So "überlebt" das Klangforum in der Corona-Krise
Geschäftsführer Dominique Mayr im Gespräch - Schola Heidelberg produzierte jetzt CD mit Weihnachts-Chorälen

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Die mit Spannung erwarteten Auftritte des Klangforums Heidelberg, etwa das Gastspiel bei den Bregenzer Festspielen und das große Projekt "What Where", können in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Doch die Musiker der "Schola Heidelberg" und des "ensemble aisthesis" resignieren nicht, sondern schauen nach vorne. So haben fünf Sängerinnen und Sänger in den letzten sechs Wochen weihnachtliche Choräle geprobt und unter der Leitung von Walter Nußbaum in der katholischen Kirche auf dem Dilsberg eine CD aufgenommen.
Auch das Internet-Projekt "Aus der offenen Anstalt" ist mit jetzt 20 Ausgaben fast vollendet – musikalische Beiträge über Kunstwerke von Patienten aus psychiatrischen Kliniken, die in der Sammlung Prinzhorn archiviert wurden, werden hier wieder aufgegriffen und neu visualisiert. Über die neue CD und die Musiker und Sänger in der Krise spricht Dominique Mayr, der Geschäftsführer des Klangforums, im RNZ-Interview.
Herr Mayr, die Corona-Krise hat dem Klangforum jetzt Zeit gegeben für ein Herzensprojekt, die Weihnachts-CD mit der "Schola Heidelberg". Was haben Sie aufgenommen?
Wir haben immer CDs mit zeitgenössischen Uraufführungen produziert, was ja der Schwerpunkt unserer Arbeit ist. Aber jetzt war die Chance, das Konzertprogramm von Weihnachten mit Alter Musik aufzunehmen. Dafür hatten uns bisher immer die Zeit oder die Sänger gefehlt, die nicht gemeinsam verfügbar waren. Oder wir hatten ganz andere Projekte. Jetzt singen fünf Solisten aus der Region weihnachtliche Choräle, Franz Vitzthum, Terry Wey, Sebastian Hübner, Matthias Horn und Dorothea Jakob. Mehr Sänger waren ja nicht erlaubt.
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Ärgert Sie das? Hätten Sie die CD lieber später aufgenommen?
Nein, es ist ein tolles Format geworden. Wir haben gezielt Stücke ausgesucht für zwei bis fünf Stimmen, die zahlreich in der Alten Musik existieren. Das konnten wir mit der Besetzung wunderbar erfüllen. Dazu gibt es philosophische Texte über "Musik in der Krise", die Professor Enno Rudolph aktuell schreibt.
Wann erscheint die CD? Und gibt es auch wieder Konzerte? Ein Weihnachtskonzert 2020 etwa?
Die CD wird es zum Jahresende hin geben. Ich hoffe sehr, dass wir auch sehr bald wieder kleine Konzerte geben können. Das Hygienekonzept ist ja derzeit so, dass wir es als Veranstalter nicht umsetzen können: Abstandsregelung im Publikum, Zuwege, Abgänge, Toiletten-Situation ... Mit Sängern ist es besonders schwierig, aktuell sind sechs Meter Abstand zwischen ihnen geboten.
Wie geht es Ihren Sängern und Musikern? Befinden sie sich in Kurzarbeit?
Es sind vielleicht fünf Prozent, die eine Festanstellung haben, alle anderen sind freischaffende Musiker ohne Anspruch auf Kurzarbeit. Die sind schmerzlich betroffen. Die Grundsicherung des Landes Baden-Württemberg für Solo-Selbstständige mit 1180 Euro pro Monat wird ja nur über drei Monate hinweg gezahlt. Jetzt hoffe ich, dass das Land schnell eine Lösung findet, wie es weitergehen kann. Der Erlös der CD wird zum Großteil an den Musikerhilfsfonds gehen, den wir zu Beginn der Krise zusammen mit unserem Förderverein gegründet haben. Wir wollen als Klangforum nichts an der CD verdienen.
Wie überlebt denn das Klangforum?
Ich hoffe, dass wir alle mit einem blauen Auge davon kommen. Je länger der Shutdown für Kultur dauert, umso schlechter für uns. Und jetzt haben wir wie alle Kulturschaffenden von der Stadt Heidelberg die Kündigung unseres institutionellen Zuschusses bekommen.
Das war doch sicher nur pro forma?
Es ist zunächst eine formale Kündigung. Wenn das Wirklichkeit wird, stehen wir am 1. Januar alle ohne Förderungen da. Jetzt fangen die Verhandlungen an. Es soll neue Schwerpunkte geben. Das klingt nicht so, als ob alles so bleiben würde, wie es war.
Info: Die Weihnachts-CD wird am Dienstag in SWR 2, Treffpunkt Klassik, 10 bis 12 Uhr, vorgestellt.



