Das müssen Sie alles zum Start des Theaters im September wissen
Die Pläne von Schauspiel, Opern, Philharmonie, Junges Theater, Tanztheater

Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Nicht jammern, sondern machen. Genau an diese Devise halten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters und Orchesters Heidelberg quer durch alle Sparten und Abteilungen. "Wir sind wieder da", verkündet das das Team, ab September wird wieder live vor Publikum gespielt, getanzt und musiziert. Der Vorverkauf startet am 4. Juli für alle Termine im September und Oktober.
Die Kunst in Zeiten von Corona erfordere aber besondere Maßnahmen, erklärten Heidelbergs Kulturbürgermeister Joachim Gerner und der Intendant Holger Schultze gestern bei der Vorstellung der Spielzeit 2020/21 im Heidelberger Rathaus. Da man sich angesichts der Pandemie ständig auf neue Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen einstellen müsse, fahre man auf Sicht. Deshalb wurden die Programmschwerpunkte zunächst nur für die ersten beiden Monate nach der Sommerpause vorgestellt, ergänzt um ein paar weitere Perspektiven bis zum "Winter in Schwetzingen" und dem Weihnachtsstück des Jungen Theaters.
Hintergrund
Mit Mund- und Nasenschutz
Nach derzeit geltenden Hygienevorschriften könnte ein Theaterbesuch im Herbst folgendermaßen ablaufen: Die Kontaktdaten jedes Besuchers werden erhoben. Vor dem Betreten des Theaters muss man einen Mund-Nasen-Schutz
Mit Mund- und Nasenschutz
Nach derzeit geltenden Hygienevorschriften könnte ein Theaterbesuch im Herbst folgendermaßen ablaufen: Die Kontaktdaten jedes Besuchers werden erhoben. Vor dem Betreten des Theaters muss man einen Mund-Nasen-Schutz aufsetzen. Ein Wegleitsystem dient der Einhaltung der Abstandsregelungen. Zusätzlich regelt ein "Boarding"-System den Einlass in die Zuschauerräume. Die Vorstellungen finden pausenlos statt und bewegen sich in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen. Das Theater wird mehrere Garderoben, aber keine Gastronomie anbieten können. Nicht besucht werden dürfen Vorstellungen bei auftretenden Symptomen, erhöhter Temperatur oder vorherigem Kontakt zu mit SARS-Covid-19 infizierten Personen. (Planungsstand Juni 2020)
Werkstattgespräch
Noch vor der Sommerpause findet am 15. Juli, 16.30 Uhr, im Marguerre-Sall ein Werkstattgespräch zur Opernproduktion "Der Bajazzo" statt, in dem auch etwas über die derzeitige Arbeitssituation am Theater zu erfahren ist. Auch weitere Veranstaltungen sind im nächsten Monat geplant, darunter zum Beispiel die Kinderbaustelle Emmertsgrund am 22. und 23. 7 oder ein Theaterspaziergang am 28. und 29. 7. durch die Altstadt.
Stipendiaten musizieren
Das Philharmonische Orchester Heidelberg plant das jährliche Konzert mit den Stipendiaten der Jürgen-Ponto-Stiftung im Schwetzinger Rokokotheater für den 25. September. Unter der Leitung von Dietger Holm spielen Morgane Voisin (VIoline) Charlotte Stickel (Viola) und Philipp Schupelius (Cello) Werke der Mannheimer Schule.
Familien- und Kammerkonzert
Judith Raspe und Jeremy Heiß konzipieren das Familienkonzert am 18. Oktober, das sich Beethoven widmen soll. Gedacht ist es für Hörer ab vier Jahren. Prokofjew und Schostakowitsch stehen auf dem Programm des Kammerkonzerts mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters am 8. November im Alten Saal des Theaters.
Weitere Pläne
Um flexibel auf die sich ändernde Corona-Situation reagieren zu können, wird das Theater die weiteren Premieren der Saison bei zwei weiteren Terminen vorstellen. Das Programm für die Monate Dezember bis Februar wird voraussichtlich Ende Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt.
