"Kultur ist kein Luxus und darf auch keiner werden"
Das Kulturbüro will die regionale Szene stärken. Die Schließung der Heidelberger Halle 02 sieht man als ein drastisches Warnsignal.

Archiv-Foto: Kresin
Von Peter Wiest
Eigentlich ist es eine Binsenweisheit. Eine, die man allerdings nicht genug betonen kann in Zeiten, in denen immer mehr Institutionen und Selbstständige im Kulturbereich unter den Folgen der Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie leiden. Die Schließung der Heidelberger Halle 02 wirkte geradezu wie ein Fanal. Auch andere sind existenziell bedroht. "Kultur ist kein Luxus" nennt deswegen das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar die neueste Ausgabe seines Kulturmagazins der Festivals, Museen und Schlösser. Mehr denn je kommt es auf die Zusammenarbeit innerhalb dieses Netzwerks an.
"Kultur ist systemrelevant für eine offene, tolerante und demokratische Gesellschaft", sagte am Montag denn auch der Kulturbüro-Chef Robert Montoto bei der Zusammenkunft von diversen Leitern kultureller Einrichtungen und Festivals, die sich dazu bekannten, "jetzt und in Zukunft mit einer Stimme zu sprechen".
Es sind beeindruckende Zahlen, die den Stellenwert der Kultur belegen – auch und gerade mit Blick auf wirtschaftliche sowie soziale und gesellschaftliche Aspekte. Rund drei Millionen Besucher werden pro Saison in der Region mittlerweile bei den kulturellen Einrichtungen sowie den Festivals registriert.
Mit dem Speyerer Dom, dem Kloster Lorsch und dem Limes gibt es hier gleich drei Weltkulturerbe-Stätten. Hinzu kommen 18 Top-Festivals, 110 Kleinkunst- und andere Bühnen sowie fast zahllose Museen, Burgen und Schlösser. "Und diese Infrastruktur muss erhalten bleiben", so Robert Montoto im Namen aller Kulturschaffenden.
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Dies nicht nur, weil sie ein entscheidender Wirtschaftsfaktor ist: "Jeder in die Kultur investierte Euro ergibt einen Wirtschaftseffekt von vier Euro." Außerdem definieren sich die Menschen einer Region oft über deren kulturelle Einrichtungen. Kulturelle Angebote sind so in mehrfacher Hinsicht ein mit entscheidender Standortfaktor. Fazit: "Kunst und Kultur hält am Leben – und die Gesellschaft braucht sie."
Dass die Netzwerke der Festivals sowie der Museen und Schlösser ihrerseits alles dazu beitragen werden, damit dies so bleibt, unterstrichen deren Vertreter unisono. Erste Schritte seien dazu in der momentanen Situation bereits mit der zumindest teilweisen Wiedereröffnung einzelner Einrichtungen getan, so Alexander Schubert, der Direktor des Historischen Museum der Pfalz in Speyer, wo Anfang September wie geplant die Ausstellung "Macht des Wissens" wiedereröffnet werden soll.
Auch wenn es in diesem Jahr nicht überall große Formate geben könne, solle man doch nach vorne schauen, ergänzte Professor Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen: "Wir sollten deshalb zusehen, dass wir gemeinsame Projekte entwickeln mit den Kulturschaffenden der Region, gerade auch in der freien Szene". Auch die seit Langem in Mainz geplante Ausstellung zum "Kaiserjahr", zu dem die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz 2020 ausgerufen hat, werde definitiv kommen, so Generaldirektor Thomas Metz: "Es geht fast überall wieder los – auch wenn derzeit Indoor-Veranstaltungen noch eher zögerlich angenommen werden."
Ob es im Herbst auch zum dann 22. Mal "Enjoy Jazz" geben werde, "können wir derzeit noch nicht hundertprozentig sagen, aber wir sind sehr zuversichtlich", so dessen künstlerischer Leiter Rainer Kern. Sein Team versuche derzeit, auf die sich fast täglich ändernde Situation zu reagieren, indem man "mit B-Plänen" arbeite – in der Hoffnung, dass diese letztendlich nicht nötig seien. Um so bedeutender sei deshalb die regionale Kooperation, erklärte Kern: "Solidarisches Miteinander ist wichtiger denn je – gerade auch mit Blick darauf, dass das Sterben einzelner Einrichtungen und Clubs der Kulturtreibenden bereits begonnen hat." Nur über solche Solidarität könne die kulturelle einmalige Infrastruktur in der Metropolregion Rhein-Neckar erhalten bleiben, die in den zurückliegenden Jahren zudem auch immer mehr Touristen angezogen habe, so Sascha Kaiser, Geschäftsführer der Wormser Nibelungenfestspiele.
Das Kulturbüro der Metropolregion hat deshalb für den kommenden Herbst eine Tagung anberaumt, bei der dauerhafte konkrete Hilfsmaßnahmen für Kulturschaffende und kulturelle Einrichtungen in der Region erörtert und beschlossen werden sollen. "Wir müssen schleunigst überlegen, wie wir die kulturelle Infrastruktur der Region schützen können – und zwar wir alle zusammen", so Robert Montoto. Bis dahin sollen entsprechende Ideen erarbeitet und dann gebündelt vorgestellt werden, wobei "wir auf jeden Fall auch die Politik, die Verwaltung und die regionale Wirtschaft mit einbeziehen wollen und werden", so der Kulturbüro-Leiter.



