Mannheim

Zur Weihnachtszeit werden Schaufenster zum Event

Lockrufe durch die Glasfront: Schaufensterkunst fasziniert uns vor allem zur Weihnachtszeit.

10.12.2023 UPDATE: 10.12.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Ein Hingucker: Diesen Advent tragen die Schaufensterpuppen von Engelhorn Mode Kostüme des Mannheimer Nationaltheaters. Foto: Partner

Von Marco Partner

Mannheim. Schaufenster können die neuesten Trends abbilden. Bei Engelhorn Mode im Mannheimer Quadrat auf den Planken aber tun sie immer ein bisschen mehr als das. Kunstvoll geschmückt und dekoriert, grüßt hinter der Glasfront eine bis ins Detail durchdachte Kulisse, welche die Passanten dazu einlädt, in eine andere Welt einzutauchen. Vor allem zur Weihnachtszeit wird das Schaufenster zum Event. Handelt es sich bei der aufwendigen Dekoration um eine dem Untergang geweihte Kunstform?

In den Fünfzigern bildeten sich Menschentrauben vor der Auslage. Archivbild: Engelhorn

"Die Gestaltung von Schaufenstern ist keine aussterbende Kunst. Auch wenn sich die Passanten, die Schnelllebigkeit, die wirtschaftliche Lage und so vieles mehr verändert haben, so ist die große Kunst doch geblieben: Menschen beim Vorbeigehen an Schaufenstern mit Inszenierungen zu begeistern", sagt Jürgen Müller, der seit 2002 die Abteilung Visual Department bei Engelhorn leitet. Inspiration für seine Kunstwerke auf dem Étalage, der Auslagefläche hinter der Scheibe, findet er in Mode, Musik und Kunst, aber auch in der Natur.

Obwohl allgemein der Nachwuchs schwindet, baut das Unternehmen weiter auf ein festes Gestalter-Team. Zum Lehrstoff gehört neben Farb- und Materialkunde der Umgang mit Werkzeugen und Dekorationselementen. Aber auch schwindelfrei sollte man sein, wenn man die Produkte per Leiter ins rechte Licht setzt.

Mit Spannung wird stets die Adventsdekoration erwartet – für viele ein unverzichtbarer Stopp beim Winterbummel durch die Quadrate. Kunst- und humorvoll in Szene gesetzte Muppets oder das liebenswerte grüne Monster Shrek lassen dabei nicht nur Kinderherzen höherschlagen. In diesem Jahr öffnet ein festlich-roter Samtvorhang den Blick auf ein winterliches Ährenfeld, in dem Schaufensterfiguren in Kostümen des Nationaltheaters die Betrachter auf besinnliche Festtage einstimmen sollen.

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Und das hat Tradition: Bereits Gründer Georg Engelhorn legte zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Fokus auf die Außenwerbung. Die für ihre Zeit übergroßen Schaufenster des prunkvollen Geschäftshauses wurden bei Dunkelheit mit Kohlelampen angestrahlt – und zur Attraktion für Stadt und Region.

Die Werbung sollte "außergewöhnlich sein" und auch ein wenig "aus dem Rahmen fallen", heißt es in der Historie. Auch nach dem Wiederaufbau – das frühere Geschäftshaus mit Sandsteinfassade wurde im März 1945 bei einem der letzten Bombenangriffe zerstört – erlangten die Schaufenster bald wieder Bedeutung. Für Leistungs- und Modenschauen standen die Menschen davor Schlange. Dabei offenbarte sich ihnen ein Einblick in die aufstrebende Modeszene der Wirtschaftswunder-Zeit.

Heutzutage kämpfend Innenstadt-Geschäfte gegen die Konkurrenz aus dem Internet. Ladensterben, Leerstand oder gar vom Aussterben der Fußgängerzone ist immer öfter die Rede. Und auch der Aufwand für Schaufenster-Dekorationen geht nicht erst seit Corona sichtlich zurück. Die gelernte Dekorateurin Andrea Wenz aus Achern nimmt diesen Abwärtstrend bereits seit den Neunzigern wahr – als die Aufkleber "Neu" oder "SSV" wichtiger wurden als kunstvoll hergerichteten Schaufensterpuppen.

"Leider hat es sich seitdem zum Nachteil der Gestaltung entwickelt, es wird auch weniger ausgebildet", erklärt sie. Hieß der Beruf früher noch Dekorateur, Schaufenstergestalter oder "Schmücker", wandelte er sich zunächst zum Schauwerbegestalter. Heute lautet der offizielle Ausbildungstitel "Gestalter:in für visuelles Marketing". "Aber mit dem wohlklingenden Wort sind es weniger Azubis geworden. Viele leisten sich heutzutage keine professionellen Dekorateure mehr. Im Stadtbild ist es leerer und trister geworden", betont Wenz.

Die "Schaufenster-Doktorin" hält als Teil eines Wiederbelebung-Programms der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein mit kostenlosen Schaufenster-Checks dagegen. "Der erste Eindruck ist entscheidend. Es geht um die Frage, wie ich die Besucher visuell abhole", macht die 68-Jährige deutlich.

Mindestens eine Stunde nimmt sich die Expertin jeweils Zeit und stellt Ladeninhabern dabei entscheidende Fragen: Was ist die Botschaft? Warum sollen die Kunden überhaupt die Schwelle zum Ladeninneren betreten? Wie können sie von außen "angelockt" werden?

Licht, Stil, wiederkehrende Motive im Außen- und Innenbereich, stimmungsvolle Warenpräsentation: Die Gestaltungsmöglichkeiten sind individuell – und doch sollte immer eine klare Handschrift erkennbar sein. "Manchmal ist es auch besser, keine Deko reinzustellen als irgendwas reinwurschteln", empfiehlt sie einen dezenten Umgang.

Eines bleibt für die Expertin aber unantastbar: "Schaufenster sind Kunst in der Innenstadt und eine klassische Form der Werbung – direkt und trotz Instagram und Co. immer noch aktuell."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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