Zwischen Avantgarde und Anstalt: Paul-Goesch-Ausstellung in der Sammlung Prinzhorn
Imponierende künstlerische Bandbreite: Die Ausstellung zeigt eine gute Auswahl aus dem Oeuvre Paul Goeschs in Heidelberg

Paul Goesch, Selbstporträt. Foto: Friederike Hentschel
Von Heide Seele
Wieder ein Schicksal, das die Nachgeborenen nicht unberührt lassen sollte. Paul Goesch (1885-1940) wirkte als renommierter expressionistischer Maler und Zeichner und wäre möglicherweise berühmt geworden, hätte er nicht aufgrund einer psychischen Erkrankung viele Jahre in psychiatrischen Anstalten verbringen müssen.
Wie unzählige andere Leidensgenossen wurde er schließlich von den Nazis umgebracht. Aus einer privaten Schenkung erhielt die Heidelberger Sammlung Prinzhorn im letzten Jahr über 350 Arbeiten des ausgebildeten Architekten, der über eine imponierende künstlerische Bandbreite verfügte. Die wird jetzt evident in der Ausstellung "Paul Goesch - zwischen Avantgarde und Anstalt", die mit 120 Werken rund ein Drittel dieser Bilder zeigt. Zu den Motiven zählen Porträts, christliche und mythologische Szenen, Architekturansichten, aber auch erstaunlich modern anmutende Arbeiten, in denen der Maler auf den Gegenstand verzichtete. Schon 1980 war er in der Wanderausstellung "Expressionismus und Wahnsinn" in Heidelberg vertreten.
Hans Prinzhorn hatte Paul Goesch übrigens in seinem epochalen Werk "Bildnerei der Geisteskranken" nicht erwähnt, weil er ihm als zu professionell und avantgardistisch galt. Der Künstler malte zum Beispiel flächig-farbkräftige Bilder, die sein kompositorisches Können wie auch seine reiche Vorstellungskraft bezeugen.
Aus all diesen Sparten zeigt die Ausstellung der Sammlung Prinzhorn aussagestarke Beispiele. Goesch, von Thomas Röske als Vertreter des Expressionismus der zweiten Generation bezeichnet, war in München, Dresden, Berlin und Karlsruhe ausgebildet worden und hatte sein Studium 1914 mit dem Diplom als Regierungsbaumeister abgeschlossen.
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In dieser Eigenschaft war er bis 1917 beruflich tätig. Im selben Jahr, in dem er seine ersten datierbaren Bilder malte, erlitt er einen Zusammenbruch, der auf seine Krankheit vorausdeutete. 1919 stellte er, inzwischen nach Berlin gezogen, als Vertreter der Avantgarde gemeinsam mit der "Novembergruppe" und dem "Arbeitsrat für Kunst" aus. Mittlerweile hatte er über 1000 Werke geschaffen. Ab 1921 war er erneut Patient in mehreren Anstalten, konnte allerdings weiter Illustrationen zeichnen und an Ausstellungen teilnehmen.
Goeschs Lebenslauf steht paradigmatisch für das brutale NS-Regime und seine Hetze gegen die "Entartete Kunst". Am 22. August 1940 wurde er in das Alte Zuchthaus in Brandenburg gebracht und von regimetreuen Ärzten getötet. Dem Vergessenwerden des Künstlers rückt die aktuelle Ausstellung bei Prinzhorn zuleibe, indem sie eine gute und repräsentative Auswahl aus seinem Oeuvre zeigt. (Insgesamt 2000 Werke sind von Goesch erhalten. Thomas Röske betonte aber, dass kein Überblick über den Gesamtbestand erhalten ist.)
Architektur und Mensch stehen im Zentrum der Schau, die in mehrere Kapitel unterteilt ist. Sie erinnert auch an Goeschs Credo "Der Mensch muss mit sich im Reinen sein", das er im Kontext mit Rudolf Steiners Anthroposophie sah.
Die Bilder wirken schon aufgrund ihrer starken Farbigkeit und der anziehenden Motive spektakulär. Von herausfordernder Plakativität ist das "Portal" am Beginn, auch Goeschs Selbstporträt. Überhaupt hat der Künstler gerne Menschen gemalt, zum Beispiel beim witzig wirkenden "Umzug", aber es sind auch dezent gezeichnete religiöse Motive vertreten, wie etwa feine Federzeichnungen mit sakralen Bauten, alles mit großer Geduld aufs Papier gebracht.
Das trifft auch auf die ornamentalen Darstellungen zu, unter denen ein schwarz-weiß-roter "Dämonenkopf mit Schachbrettzähnen" deutlich politisch konnotiert ist.
Info: Paul Goesch in der Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Voßstraße 2, bis zum 18. September. Der von Thomas Röske edierte Katalog aus dem Wunderhorn-Verlag kostet 29.80 Euro.



