Uli Fischer trifft im Heidelberger Kunstverein auf Werke aus der Sammlung Prinzhorn

Gegen eingefahrene Sehgewohnheiten und auf der Suche nach dem richtigen Stoff - Zusammenarbeit mit dem Stückemarkt

25.04.2016 UPDATE: 26.04.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden

In nachdenklicher Pose: Uli Fischer zeigt seine Großformate im Heidelberger Kunstverein. Foto: F. Hentschel

Von Heide Seele

Die haptische Komponente dieser besonderen Schau ist nicht zu übersehen und ließe sich leicht erfühlen, denn die Stofflichkeit ist das A und O für Uli Fischer. Das belegen die rund 40 Großformate, die vielsagend die Halle des Heidelberger Kunstvereins strukturieren, und das demonstriert auch die Installation mit 30 "Fahnen" aus 13 Nationen, die, voraus weisend auf den Heidelberger Stückemarkt (29. April bis 8. Mai), im Foyer des Theaters "Geschichten, die nie erzählt wurden" verspricht.

Hier wie dort bringt der Künstler, der auf seinen Reisen viele Stoffe in unterschiedlichen Ländern aufspürte, die Welt näher zusammen, indem er der Historie der mehr oder weniger beschädigten Materialien nachgeht. Er wählte aus, was zueinander passt. Ein Prozedere, das der Betrachter versuchen sollte nachvollziehen. Die Behänge, die mit ihren Rissen und anderen Verletzungen an die Arte Povera anzuknüpfen scheinen, lassen aber auch an Grabtücher denken. Die oft 150 Jahre alten Stoffe kombiniert der Künstler mit neuen Textilien und relativiert damit den ihm wichtigen Faktor "Zeit". Im Heidelberger Kunstverein präsentiert er seine erste Einzelausstellung und bündelt unter dem Motto "Was ich immer schon sagen wollte" Arbeiten der letzten fünf Jahre.

Eigentlich kommt der Vielgereiste von der Farbfeldmalerei her und hat schon unzählige quadratförmige Objekte geschaffen. Bei seinen textilen Stücken näht er die von ihm ausgewählten Stoffteile collageähnlich mit der Hand direkt auf die Leinwand. Wieviele Arbeitsgänge nötig sind, um ihn zufriedenzustellen, lässt sich erahnen. Die Schau in der großen Halle des Kunstvereins wirkt zunächst - auch aufgrund ihrer unauffälligen Farbigkeit - kaum spektakulär. Es lohnt sich aber, hinter den bloßen Augenschein zu blicken, eingefahrene Sehgewohnheiten zu hinterfragen und sich auch über die Geschichte der Objekte zu informieren, denn ihre "Patina" lässt vieles erahnen.

So hat Fischer seine alten Stoffe, die hier kaum einer kennt, unter anderem in Indonesien gefunden, oder er erwirbt japanische Furoshiki, Sakabukuru und Textiles der Miao - das ist ein chinesisches Bergvolk - übers Internet. Es geht ihm um die Materialität an sich, um ihre bildnerische Aussagekraft, auch um das Taktile wie das Innovative. Außerdem fertigt er Collagen, die aber unter dem Stoff liegen, denn er will alles Narrative vermeiden.

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Wie Uli Fischers Ausstellung wurde auch die parallel gezeigte Begleitpräsentation von sechs Künstlern der Sammlung Prinzhorn ("Gegen Faulheit. Neues und Ungesehenes aus der Sammlung Prinzhorn") von Kunstvereinsdirektorin Susanne Weiss kuratiert. Die Objekte werden teilweise zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Im Lichthof des Kunstvereins, von oben gut einsehbar, ruht der von Alfred Stief aus Paketschnur gehäkelte überlange "Handschuh" wie ein kostbarer Solitär in einem "white cube". Diese Arbeit des begabten "Handarbeiters", der als Kind bei einer Tante das Häkeln lernte, gehört zu den vielen Schenkungen, die die weltberühmte Kollektion bisher erhielt. Alexandra Galinova, die der Sammlung Prinzhorn 42 Bilder übergab, ordnet sich als "Grenzgängerin des Lebens" ein und zeigt Bilder (wie z. B. den grellen "Dämon"), die sich durch eine kunterbunte Farbigkeit auszeichnen. Dietrich Orths Beiträge, häufig mit Pastellfarben auf Leinwand gebracht, strahlen eine Ironie aus, die sich auch in den die Malereien umrahmenden Texten artikuliert.

Bernd Meckes ist mit zwei großen Selbstporträts zu sehen, die er mit Ölfarbe in pastoser Manier malte, während Ursula Schreiber, die sehr helle Bilder schuf, auch kleinteilig-exakte Handarbeiten mit zarten Gespinsten fertigte. Von Gudrun Bierski sieht man vier abstrakte Arbeiten, dazu ein Selbstporträt und eine Ateliersituation in delikater Farbigkeit.

Info: Beide Ausstellungen im Heidelberger Kunstverein Hauptstraße 97 laufen bis zum 11. Juni.

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