Solisten übernahmen auch die Chorpartien
50 Jahre Cappella Palatina mit der Johannes-Passion im Livestream aus der Jesuitenkirche Heidelberg

Von Simon Scherer
Heidelberg. Ähnlich wie der Heidelberger Frühling, der seine 25. Festivalausgabe nur mit einem Livestream beginnen konnte, trug auch die Cappella Palatina ihr Konzert zum 50-jährigen Bestehen lediglich digital ans Publikum heran. Auf dem Programm stand Bachs Johannes-Passion.
Da es im Gegensatz zu bisherigen Onlineformaten anderer Konzerte bei solch einer Aufführung ohnehin schon eng im Altarraum wird, wenn sich Chor, Orchester und Solisten versammeln, verzichtete Bezirkskantor Markus Uhl sogar komplett auf seine Cappella Palatina und überließ den Solisten die Chorpartien. Durchaus ungewohnt, wenn die Choräle aus denselben Mündern strömen wie Arien und Rezitative. Lediglich Tenor Sebastian Hübner durfte als Solist neben Dirigent Uhl Platz nehmen.
Und trotzdem war ein deutlicher Unterschied zwischen Chor- und Solistenpartien zu hören, was nicht zuletzt der bravourösen Flexibilität der Sänger zu verdanken war, die an entsprechenden Stellen definitiv mehr nach Chor als nach Solisten-Quartett klangen. Bei jeglichem Verzicht auf solistische Attitüden und Deklamationsstile schmiegten sie ihre Stimmfarben komplett an die Homogenität des Plenums an. Dank ausdrucksstarker Stimmen und mit Unterstützung der Akustik der Jesuitenkirche wurde auch das nötige Volumen aufgefahren.
Gleichzeitig gelang dynamisch eine genaustens austarierte Balance mit dem Orchester. Das Barockorchester L’arpa festante musizierte hierbei stets auf Augenhöhe mit dem Chor und reagierte aufmerksam auf jedes Detail, wo es sich stilsicher in historisch informierter Aufführungspraxis präsentierte. Statt zwei Klangkörper ergaben Chor und Orchester hierbei ein großes Ganzes.
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Neben hervorragender Textverständlichkeit waren außerdem die mitschwingenden Emotionen deutlich erfahrbar. Mit großer Sensibilität führte Uhl all diese musikalischen Fäden zusammen, wobei er gern kleinschrittig vorging. Mittendrin in der Musik und deren Inhalten, war er dennoch klarer Impulsgeber, der stets die Oberhand über das Geschehen behielt. Sebastian Hübner erzählte als Evangelist äußerst verheißungsvoll mit einer Spur Neugierde, dem gegenüber Bariton Jens Hamann sehr kraftvoll und majestätisch agierte. Franz Vitzthum gestaltete die Altpartie überaus geschmeidig und ließ in den "Stricken meiner Sünden" starke Verletzlichkeit spüren. Zu einer geradezu entrückenden Angelegenheit wurde das "Betrachte, meine Seel", deren Leid Hamann mit einer gewissen Süße paarte. Nicht weniger zu Herzen ging die anschließende Tenor-Arie, die Uhl sehr intim mit Hübner musizierte.
Enorme Aufbruchsstimmung war im "Eilt ihr angefochtenen Seelen" zu erleben, als die weiteren Solisten Magdalena Harer (Sopran), Jürgen Ochs (Tenor) und Dominik Schmolz (Soliloquent) immer neue Nuancen der Textausdeutung miteinfließen ließen. Gerade im letzten Teil bestachen sämtliche Sänger mit eindrucksvollen Wechseln zwischen packender Rasanz und andächtigen Momenten der Einkehr. Ein letztes Lob gebührt der Technik für eine hervorragende Akustik und Kameraführung. Und trotzdem hofft man inständig, dass nächstes Mal wieder die Cappella Palatina mit im Boot ist!