Derzeit befindet sich noch fast das gesamte Team in Kurzarbeit, trotzdem werde schon wieder geprobt. "Aber wir müssen immer zu Kompromissen und zur Improvisation bereit sein", sagt Holger Schultze. Die Regularien zum Schutz des Publikums und der Mitarbeiter änderten sich ständig: "Was gestern galt, gilt heute nicht mehr." Deshalb können im Hinblick auf die Abstandsregeln nur vorläufige Zahlen genannt werden: Im Marguerre-Saal des Theaters, der normalerweise rund 500 Besucher fasst, dürfen nur 154 Plätze besetzt werden; im Alten Saal sind nur 124 Besucher zugelassen; und zu den philharmonischen Konzerten können nur 222 Besucher kommen. Man hofft aber, dass bald mehr zugelassen werden.
"Sie können sich vorstellen, was das finanziell bedeutet", sagt der Intendant. Seit Mitte März darf nicht mehr gespielt werden, und die stark reduzierten Besucherzahlen ab September würden zwangsläufig zu weiteren herben Einnahmeeinbußen führen. "Aber wir erleben eine sehr große Unterstützungswelle", betont Schultze. Die Stadt Heidelberg und das Publikum signalisieren ganz klar, wie essentiell für sie das kulturelle Angebot ist: "Macht weiter, wir brauchen dieses Theater", das höre er von allen Seiten, sagt Schultze.
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Ein Großteil der Besucherabos muss verschoben werden, darüber wurden die rund 6000 Abonnenten informiert – verbunden mit der Bitte, trotzdem schon jetzt zu zahlen. "Und die Resonanz darauf war ebenfalls überwältigend."
Alles auf Anfang also. Dass Becketts "Endspiel" auf den Spielplan kommt, ist beileibe kein schlechtes Omen für die nächste Spielzeit, denn dieser Klassiker des absurden Theaters berührt hoch aktuelle Fragen vom Klimawandel über den Pflegenotstand bis zur Verantwortung des Einzelnen.
Das Schauspiel im kommenden Theater
Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Das trifft auch für die Schauspielsparte im Herbst zu. In der weiter drohenden Corona-Gefahr mischen sich existenzielle Herausforderungen mit absurdem Witz. Insgesamt tritt derzeit das weinende Gesicht wohl stärker hervor als das lachende. Denn es herrscht eine elementare Verunsicherung vor. Gleichwohl tut das Schauspiel so, als gäbe es ein Morgen – und greift auf bewährte Bühnenklassiker zurück.
So wird die Saison am 19. September mit einer erfolgreichen Komödie von Oscar Wilde im Marguerre-Saal eröffnet. Das von Christian Brey inszenierte Werk trägt den vielsagenden Titel "Ernst ist das Leben (Bunbury)". Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hat die Übersetzung besorgt und Witz wie Wortspiele stark zugespitzt. Der Zuschauer wird nach London entführt – einerseits schonungslos heutig und voll böser Pointen, andererseits aber auch sehr komisch.
Weniger spritzig, aber dafür melancholischer dürfte der von Intendant Holger Schultze inszenierte Romantik-Abend am 25. September im Alten Saal daherkommen. Auch die Romantiker waren in einem Absurdistan unterwegs, sehnten sich nach der verlorenen Heimat. Unter dem Titel "Der Mond braust durch das Neckartal" werden Lieder und Texte aus dem romantischen Exil von Schumann, Schubert, Heine, Eichendorff und anderen geboten. Und in der Romantikstadt Heidelberg ist auch die Romantik irgendwie schon klassisch.
Dann naht am 10. Oktober im Alten Saal Sophokles‘ Antikendrama "Ödipus", inszeniert von Alexander Charim. Für Chefdramaturg Jürgen Po-pig das "Stück der Stunde". Denn in der fast 2500 Jahre alten Tragödie wütet in Theben die Pest. Und das dringlichste Anliegen der Bevölkerung ist es, den tödlichen Ausnahmezustand zu beenden und die Stadt von dem Übel zu befreien. Das klingt auch heute vertraut in den Ohren.
