Johannes Klumpp ist neuer Künstlerischer Leiter der Heidelberger Sinfoniker. Foto: Janine Kuehn
Von Jesper Klein
Die Heidelberger Sinfoniker haben einen neuen Chef: Johannes Klumpp übernimmt die Künstlerische Leitung des Klangkörpers und damit die Nachfolge des Orchestergründers Thomas Fey, der die Sinfoniker 20 Jahre lang - bis 2014 - leitete und prägte. Mit seinen CD-Einspielungen wurde das Orchester für Cannes Classical Award 2003 sowie den Grammy International Classical Music Award 2011 nominiert.
Herr Klumpp, was haben Sie als neuer Künstlerischer Leiter der Heidelberger Sinfoniker in Zukunft mit dem Orchester vor?
Es ist schwierig, in einer solchen Corona-geprägten Zeit Zukunftsvisionen an die Wand zu malen. Natürlich ist es die Frage, was in den nächsten Monaten möglich ist. Wir haben schöne Projekte in Planung für diesen Herbst und das nächste Frühjahr, bei denen unser Hausheiliger Joseph Haydn eine Rolle spielt. Wir möchten gerne dieses Feld wieder aufrollen. Sobald es geht, möchten wir die Gastspieltätigkeiten hochfahren – und ich freue mich natürlich auch auf die Heidelberger Stadthalle, wenn sie einmal wieder in Funktion ist. Die Welt und Heidelberg sollen sich erinnern, was da für ein fantastisches Orchester in dieser relativ kleinen Stadt am Neckar existiert!
Bei einem Spendenaufruf sind mehr als 30.000 Euro zusammengekommen und Sie konnten die Gesamteinspielungen der Haydn-Sinfonien fortsetzen. Wie gut funktionieren CD-Aufnahmen in Zeiten von Corona?
Für die frühen Haydn-Sinfonien, die überschaubar besetzt sind, ging es sehr gut. Der Spendenaufruf hat finanziell, aber auch mental sehr geholfen. Es ist, wie man sich vorstellen kann, eine große Belastung, wenn man als Musiker das Gefühl hat, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können.
Die Haydn-Gesamtaufnahme ist ein Kind von Thomas Fey, der seit 2014 nicht mehr ans Pult der Sinfoniker zurückkehren kann. Wie sind Sie ein Teil dieses Projekts geworden?
Die Aufnahmen von Thomas Fey – das ist Haydn, wie ich ihn mir vorstelle. Wendig, spritzig, super phrasiert und artikuliert, historisch informiert. Immer wenn eine Haydn-Sinfonie auf der Agenda war, habe ich nach Aufnahmen aus Heidelberg geschaut. Durch mehrere Winkelzüge des Schicksals hat man mich nach dem tragischen Unfall Feys kontaktiert. Als das Orchester und ich miteinander gearbeitet haben, merkten wir, dass wir musikalisch wie menschlich auf einer Wellenlänge liegen. Bald war klar: Wir wollen diesen "Heidelberger Haydn" zum Ende bringen, gemeinsam!
Warum liegt Haydn diesem Orchester so gut?
Haydn musste mehr als andere durch die historisch-informierte Praxis wiederentdeckt werden, die Affekte hinter den Noten kamen zum Vorschein. Die Patina des 20. Jahrhunderts muss weg, damit das Magma aus dem Untergrund nach draußen kann. Dafür ist der Heidelberger Haydn ein gutes Beispiel. Es gab dieses Vorurteil, dass Haydn im Gegensatz zu Mozart etwas "zopfiger" klingt. Wenn man aber historisch-informiert an diese Musik herangeht, klingt sie lebendig, schwungvoll, wild, geistreich, witzig. Die Presto-Finalsätze sind fulminant, die Musik hat einen wahnsinnigen Groove. An anderer Stelle standen uns die Tränen in den Augen, weil die Musik so rührend war. Das hätte selbst ich bei einem langsamen Haydn-Satz nie erwartet.
Wie viel Arbeit steckt für Sie letztlich hinter dem Anspruch, historisch-informiert zu spielen?
Brutal viel. Ich habe mir zunächst alle frühen Sinfonien mithilfe der Gesamtausgabe vorgenommen. Oftmals gibt es keine ursprüngliche Handschrift, da ist kriminologische Arbeit der Herausgeber nötig. Das alles nachzuvollziehen, kostet Zeit. Eine gewisse Unsicherheit, falsche Entscheidungen zu treffen, bleibt immer. Und manches spielt man am Ende der Aufnahmen doch anders, als man es am Schreibtisch entschieden hat. Es ist toll, einen Orchesterpartner zu haben, der so neugierig ist und Lust hat, um Details zu fighten.
Inwieweit spielt Thomas Feys bisherige Arbeit für Sie eine Rolle?
Thomas Fey war ein radikaler Neudenker, deswegen konnte er überhaupt einen solchen Haydn-Stil etablieren. Diese Tradition des Neudenkens ist unsere wichtigste Gemeinsamkeit.