Cennet Rüya Voß mit einer Selfie-Skulptur im Stückemarkt-Gastspiel „In den Gärten“ aus Düsseldorf. Foto: Sandra Then
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. So witzig, so intelligent, so hintergründig ist schon lange nicht mehr über die Geschlechterdebatte geschrieben worden: Sybille Berg holt in ihrer literarisch äußerst versierten Gender-Farce "In den Gärten oder Lysistrata Teil 2" ganz weit aus, indem sie einerseits auf die antike Aristophanes-Komödie über Lysistrata zurückgreift, andererseits einen ganz großen Bogen zu einer Zukunft schlägt, in der die Männer überflüssig geworden sind. Sie existieren nur noch als betongraue Museumsrelikte einer vergangenen patriarchalen Gesellschaftsform mit all ihren zwischengeschlechtlichen Provokationen, sexuellen Frustrationen und kuriosen Kulturkämpfen.
Die Frauen sind sich im femininen Utopia selbst genug. Sie wundern sich bei ihrem Besuch im Skulpturenpark mit kicherndem Staunen und chorischem Deklamieren über die maskulinen Marotten, die es in ihrem normalen Alltag längst nicht mehr gibt. Drei ihrer Anschauungsobjekte werden als steinerne Gäste lebendig, zwei weitere bleiben als leblose Deko starr. Im Rahmen des Heidelberger Stückemarkts wurde nun Christina Tscharyiskis Düsseldorfer Inszenierung des Sibylle-Berg-Stücks gezeigt. Sie konkurriert in der Sektion "Nachspielpreis" mit Thomas Melles "Ode" aus Köln und Sivan Ben Yishais "Die Tonight, Live Forever" aus Nürnberg.
Bei Aristophanes fordert Lysistrata ihre Geschlechtsgenossinnen dazu auf, die Männer durch einen Sexboykott zur Friedfertigkeit zu zwingen. Keine Liebe in kriegerischen Zeiten. Anders bei Sibylle Berg: In ihrem peppig-poppigen Update haben sich die Kerle durch ihre althergebrachten Rituale schon vor Langem selbst abgeschafft.
Die Autorin spielt virtuos auf der Klaviatur der Verssprache, die sie satirisch zuspitzt. Ihr bissiger Wortwitz und die ansteckende Spielfreude des sechsköpfigen Ensembles sorgen dafür, dass im Parkett 75 pausenlose Minuten lang gute Laune herrscht. Die Furchen auf den Denkerstirnen der Zuschauer gehen nahtlos in Lachfältchen über.
Übrigens: Dass die drei Lysistrata-Darstellerinnen Cennet Rüya Voß, Friederike Wagner und Hanna Werth über alles erhaben sind, verdeutlichen ihre Plateau-Sohlen. Die Kostümbildnerin Dominique Wiesbauer hat sie aus kulturgeschichtlichem Kalkül anfertigen lassen. Im antiken Theater nannte man solches Schuhwerk Kothurne. Auf ihnen stolziert’s sich besonders stolz.