Glenn Hughes spielt alle Hits, die er hatte
Der Sänger und Bassist Glenn Hughes kommt mit seinem aktuellen Album "Chosen" ins Capitol nach Mannheim

Von Olaf Neumann
Glenn Hughes singt sich seit 55 Jahren die Seele aus dem Leib. Mit seiner souligen Stimme lässt er selbst simple Tonfolgen zum Erlebnis werden. Im Laufe seiner Karriere spielte der 74 Jahre alte Brite bei Deep Purple, Black Sabbath und Black Country Communion. Mit dem Sänger und Bassisten sprach Olaf Neumann über seine Freundschaft zu David Bowie, seine überwundene Drogensucht und das neue Soloalbum "Chosen".
Mr. Hughes, vor einem halben Jahrhundert freundeten Sie sich mit David Bowie an ...
Glenn Hughes: Bowie wohnte bei mir in Los Angeles. Wir hatten verschiedene Zimmer. In meinem Hauptraum war ein Studio mit Keyboards und Schlagzeug eingerichtet. Immer, wenn ich morgens aufwachte, schrieb David gerade etwas. Er arbeitete an dem Album "Station to Station". Man hört darin auch eine kleine Hommage an mich.
Es heißt, dass Bowie fasziniert war von Ihrer Art zu singen, von Ihrem gefühlvollen Soulgesang.
Bowie mochte meine Stimme, seit er 1974 das Deep-Purple-Konzert "California Jam" im Fernsehen gesehen hatte. Nach der Show ging ich in das Hotel, in dem ich wohnte, und er war zufällig im selben Haus. Also kam er auf mein Zimmer und wir wurden sehr gute Freunde, ja.
Warum haben Sie und er nie gemeinsam Aufnahmen gemacht?
Das ist eine gute Geschichte, die ist exklusiv für Sie: Bowie kam zu mir und sagte: "Ich werde ein Album mit dem Titel ‚Young Americans‘ aufnehmen. Hättest du Lust, mit Luther Vandross und mir darauf zu singen?" Und ich sagte: "Unbedingt." Also ging ich zu Ritchie (Blackmore) und Jon (Lord). Sie meinten: "David? Nein! Es ist nicht gut für Deep Purple, wenn du mit David Bowie singst". Also ließen sie es mich nicht machen.
Ihr neues Soloalbum heißt "Chosen". Haben Sie Ihren besten Song noch nicht geschrieben?
Ich denke nicht darüber nach. In jedem meiner Zimmer stehen Gitarren. Jeden Tag in meinem Leben sitze ich da und schreibe etwas. Eigentlich schreibe ich nicht, ich jamme nur. Und ich nehme alles auf. Die Songs scheinen wie aus dem Nichts zu entstehen. "Chosen" ist ein sehr spirituelles Album geworden.
Bei Black Country Communion arbeiten Sie heute wieder mit Jason Bonham zusammen. Ist er vergleichbar mit Ihrem anderen Drummer Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers?
Jason Bonham, Chad Smith und Kenny Aronoff besitzen alle das gleiche Feeling. Wenn ich bei Black Country Communion die Augen schließe und anfange zu singen, kann ich Jasons Vater John hinter mir spielen hören. Er hat die gleichen Gene und das gleiche Tempo. Er ist immer ein bisschen hinter dem Beat. Das ist ein toller Groove.
Sie haben Led-Zeppelin-Drummer John Bonham noch persönlich gekannt. Wie war er?
1971 spielte ich mit meiner damaligen Band Trapeze in Birmingham, England, direkt am Weihnachtsabend. Ich konnte von der Bühne aus jeden sehen, der durch die Tür kam. Auf einmal sah ich John Bonham hereinkommen. Er ging den ganzen Weg zur Bühne, schnappte sich die Drumsticks von Dave Holland und spielte eine halbe Stunde lang weiter. Nach der Show holte John mich ab und spielte mir in seinem Haus das noch unveröffentlichte Album "Led Zeppelin IV" vor. Ich bin dann im Gästezimmer ins Bett gegangen und Bonham hat mich am nächsten Morgen geweckt. Das ist eine tolle Geschichte, oder? Er spielte mir "Led Zeppelin IV" vor, sechs Monate bevor es herauskam. Was für ein Leben ich gehabt habe! Eine Zeit lang passierte mir eine verrückte Scheiße nach der anderen. Sie kennen ja meine Geschichte. Aber all der verrückte Scheiß ist schon so lange her, dass ich jetzt ein friedliches Leben führe. Ich bin immer noch verrückt, aber ich bin nüchtern.
Das ist sehr gut. Wer hat Ihnen geholfen, nüchtern zu werden?
Gott. Ich bat Gott um Hilfe bereits fünf Jahre bevor ich nüchtern wurde. Er war leider sehr beschäftigt. Aber er antwortete mir am Weihnachtstag des Jahres 1991. Ich erinnere mich sehr deutlich daran, dass ich im Badezimmer in den Spiegel schaute. Ich sah dort nicht mich. Ich sah etwas anderes. Das machte mir Angst. Es schien nicht real zu sein, aber es war real. Es hat mich erschreckt und schlagartig nüchtern gemacht.
Waren Sie ein starker Trinker?
Nein, ich habe nur Pulver konsumiert. Ich mochte den Geschmack von Alkohol nicht. Aber leider habe ich es mit ein paar anderen Drogen übertrieben. Nicht Heroin, aber Kokain. Das ist schon lange her. Ich möchte nicht zu viel darüber reden. Denn die Leute kennen mich als einen spirituellen, glücklichen Typen.
Wenn Sie ein neues Album machen, erwarten Ihre Fans dann immer etwas Erstaunliches, etwas Spektakuläres von Ihnen?
Ich habe in den letzten drei Jahren den Deep-Purple-Katalog live gespielt, weil das Album "Burn" sein 50-jähriges Jubiläum feierte. Drei Jahre davor war ich in der Gruppe Dead Daisies aktiv. Und auf meiner eigenen Tournee spiele ich diesmal alle Songs, alle Hits, die ich hatte, zwei Stunden lang.
Glauben Sie, dass eine Karriere wie Ihre heute noch möglich wäre?
Ich muss sagen, dass meine Karriere nicht geplant war. Alles, was ich tun wollte, war, ein Songwriter und Sänger zu sein. Und auf dem Weg dorthin wollten Leute, dass ich mit ihnen singe und Bass spiele, und ich sagte: "Okay". Ich wusste, dass diese Stimme irgendwann von Millionen von Menschen gehört werden würde.
Manche Leute meinen, dass das klassische Album bald verschwunden sein wird. Wie denken Sie darüber?
Ich stimme mit ihnen überein. Es ist ein bisschen verrückt, das zu sagen, aber ich glaube, mit "Chosen" habe ich mein letztes Album gemacht, weil sich Langspielplatten nicht mehr verkaufen. Ich sage nicht, dass es mit Sicherheit das letzte Album von mir ist, aber es könnte sein. Ich spreche nicht so viel darüber, aber ich glaube, ich habe gerade die beste Platte meines Lebens aufgenommen. Man hat mir einen neuen Vertrag mit einem großen Label angeboten, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das machen will.
Info: Mannheim, Montag, 22. September, 20 Uhr, Capitol. Karten von 57 bis 68 Euro unter: www.eventim.de