Und Samuel Becketts berühmtes "Endspiel" – ein "Schlüsselwerk des absurden Theaters – folgt in der Inszenierung von Holger Schultze am 19. November im Alten Saal. Ein aktuelles Bühnenwerk, in dem alte Menschen in Mülltonnen stecken. Und das verweist etwa auf Altendiskriminierung, die auch in der Corona-Krise bisweilen drohte.
Schließlich ist für Dezember "Michael Kohlhaas" nach der Novelle von Heinrich von Kleist in der Planung. Darin kommt es zu einer Spirale der Gewalt.
Je zwei Opernproduktionen und Philharmonische Konzerte
Man muss abwarten. Das heißt nicht, so zu tun, als gäbe es kein Morgen. Künstler brauchen Ziele, Theater einen Plan. Aber weit vorausschauen kann man heute nicht, denn keiner weiß, wie die Situation etwa im nächsten Jahr sein wird. Operndirektor Thomas Böckstiegel ist zuversichtlich: "Wir planen das beliebte Barockfestival ’Winter in Schwetzingen’ wie immer – und werden im November sehen, ob es stattfinden kann."
Anders kann man derzeit auch nicht verfahren: Selbst für September sind keine sicheren Prognosen möglich, die Oper oder die Konzerte des Philharmonischen Orchesters betreffend. Die Situation ist hier eine besonders sensible, und so kann etwa niemand sagen, ob das Singen im Chor derzeit gesundheitlich vertretbar ist oder nicht.
"Not macht aber auch erfinderisch", meint Böckstiegel, und so konzipiere man zwei Produktionen der Oper, die jeweils ohne Pause stattfinden sollen. Die erste dreht sich Shakespeares "Sommernachtstraum" in Vertonungen von Henry Purcell, Benjamin Britten und John Casken. Die Leitung wird Elias Grandy haben, Regie führt Andrea Schwalbach. Das Aufführungskonzept erarbeitet neben diesen beiden auch die zweite Operndirektorin Ulrike Schumann. Die Premiere ist für den 3. Oktober angesetzt. Als zweites Stück steht Leoncavallos Opernklassiker "Der Bajazzo" in einer Kammermusikfassung auf dem Plan, den ebenfalls Andrea Schwalbach inszeniert. Dietger Holm leitet hier die Aufführung.
Zwei Philharmonische Konzert in der Neuen Aula sind ebenfalls angedacht. Der "Grundzustand des Nichtwissens" mache eine genaue Planung schwierig, so Generalmusikdirektor Elias Grandy, aber "unser Auftrag ist es , soweit möglich, Kunst und Musik zum Publikum zu bringen". Man werde also Lösungen für auftretende Probleme suchen und finden, denn in der Neuen Aula sind nur 222 Publikumsplätze möglich. Die Konzerte werden jeweils wiederholt.
