Schön altmodisch aber aktuell

Die Wiederauferstehung der P.D. James

Cordelia Gray ist eine junge hübsche Frau mit einem außergewöhnlichen Beruf: Sie ist Privatdetektivin - ohne Aufträge. Als sie endlich einen Fall bekommt, stürzt sie sich mit jugendlicher Unbekümmertheit beinahe ins Unglück. P.D. James Kriminalroman "Ein reizender Job für eine Frau" wurde neu aufgelegt.

24.04.2019 UPDATE: 24.04.2019 09:51 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
P.D. James: Ein reizender Job für eine Frau, Atrium Verlag Zürich,
352 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-8553-5035-3. Foto: Atrium Verlag Zürich/dpa

Von Frauke Kaberka

Privatdetektivin war im Jahr 1972 "Ein reizender Job eine Frau" - zynisch betrachtet. Gemeint ist eigentlich ein unpassender Beruf, so auch der Originaltitel des Krimis von P.D. James "An Unsuitable Job for a Woman". Doch die blutjunge Cordelia Gray mit dem ungewöhnlichen Lebenslauf hat sich dafür entschieden und in dem abgehalfterten Ex-Polizisten Bernie Pryde einen Förderer und Partner gefunden. Das Geschäft ihrer Agentur dümpelt so vor sich, bis Pryde sich das Leben nimmt. Fortan ist Cordelia auf sich allein gestellt, in einem elenden Büro, ohne Geld, ohne Illusionen, ohne Auftrag. Völlig überraschend bekommt sie am Tag von Bernies Beisetzung doch einen. Und was für einen.

Mit ihrem Roman um den ersten Fall Cordelia Grays entwickelte die Britin Phyllis Dorothy James (1920-2014) Anfang der 70er Jahre etwas weiter, was Agatha Christie mit ihrer schnüffelnden alten Dame Miss Marple schon Jahrzehnte vorher etabliert hatte: Frauen als pfiffige Ermittlerinnen. Aus einer Amateurin wurde nun eine "Professionelle", was einer literarischen Revolution gleichkam: Cordelia Gray war eine der ersten, wenn nicht die erste Privatdetektivin - zumindest in der britischen Krimi-Szene. Und die brachte gerade in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche großartige Autorinnen hervor. Man denke nur an die Christie-Jüngerinnen Ruth Rendell oder Dorothy L. Sayers.

Wie schön, dass Cordelia Gray rund 50 Jahre später noch einmal einen Auftritt bekommt und P.D. James sozusagen ihre Auferstehung feiern kann. Die Neuauflage des Klassikers bringt Freunden des Genres etwas, was moderne Spannungsliteratur nicht selten vermissen lässt: ein sorgsam aufgebauter Kriminalfall, dem mit penibler Recherche, viel Laufarbeit und vor allem Köpfchen auf den Grund gegangen wird und der ohne blutige Schockelemente unglaubliche Spannung und ebenso überraschende Wendungen hervorbringt. Der Leser ist nahezu in jeden Gedankengang Cordelias eingebunden. Eine Identifizierung mit der Protagonistin, die sich zu physischen und psychischen Höchstleistungen aufschwingt, ist daher unvermeidlich.

Ihr Auftrag führt Cordelia in die Universitätsstadt Cambrigde und Umgebung. Mark, der Sohn eines berühmten Wissenschaftlers, hat sich das Leben genommen. Nun will sein Vater die Gründe dafür wissen, denn scheinbar gab es nichts, was Mark so aus dem Gleichgewicht hätte werfen können. Cordelia folgt den Spuren des jungen Mannes, der sein Studium geschmissen und sich zuletzt als Gärtnergehilfe verdingt hat. Ja, sie zieht zeitweise sogar in seine Hütte auf dem Gelände der Gärtnerei, in der er sich offenbar erhängt hat, denn hier - das fühlt sie - findet sie Zugang zu ihm. Sie geht seinen Kontakten nach, Studienfreunden, Mentoren, der Gärtnerfamilie, seiner eigenen Familie und Bekannten vergangener Tage. Es formieren sich Puzzleteilchen zu einem Bild, doch dann scheinen sie wieder nicht zueinander zu passen.

Cordelia beginnt an der Selbstmordtheorie zu zweifeln. Bei ihren hartnäckigen, aber wahrhaftig nicht ungefährlichen Nachforschungen stößt sie auf Misstrauen oder Schweigen. Und immer wieder auf die manchmal laut geäußerte, manchmal unausgesprochene Skepsis: Das ist doch kein Job für eine Frau. Für Cordelia ist es der richtige. In ihrem Hinterkopf ist Bernie präsent. Er gibt ihr mit seinen Weisheiten, die zumeist von seinem früheren Vorgesetzten Adam Dalgliesh stammen, die Richtung vor. Dalgliesh - der Held der meisten James-Krimis - zieht sich daher gedanklich wie ein roter Faden durch diesen Fall. Und ganz am Ende taucht er persönlich auf. Ein gelungener Schachzug der Autorin, die so die Neugier auf weitere Fälle des Superintendent bei Scotland Yard weckt.

Cordelia Gray schickte sie leider nur noch einmal ins Rennen. Was all ihre Romane und Sachbücher so authentisch macht, sind eigene Erfahrungen, die James bei ihrer Arbeit im britischen Innenministerium sammelte, zu dem die Polizeiarbeit gehörte. Erst 1962, also mit fast 40 Jahren, begann sie zu schreiben. Und doch hinterließ sie ein umfangreiches Werk, für das sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Unter anderem wurde sie von der Queen in den Order of the British Empire aufgenommen und später zu einem Life Peer ernannt, was ihr die Mitgliedschaft im House of Lords sicherte.

Doch allein dieser eine, jetzt neu aufgelegte Fall der Detektivin ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein aus heutiger Sicht altmodischer Roman aktuell und sehr unterhaltsam sein kann - allein durch einen klugen Kopf und unermüdliches Engagement, gewürzt mit viel Spannung und auch Humor.