommt Soddy die Lautstärke allerdings nicht so in den Griff, dass die Sänger ohne Druck singen können. Im "Rheingold" hat das noch gut funktioniert. Mit der im Orchestergraben erzeugten kraftvollen musikalischen Dramatik haben Siegmund, Sieglinde und Hunding gelegentlich zu kämpfen.
Dabei sind diese Partien glänzend besetzt. Jonathan Stoughton verfügt über einen angenehm klingenden, tragfähigen Tenor und gibt einen idealtypischen Siegmund. Interessant ist die genau am Text angelehnte Ausarbeitung der bedrückenden Ehe von Sieglinde. Viktorija Kaminskaite zeigt, welche fast übermenschliche Selbstbeherrschung Sieglinde braucht, um Hundings besitzergreifende, latent gewalttätige Berührungen zu ertragen.
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Kaminskaite lässt ihren durchschlagskräftigen Sopran klangschön aufleuchten, als sie ihrer Liebe zu Siegmund endlich nachgeben kann. Patrick Zielke verzerrt an manchen Stellen seine Stimme, passend zu Hundings hässlichem Charakter, der auch in dessen ständigem Hantieren mit einem peitschenartigem Seil zum Ausdruck kommt.
Wotans Familienverhältnisse werden durch die Solisten genau ausgeleuchtet. Renatus Mészár zeichnet einen menschlichen Göttervater, ausgesprochen innig sein Verhältnis zu Brünnhilde. Zwischen ihm und Göttergattin Fricka herrscht Krieg. Den Gag, die erzürnte Fricka auf einem Flügel hereinzurollen, mag man goutieren oder nicht. Wie Jelena Kordic als Fricka gezielt die Schwachstelle in Wotans Plänen aufdeckt, ist psychologisch überzeugend. Fricka geht es nicht um den von Hunding beklagten Ehebruch. Genüsslich schaut sie zu, wie Wotan seinen Sohn Siegmund töten muss, um dann nonchalant über Hundings Leiche zu steigen und ihren Triumph bei einer Zigarette auszukosten.
Klangvoll singt Mészár Wotans Zorn heraus. Die Walküren, die aussehen wie ein antiquierter Olympiakader im Fechten, können sie nicht schützen. Lise Lindstrom gibt mit ihrer flexiblen Stimme eine differenzierte Brünnhilde, die besonders in den leisen Momenten besticht. Durch ihre Begegnung mit Siegmund und Sieglinde entdeckt sie an sich etwas Menschliches: Mitgefühl. Lindstrom und Mészár gelingt es, im Abschiedsduett große Intensität zu entwickeln.
Dank der großartigen Solisten kommt die Feinzeichnung der Charaktere in Yona Kims Regie gut zur Geltung. Die leere Bühne mit Instrumenten als Symbolen erschließt sich nicht immer. Sind im Kreis ausgelegte Blechblasinstrumente ein Ersatz für den Feuerring um den Walkürenfelsen? Und so witzig die Idee ist, über den Köpfen der Walküren leere Sättel baumeln zu lassen, so unsinnig ist es, per Video noch ihre Unterseite einzublenden. Einen inhaltlichen und optischen Mehrwert bieten Video und Livekamera hier nicht. Das Premierenpublikum reagierte mit Jubel für Sänger und Orchester, Buhrufe für das Regieteam.



