Sopransaxofonistin Alexandra Lehmler in Mannheim. Foto: Rinderspacher
Von Andrea Döring
Mannheim. "Schreib mir mal ’ne Karte!" Diesen Auftrag gab man einst Leuten, die in die Ferne reisten. Die berichteten dann in wenigen Zeilen von Sonne und Meer, von fremden Sitten und Gebräuchen. In Zeiten des vereinten Europa können Künstler aus weit auseinanderliegenden Ländern gemeinsam auf der Bühne stehen und Musik machen. "Correspondance européenne – Wir sind Europa!" heißt das Projekt der Mannheimer Saxofonistin Alexandra Lehmler, das sie im Rahmen von Enjoy Jazz in der Mannheimer Alten Feuerwache vorstellte.
Ein Heimspiel hatte neben Lehmler auch Matthias Debus am Bass. Federico Casagrande aus Italien spielte Gitarre, aus Schweden kam Sängerin Isabel Sörling, die auch für Sound-Effekte zuständig war. Für optische Untermalung sorgte AudeRrose, mit bürgerlichem Namen Aude François, aus Frankreich. Alte Postkarten nutzte sie oft dafür. Sehnsucht nach vergangenen Zeiten kam auf, als man beim Formulieren der Botschaft schnell und präzise auf den Punkt kommen musste. Sehr umständlich und überaus ausführlich drückten die Künstler aus, was sie zu sagen hatten.
"Europa bedeutet für mich, frei reisen zu können", sagt eine junge Stimme immer wieder aus dem Off. Die Freude über Frieden und Freiheit steht jedoch neben der Abschottung gegen Migranten. "Wir wollen bloß nicht, dass jemand an unserem Wohlstand teilhat, haben Angst davor, dass uns jemand etwas wegnimmt", erklärt Lehmler. Diese Gegensätze musikalisch umzusetzen ist das Ziel ihres Projektes. Doch von "Freude schöner Götterfunken" ist nichts zu spüren. Durchgängig melancholisch ist die Klangfarbe. Die Postkarten bleiben bis zum Schluss schwarzweiß.
Sehr experimentell sind die langen Soli der Musiker. Lehmler, die immer wieder zwischen Sopran-, Alt- und Bariton-Saxofon wechselt, spielt wunderschöne sehnsuchtsvolle Melodien, entlockt den Instrumenten aber auch grunzende, klagende Laute. Eher klassisch als jazzig gestaltet Casagrande seinen Part. Debus zupft und streicht den Bass nicht nur, er trommelt auch auf seinem Instrument und singt dabei mit schöner Stimme.
Sehr eindringlich ist auch die Stimme von Sörling, die mühelos in große Höhen vordringt. Beim Singen dreht die Künstlerin immer wieder an dem einen oder anderen Knöpfchen, verzerrt ihre Stimme und die eingespielten Zitate.
"Dieses Europa darf keine Festung werden, in der wir uns vor den anderen abschotten. Es muss offen sein." Helmut Kohls berühmtes Zitat bebildert AudeRrose mit Postkarten von Burgen und Wehrkirchen. Mehr oder weniger schöne Handschriften gibt es zu sehen, wenn sie die Postkarten umdreht. Die Texte sind fast ausschließlich auf Französisch. Kahle Zweige und braune Herbst-Blätter projiziert sie dazu auf die Leinwand hinter den Musikern.
Wo sind die bunten Farben, das helle Licht, die exotischen Gerüche und Speisen, die fremden Sprachen, die neuen Gedanken, die aufregenden Rhythmen und fröhlichen Lieder, die wir durch das Zusammenrücken Europas kennenlernen können? In der Feuerwache bleibt es an diesem Abend dunkel, traurig, sehr verkopft und ein bisschen langweilig. Die Idee des Projektes ist gut, die Ausführung erinnert jedoch an die europäische Bürokratie: spaßfrei und ziemlich aufgeblasen.