Plus Richard Wagners "Rheingold"

Die Rheintöchter tragen im Nationaltheater Glitzerfummel

Großer Kraftakt: Mit Richard Wagners "Rheingold" hat der neue Mannheimer "Ring des Nibelungen" begonnen.

11.07.2022 UPDATE: 11.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Ein Zwerg klaut das im Fluss versenkte Gold: Unsere „Rheingold“-Szene zeigt die drei Rheintöchter mit dem räuberischen Alberich (von links): Maria Polanska als Flosshilde, Joachim Goltz als Alberich, Mirella Hagen als Woglinde (versteckt hinter Alberich) und Rebecca Blanz als Wellgunde. Foto: Christian Kleiner

Von Nike Luber

Mannheim. Die Götter schreiten zur lichtumglänzten, frisch erbauten Götterburg, so sah der Komponist Richard Wagner das Finale des ersten Teils seines "Ring"-Zyklus. Am Nationaltheater Mannheim setzt Regisseurin Yona Kim einen frechen Kontrapunkt zu diesem Bild. Hier sieht man am Ende des "Rheingold" die Schattenrisse der Götter durch eine Mannheimer Unterführung samt Graffiti laufen – als Videoprojektion auf dem Vorhang aus Perlenschnüren.

Ein passendes Bild, zeigt doch die Inszenierung des "Rheingold" deutlich, dass der Götterclan um Wotan schon von Anfang an moralisch abgewirtschaftet hat. Gut zehn Jahre nach dem suggestiven "Ring"-Zyklus, den Regielegende Achim Freyer für das Nationaltheater geschaffen hat, präsentiert das Haus jetzt einen neuen "Ring". Diesmal nicht, wie üblich, über vier Spielzeiten verteilt, sondern in einem Rutsch während dieses Monats. Das ist anspruchsvoll, aber auch spannend.

Optisch kommt das Regieteam im "Rheingold" mit wenigen, symbolischen Elementen aus. Ein Perlenschnurvorhang steht für den Rhein, der Flügel auf der Bühne für die Rolle von Wagners Musik als Erzähler. Das ist praktisch gedacht, denn wegen der anstehenden Sanierung des aus den 1950er Jahren stammenden Nationaltheaters wird der "Ring" in den kommenden Spielzeiten in einer Interimsspielstätte aufgeführt. Davor geht er auf Reisen nach Südkorea. Über Video und Livekamera kommen weitere Symbole ins Spiel wie die Goldbarren, die Alberich an sich rafft, oder die Fahrt an Maschendraht vorbei nach unten, ins Reich der Nibelungen. Wie es dort zu geht, hört man. Alexander Soddy legt in seiner letzten Spielzeit als Mannheimer GMD zusammen mit dem Orchester des Nationaltheaters eine musikalisch ausgesprochen anschauliche Interpretation vor. Die grandios herausgearbeiteten Klangfarben und die pulsierenden Tempi ergeben ein mitreißendes Klangbild.

Die Rheintöchter kommen als fesches Varieté-Trio auf die Bühne, in kurzen silbernen Kleidchen und silbern glitzernden Gesichtern. Selbst die klaren Stimmen von Mirella Hagen, Rebecca Blanz und Maria Polanska scheinen von einem silbernen Glanz umgeben zu sein. Souverän werfen sie sich in Pose. So viel Glanz blendet den Nachtalben Alberich, der in seiner Arbeitsmontur schwerfällig daher stapft. Joachim Goltz überzeugt in dieser Zwergenrolle. Nach der dreimaligen, spöttischen Abfuhr durch jede der Rheintöchter schwört er der Liebe ab und entscheidet sich für die Macht. Grausam und gierig beutet er das eigene Volk und den eigenen Bruder Mime aus. Kein Wunder, dass Mime, von Uwe Eikötter ausdrucksstark gespielt und gesungen, dem scheinbar mitfühlenden Loge alles erzählt.

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Loge und Wotan besuchen die Unterwelt von Nibelheim keineswegs, um zu helfen. Götterchef Wotan ist zahlungsunfähig und plant, Alberich das Rheingold zu entreißen, um damit die Riesen zu bezahlen, die seine schicke Götterburg errichtet haben. Bis dahin haben sie Freia als Pfand, ohne deren goldene Äpfel den Göttern die ewige Jugend verloren geht. Yona Kim und ihr Team präsentieren Wotan und Co. als High Snobiety in weißen Dinnerjacketts und Chanel-Kostümchen. Wichtigstes Accessoire ist die coole Sonnenbrille. Viel Schein, wenig dahinter.

Thomas Jesatko gibt einen herrlich mafiösen Wotan, der ständig die eine Täuschung durch die nächste Täuschung ersetzen muss, um aus dem selbst erzeugten Problem herauszukommen. Göttergattin Fricka wird von Jelena Kordic großartig als arrogante Zicke dargestellt. Und die arme, von den Riesen als Pfand verschleppte Freia? Die bändelt ungeniert mit Fasolt an, dem in sie verliebten Riesen. Astrid Kessler und Sung Ha sind das heimliche Pärchen.

Alexander Soddy hat nicht umsonst bei Kirill Petrenko in Bayreuth assistiert. Er hält den Orchesterklang geschmeidig in einer für die Sänger sehr günstigen Lautstärke. Keiner der Solisten hat das Gefühl, schreien zu müssen. Es wird erfreulich kultiviert gesungen. Jürgen Sacher brilliert als Loge durch präzise Leichtigkeit. Man sieht mit seinen Augen auf den machtvergessenen Alberich wie auf den machtversessenen Wotan. Nicht göttlich, sondern allzu menschlich inszeniert die Regie das Gerangel um den einen Ring. Er Ring bringt das Schlechte in jedem zum Vorschein. Fafner erschlägt den eigenen Bruder Fasolt, um an den Ring zu kommen.

Das Erschrecken der Götter währt nur kurz, sie ziehen in Walhall ein, ohne einen weiteren Blick auf die Leiche zu werfen. Am Samstag geht es weiter. In "Die Walküre" wird geliebt, gestorben und gestritten, man freut sich schon auf eine neue Runde im Ehekrieg zwischen Wotan und Fricka.

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