Täuschung, Lüge und Streit ohne Ende
Der gebürtige Landauer Thomas Nast war ein Pionier der amerikanischen Karikatur. Anlässlich der US-Wahl werden seine Arbeiten in der Eremitage ausgestellt.
Von Hans-Joachim Of
Waghäusel. Wird die Welt nach der Präsidentschaftswahl in den USA am 3. November ein weiteres Schmierentheater ungeahnten Ausmaßes erleben? Seit Wochen und Monaten streut Donald Trump Zweifel am Ablauf der Abstimmung. Bei seinen Auftritten nährt er Gerüchte um Manipulation und Betrug. Freiwillig, so glauben Beobachter, wird er das Feld nicht räumen. Deshalb werden Erinnerungen an das Jahr 1876 mit Täuschungen, Lügen und Streit wach.
Nicht ausgeschlossen ist, dass es bei den anstehenden US-Wahlen zu einer Wiederholung des Desasters von damals kommen könnte. Was war passiert? Die Wahl am 7. November 1876 hatte in vier US-Bundesstaaten, allen voran in Florida, kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Demokraten und Republikaner reklamierten den Sieg für sich und nominierten ihre eigenen Leute für das Wahlmännergremium. Die Verfassung lieferte keinen Ausweg.
Im Weißen Haus und bei Präsident Ulysses Grant war die Nervosität bis ins Unerträgliche gestiegen. Man musste mit einem Aufstand rechnen. Er drohte mit dem Einsatz von Truppen des Bundes, über New York würde er das Kriegsrecht verhängen. Die Frage war: Würde sich der demokratische Herausforderer Samuel J. Tilden zum Präsidenten ausrufen lassen? Würde es zu Gewalt kommen? Erst kurz vor der Vereidigung konnte ein Bürgerkrieg abgewendet werden.
Obwohl Tilden mehr Stimmen als der Herausforderer Rutherford B. Hayes auf sich vereinte, gab sich dieser geschlagen, nachdem er sich mit politischen Zugeständnissen kaufen ließ. Die Republikaner hatten die Wahl erfolgreich angefochten, und Hayes, der von 1877 bis 1881 als 19. US-Präsident in die Geschichte einging, zog als Nachfolger von Ulysses S. Grant, ebenfalls Republikaner, ins Weiße Haus ein. Amerikas Demokratie hatte eine skandalöse Wahl mit Vorwürfen, Betrug und Fälschungen, die den Glauben an ein demokratisches System erschütterte, erlebt. Parallelen zum Zähldebakel von Florida im Jahr 2000 und dem "Sieg" des nach Wählerstimmen lediglich zweitplatzierten George W. Bush, aber auch zur letzten US-Wahl im Jahre 2016 liegen auf der Hand.
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Der Verlierer hatte 1876 also gesiegt. Eine Verfassungskrise war überstanden. Jetzt, 144 Jahre später, könnte den USA ein ähnliches Szenario drohen, denn das Wahlsystem in den USA ist stark verbesserungswürdig. Nach wie vor sind Gesetze, Verordnungen und Fristen nicht eindeutig formuliert – und manipulierbar!
Dies alles und noch viel mehr, könnte man in einer coronabedingt derzeit leider geschlossenen Sonderausstellung anlässlich der Wahl zum 59. US-Präsidenten im Humorpark der Eremitage Waghäusel sehen. Hoffentlich besteht ab Dezember wieder die Gelegenheit dazu.
Kurator Rolf Heinzmann und sein rühriges Team zeigt Illustrationen von Thomas Nast, einem deutschstämmigen Zeichner und Illustrator. Er gilt als Begründer der amerikanischen Karikatur. Die sehenswerte Ausstellung steht unter dem Motto "Täuschung, Lüge und Streit ohne Ende – bei den anstehenden US-Wahlen könnte er zu einer Wiederholung des Desasters von 1876 kommen".
Thomas Nast wurde am 27. September 1840 im pfälzischen Landau geboren und wanderte mit seinen Eltern 1846 nach New York aus. "Aus heutiger Sicht kann man behaupten, dass er mit seinen Zeichnungen ein Alleinstellungsmerkmal in Amerika hatte", heißt es im Museum der Stadt Landau, dem die Ausstellungsstücke gehören. Bekannt wurde Nast durch sein langjähriges Wirken für die New Yorker Zeitung "Herper’s Weeekly" und der Schaffung von Figuren wie "Uncle Sam" oder "Santa Claus" sowie Symbole von demokratischen und republikanischen Parteien. Immer wieder hatte sich Nast in US-Wahlkämpfe eingemischt. Bei der Präsentation und Karikatur seines republikanischen Wunschkandidaten hatte er auf einer Tafel ein Fragezeichen und einen Schwamm zur Korrektur gezeichnet. Er wollte damit zeigen: Der Wahlausgang ist ungewiss.
Wenn die Ausstellung wieder geöffnet wird, kann sie in Waghäusel unter Einhaltung der üblichen Corona-Regeln jeden Mittwoch von 16 bis 20 Uhr und jeden Sonntag von 14 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt besucht werden.
Info: Humorpark Waghäusel, bis 31. Januar 2021. Telefon: 07254 / 98.519 37; Internet: www.humorpark-Eremitage.de