Das Kurpfälzische Museum ist um eine digitale Attraktion reicher: In der Archäologischen Sammlung erlaubt die „HD Discovery Station“ einen interaktiven Blick in die historische Entwicklung Heidelbergs. Mäzen Manfred Lautenschläger (r.) lässt sich die Innovation von Direktor Frieder Hepp. Foto: Philipp Rothe
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Virtuelles Neuland betritt jetzt das Kurpfälzische Museum Heidelberg (KMH): Mit der "HD Discovery Station" können Besucher in der Archäologischen Abteilung auf Zeitreise gehen.
Per X-Box-Controller lebt auf einem vierteiligen Großbildschirm die Zeit der Kelten auf. Höchste eindrucksvoll ist der doppelte Ringwall auf dem Heiligenberg zu sehen, auf den der Besucher sich wie ein Drachenflieger zubewegt – eine Reise zurück in die Zeit um 450 v. Chr. Wer sich eher für die Römer interessiert, kann deren Siedlung erkunden, die rund 130. n. Chr. auf dem Gelände des heutigen Neuenheim angelegt wurde.
"Wir haben eine Landschaft von zehn auf zehn Kilometern rekonstruiert, wir können 100 Kilometer weit blicken und in einer Höhe von etwa 500 Meter fliegen", erläuterte Tobias Schöneweis, der das Projekt zusammen mit dem Frankfurter Designstudio Meso Digital Interiors für die Archäologische Abteilung entwickelt hat. 13.000 Objekte sind in die Darstellung integriert, vom Grabhügel bis zur römischen Gebäudeinschrift, von der Töpferei bis zur Brücke über den Neckar.
Über einen Touchscreen, der mit einer heutigen Heidelberg-Karte unterlegt ist, kann der Besucher viele historische Punkte ansteuern. Wo wurden die Artefakte gefunden, die im Museum ausgestellt sind? Wo genau in Neuenheim stand die Jupitergigantensäule? Wie sah die Stelle, wo heute mein Haus steht, in früheren Zeiten aus? Wohne ich vielleicht über dem Fundort eines Münzschatzes?
Obwohl die Archäologen des KMH gemeinsam mit Mitarbeitern des Vermessungsamtes und Paläobotanikern zahllose Daten so genau wie möglich eingelesen haben, sind nicht alle Details historisch ganz genau. Das wäre auch nicht möglich gewesen. "Die römische Zeit in Heidelberg besteht streng genommen aus eine Militärzeit mit zwei aufeinanderfolgenden Kastellen in Neuenheim und aus einer darauf folgenden zivilen Zeit, nachdem die Soldaten etwa 130 bis 140 n. Chr. abgezogen waren", so die Leiterin der Archäologischen Abteilung, Dr. Renate Ludwig.
In dieser zivilen Phase dehnten sich Handel und Verkehr in nördliche und in südliche Richtung aus. "Wir haben eine ideale Zeit abgebildet, in der das militärische Kastell noch steht, die Siedlung aber schon wächst." Historisch sei das nie so gewesen, erklärte Renate Ludwig. Doch diese historische Ungenauigkeit wird durch die künstlerische Freiheit der Darstellung mehr als aufgewogen.
Die HD Discovery Station wendet sich an junge Besucher ebenso wie an Erwachsen. Spaß haben werden alle. Der erste, der auf virtuelle Zeitreise ging, war Manfred Lautenschläger, Vorsitzender des KMH-Freundeskreises; dieser hat das 150.000 Euro teure Projekt finanziert. Lautenschläger, studierter Jurist, zeigte sich als begeisterter Fan der Archäologie. "Die Kelten haben mich schon immer fasziniert", erklärte er.
Doch das Interesse des Mäzen richtet sich auch in die Zukunft, denn die Discovery Station ist noch sehr ausbaufähig. "Wir können bei neuen historischen Erkenntnissen auch neue Siedlungen einfügen, die Hochleistungsprozessoren sind auf extrem große Datenmengen ausgelegt", erläuterte Tobias Schöneweis. Doch damit nicht genug: Die Station kann sogar um ganze Epochen erweitert werden, vom Homo heidelbergensis bis zum 30-jährigen Krieg von 1618 bis 1648.
In zwei Jahren steht ein für Heidelberg wichtiges 400-jähriges Jubiläum dieser Epoche an, nämlich die erste große Zerstörung der Stadt am 16. September 1622 durch die Truppen von General Tilly. Damit die Besucher des Kurpfälzischen Museums die Geschehnisse möglichst anschaulich nachvollziehen können, versprach Manfred Lautenschläger, den virtuellen Beitrag dazu aus seiner privaten Stiftung zu finanzieren. Er ist der erste "Epochenpate".
"Wenn Bürger ein besonderes Interesse an einer Epoche haben, können sie sich finanziell einbringen, Pate werden und so bewirken, dass die Epoche vorgezogen wird", erklärte Schöneweis. Vielleicht ist das auch eine nette Geschenkidee? Ist ja nicht mehr so lange bis Weihnachten.
Info: Die Heidelberg Discovery Station steht ab 9. Juli zur Verfügung im Kurpfälzischen Museum, Hauptstr. 97. Wer Pate werden möchte, schreibt eine E-Mail an: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de