Den Anfang macht der Solist William Youn mit einem Klavierkonzert von Mozart, gefolgt von einem Werk der Künstlerinnen-Preisträgerin 2021, Karola Obermüller. Eine Beethoven-Sinfonie beschließt das Konzert am 7./8. Oktober, dem ein zweites am 11./12. November folgen soll. Auch ein Lunchkonzert, ein Kammerkonzert sowie ein Familienkonzert sind im Angebot. Der Bachchor probt ein mehrchöriges Überraschungsprogramm für den 24. Oktober. (mr)
Das junge Theater setzt auf Mobilität
Erst die eine gute Nachricht: Obwohl der Zwinger3 geschlossen bleibt und außerschulische Veranstaltungen derzeit verboten sind, müssen Kinder und Jugendliche in der neuen Spielzeit nicht auf Theater verzichten. "Wir gehen in die Klassenzimmer und hoffen, dass das erlaubt ist", blickt die Leiterin des Jungen Theaters, Natascha Kalmbach, in eine ungewisse Zukunft. Und nun die zweite:
> "Namaste My Class – Wir waren immer da" dürfte so recht nach dem Geschmack von Teenagern ab 12 Jahren sein. Johanna Dähler und Daniela Ruocco begeben sich als Fi*ting Sisters gemeinsam mit den Schülern auf eine interaktive Recherchereise zurück in ihre Jugend, in die 90er Jahre. Die Wiege des deutschsprachigen Hip-Hops stand bekanntlich in Heidelberg. Dass die Szene damals wie heute von Vorurteilen, Frauenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung geprägt ist, wollen die beiden so nicht stehen lassen. Mit jeder Menge Beats und Rhymes machen sie sich gemeinsam mit ihren Zuschauern auf die Suche nach deren Träumen und Sehnsüchten. Premiere ist am 17. September, die Lecture-Performance ist buchbar für mobile Aufführungen im Klassenzimmer.
Ebenfalls an Schulen unterwegs ist das Team um Regisseurin Yvonne Kespohl mit dem Stück
> "Satelliten am Nachthimmel". Simon Labhart und Nadja Rui spielen die Geschichte von Joni und ihrem kleinen Bruder, die sich zu einer Reise ins Universum aufmachen. Dabei durchstreifen sie einen fremdartigen und ziemlich eigenwilligen Kosmos, in dem alle Joni verstehen. Das ist ganz anders als zuhause, wo das Mädchen meist nur fragende Blicke von Mama und Papa erntet. "Es ist ein sehr poetisches Stück", verspricht Natascha Kalmbach. Premiere ist am 24. September.
> "Orpheus. Ohne Angst" bringt jungen Menschen Musik von Christoph Willibald Gluck und Claudio Monteverdi nahe. Immer wieder neu erzählt und vertont hat Michael Emanuel Bauer moderne Arrangements geschaffen, die Regisseurin Natascha Kalmbach zu ihrer Uraufführung nutzt. Die findet am 30. Oktober im Alten Saal statt.
Astrid Lindgrens Geschichte
> "Mio, mein Mio" kommt mit drei Darstellerinnen aus und setzt auf viel Livemusik. Markolf Naujoks bringt die Erzählung vom mutigen Kampf gegen dunkle Mächte ab 8. November in den (dann hoffentlich wieder geöffneten) Zwinger3. Und da gerade in Corona-Zeiten das Weihnachtsmärchen auf keinen Fall fehlen darf, gibt es
> "Ox und Esel" für Menschen ab fünf Jahren. Gespielt wird ab 26. November ebenfalls im Zwinger3. In gemütlicher Eintracht trotzen Ox und Esel im Stall den unwirtlichen Bedingungen, bis der Ox Hunger hat und in der Krippe ein Häufchen Mensch entdeckt. Dieser "Matthias" sorgt ordentlich für Verwirrung. (sal)
Tanztheater beendet Trilogie
Tanztheater auf Abstand auf die Bühne des Marguerre-Saals zu bringen, hat den Künstlerischen Leiter des Dance Theatre Heidelberg (DTH), Iván Pérez, vor ganz besondere Herausforderungen gestellt. So reagiert "Oscillation", der letzte Teil seiner Trilogie zur Millennial-Generation, auf unsere aktuelle Lebenssituation. Pérez und seine Tänzer begeben sich dazu in einen Dialog mit der Wissenschaft. Inspiriert haben sie die Oszillationsprozesse der Zellen, also deren Schwingungen und Veränderungen. Forscher des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) haben mit den Tänzern und den Musikern deshalb gemeinsame Sache gemacht. Die Zuschauer dürfen auf die Premiere am 7. November gespannt sein; geprobt wird schon, ganz Corona gerecht. Digitale Probeneindrücke gibt es schon vor der Premiere, online am 10. Oktober, von 12 bis 13.30 Uhr. (sal)



