Die Heidelberger Sammlung Prinzhorn zeigt "Dubuffets Liste"
Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung der Prinzhorn-Sammlung, die am heutigen Mittwochabend eröffnet wird, steht ein brauner Archivschrank

Nur "médiocre" (mittelmäßig) urteilte Jean Dubuffet über dieses Bild, das Franz Karl Bühler zwischen 1909 und 1916 gemalt hat. Foto: Sammlung Prinzhorn
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung der Prinzhorn-Sammlung, die am heutigen Mittwochabend eröffnet wird, steht ein brauner Archivschrank. Rechts und links hat er zwölf große Schubladen, in denen die Werke lagen, die der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn 1922 in sein Buch "Bildnerei der Geisteskranken" aufgenommen hatte. 1950 kam der Maler Jean Dubuffet - der 1945 den Begriff "Art brut" für eine ungeschliffene, nicht akademische Kunst geprägt hatte - als einziger dokumentierter Besucher nach Heidelberg, um sich die Prinzhorn-Sammlung anzuschauen. Dabei zog er eine Schublade nach der anderen auf, betrachtetet die Bilder und gab eigene Einschätzungen ab, die er als Kommentar notierte. So entstand "Dubuffets Liste", die der Ausstellung den Namen gab.
Obwohl sich Dubufett mit dem Besuch den lange gehegten Wunsch erfüllte, die Prinzhorn-Bilder mit eigenen Augen zu sehen, ist seine Bewertung einzelner Maler oft eher kritisch. Das berühmte Fabeltier von Franz Karl Bühler beispielsweise, ein Star der Sammlung und ein persönliches Lieblingsstück von Prinzhorn, findet Dubuffet nur "mittelmäßig". Und August Natterers "Weltachse mit Hase" ist für ihn "keine große Sache". Der Grund mag sein, dass Natterer deutlich von der Bildwelt der Surrealisten beeinflusst war, Dubuffet diese sichtbare Nähe aber nicht schätzte, wie der Leiter der Prinzhorn-Sammlung, Dr. Thomas Röske, erläuterte.
Ein anonymer Zeichner hingegen, von Prinzhorn geführt als "Fall 419", der auf Tabakeinwickelpapier einen wimmelnden Figurenkosmos entstehen ließ, erhält von Dubuffet höchstes Lob. "Extrem interessant", so das Urteil des Malers, für den "normale" Kunstwerke nur ein angepasstes "Chamäleon" waren, also lediglich die Farbe des Umfelds widerspiegeln, aber nicht selbst Farbe bekennen.
Kuratorin Ingrid von Beyme hat die Bilder in der Reihenfolge angeordnet, in der Dubuffet sie angeschaut hat. Gezeigt werden auch Bilder von Künstlern, die bisher in der Prinzhorn-Sammlung noch nicht zu sehen waren. Deshalb eröffnet "Dubuffets Liste" selbst einem mit der Sammlung gut vertrauten Betrachter den Blick für Neues, Unbekanntes.
Wie die Werke beim heutigen Museumsbesucher ankommen, zeigt ein Videoprojekt von Janet Grau, das in einem Kabinett des Museums gezeigt wird. Die in Heidelberg lebende amerikanische Künstlerin Janet Grau hat 23 Bekannte eingeladen, ihre persönlichen Eindrücke von jeweils einem der gezeigten Bilder mitzuteilen. Da in dem Video die Beschreibung dokumentiert ist, nicht aber das Werk selbst, muss sich der Besucher aufgrund des Gehörten ein eigenes Bild machen. Auch das ist "extrem interessant", so der Titel.
Info: Die Ausstellung "Dubuffets Liste" wird heute um 19 Uhr in der Sammlung Prinzhorn, Voßstraße 2, eröffnet und bis 10. April gezeigt.



