Michael Bacht, Hommage an Malewitsch, eine Installation, die im Kurpfälzischen Museum zu sehen ist. Foto: Museum
Von Milan Chlumsky
Heidelber. Michael Bachts Kunst ist eine humanistische, die sich knapp über fünf Jahrzehnte nie die Frage gestellt hat: Wie reüssiere ich auf dem Kunstmarkt? Sondern stattdessen immer wieder die Fragen des Daseins auslotet - begleitet von philosophischen, kunsthistorischen und sozialen Fragestellungen, etwa bei der Makimono-Serie, den satirischen Objekten oder in den Hommages à Mondrian oder Malewitsch. Hinzu kommen eine außergewöhnliche Belesenheit, ein unermüdliches Interesse an der Kunst sowie viele persönliche Überlegungen zur Rolle als Künstler in der heutigen Gesellschaft.
Michael Bacht ist ein Künstler, der scheinbar spielerisch und mühelos aus einem unerschöpflichen Quell der Fantasie und des Wissens schöpft. Die insgesamt 101 Arbeiten dieser Retrospektive enthalten auch einige, die vor 1970 entstanden sind und bisher nur selten oder noch nie gezeigt wurden. Allen liegt eine genau überlegte - manchmal hintergründige oder auch ironische - Entstehungsgeschichte zugrunde, deren Kenntnis hilfreich ist, um das Werk zu erfassen und verstehen.
So sind beispielsweise die vier Exponate aus der Serie "Erdkreis" von der Erkenntnis geprägt, dass wir uns auf einer extrem fragilen Erdkruste bewegen. Der Grund, auf dem wir stehen, gleicht "hochgespannten Membranen oder Sehnen, die tragen, aber auch jederzeit reißen können" und als solche "nie ein Gefühl von Sicherheit zulassen."
Daher auch der imaginäre Viertelkreis in der Ausstellung mit fein gespannten Fäden, die von der Unstabilität zeugen und zugleich zu bedenken geben, wie wenig sich bestimmte Naturphänomene voraussehen, geschweige denn beherrschen lassen.
Bacht arbeitet in der Regel mit vorgefundenen Materialien, in seinen Buchobjekten zum Beispiel mit Relikten aus der früheren Zigarrenfabrik in Malsch, wo er einst sein Atelier hatte. Seine Arbeiten folgen exakten Linien und Prinzipien und wirken dabei doch immer verspielt. Die Installation "Lied von der Erde" (1998-2018) verdankt dem Kunstroman "F" von Daniel Kehlmann ihre Entstehung. "Bislang war F ein Buchstabe" steht prophetisch in Kehlmanns Buch. Aber hier steht "F" steht für die Geschichte von drei Brüdern, die allesamt auf ihre Art Fälscher sind.
Michael Bacht, der seit geraumer Zeit sein Atelier in einer aufgelassenen Kirche in Epfenbach hat, war von Kehlmanns Fragestellung in seinem Buch überrascht: "Was, wenn das Universum lesbar wäre? Vielleicht steckt ja das hinter der erschreckenden Schönheit der Dinge: wir bemerken, dass etwas mit uns spricht. Wir kennen die Sprache und doch verstehen wir kein Wort."
Am Anfang ein fast kryptischer Text, in dem die "erschreckende Schönheit" und das "wir verstehen kein Wort" im engen Bezug stehen. Grund genug für Bacht, darüber nachzudenken, was sich hinter der Korrelation verbirgt.
In einem länglichen Kasten mit einer Buchstaben- und Zahlenschablone sind Formelemente auf mehreren Schichten von Glas aufgetragen. Die Druckschicht wird zudem leicht überzeichnet und verwischt. Es ist eigentlich nichts lesbar, die Buchstaben scheinen zu Staub zu zerfallen. Bacht erklärt, dass der Kasten der Nachbau einer nicht mehr funktionstüchtigen Liedanzeige der Epfenbacher Kirche ist. Das Original ist Bestandteil der ersten Version von "Lied von der Erde".
Sämtliche Arbeiten von Michael Bacht sind nicht nur Gedanken über die aktuellen kulturellen, politischen, philosophischen und künstlerischen Ereignisse, sondern reflektieren auch den Bezug zu anderen Werken, teils weil sie eine Fortsetzung sind, teils weil sie auf eine nicht abgeschlossene Beschäftigung mit der Kunstgeschichte hinweisen, so etwa in den Reflexionen über Mondrian oder Malewitsch, die immer eine Grundlage für neue Arbeiten sein können. Kehlmanns Wort von der "erschreckenden Schönheit" ist immer noch ein Zündwort für weitere Anregungen, denn Bacht findet, dass Schönheit nie erschreckend war oder ist.
Es ist eine schöne, überaus dichte Ausstellung. Sie zeigt auch viele Modelle von raumfüllenden Arbeiten, die man gern einmal im größeren Maßstab ausgeführt sähe. Die Arbeit "Kosmische Landschaften", die diese Retrospektive eröffnet, ist durch die "Kosmische Dimension" bestimmt, mit der der nicht einmal 20-jährige Abiturient seine künstlerischen Möglichkeiten auszuloten begann. Später "träumen Herr und Frau Einstein vom Kosmos".
Über 50 Jahre später zeigt Michael Bacht die gleiche Neugier, die gleiche spielerische Begabung und die gleiche intellektuelle Frische. Großartig!
Info: Michael Bacht im Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Hauptstraße 97, bis 15. September. Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.