95 und kein bisschen müde: Emil Mangelsdorff. Screenshot: Peter Wiest
Von Peter Wiest
Mannheim. In nicht ganz drei Monaten wird er 96 Jahre alt. Aber er ist nach wie vor bestens bei Puste – und auch sonst anscheinend topfit. Wenn Emil Mangelsdorff Altsaxofon spielt, klingt das wie einst im Mai. Keinen Deut anders als zu den seligen Zeiten, in denen er als Mitglied der "German Allstars" die Welt bereiste und mit nahezu allen namhaften Musikern zusammen spielte. Alles, was ihn damals zu einem der ganz Großen der internationalen Szene machte und ihm diverse Auszeichnungen einbrachte, hat er nach wie vor drauf und beweist es bis heute auch bei Live-Auftritten. Einen solchen gab es jetzt im Mannheimer Jazzclub "Ella & Louis": Pandemiebedingt zwar ohne Live-Publikum im Saal, dafür aber mit Online-Übertragung im Livestream und so zur Begeisterung zahlreicher Fans, die sich dieses Event am Laptop oder Smartphone nicht entgehen ließen.
Bereits im Sommer 2019 hatte Mangelsdorff bei einem Auftritt im "Ella & Louis" bewiesen, dass sein Spiel trotz seinem hohen Alter absolut nichts von der einzigartigen Melodik und der technischen Brillanz verloren hat, womit er seit mittlerweile schon an die 80 (!) Jahren seine Fans fasziniert. Auch wenn er jetzt noch einmal eineinhalb Jahre danach "nur" im Livestream zu erleben war und es kein "reales" Publikum gab, wurde schnell deutlich, dass diese Faszination bis heute geblieben ist. Selbst wenn er schon länger nur noch im Sitzen spielt: Die geballte Kraft des Saxofons dringt wie eh und je durch Mark und Bein der Zuhörer und geht diesen ihrerseits voll in den Bauch und die Beine – direkt vor der Bühne sowieso; in diesem Fall jedoch sogar vor dem Laptop.
Für das nicht ganz einstündige Online-Konzert hatte sich Mangelsdorff fast ausschließlich Klassiker des Bebop ausgesucht, wie er sie aus dem Effeff beherrscht und wie sie ihm besonders liegen. Stücke wie "Au Privave", "Steeplechase" oder "Scrapple from the Apple" von Charlie Parker kamen dabei ebenso rasant, locker und vollkommen entspannt rüber wie der Klassiker "Round Midnight" von Thelonius Monk.
Alle Titel klangen sie weitgehend wie im Original; dabei jedoch trotzdem unverkennbar mit eigener Note – und selbstverständlich mit den bekannten ausufernden Saxophon-Licks und Phrasierungen, wie sie eben nur ein erfahrener und umtriebiger Musiker wie Emil Mangelsdorff darbieten kann.
Perfekt abgerundet wurde das Ganze nicht minder gekonnt durch die Band, die er mitgebracht hatte. Thilo Wagner am Piano wusste dabei den improvisatorischen Freiraum für sein Instrument seinerseits weidlich zu nutzen, während Jean Philippe Wadle am Bass für durchgehend solide Grundlagen sorgte und immer wieder ebenfalls mit Soli glänzte. Dahinter saß mit dem rhythmisch ungemein versierten Axel Pape ein Schlagzeuger, dessen Stärke darin besteht, sich einerseits meist weitgehend zurückzunehmen und ganz entspannt den Takt vorzugeben, um dann an entscheidenden Stellen doch auch mal nassforsch ganz im direkten Sinne des Wortes auf die Pauke zu hauen. Ein bisschen schade letztlich, dass das gesamte Konzert nur eine knappe Stunde dauerte – die allerdings dafür randvoll gefüllt war mit Preziosen und Meilensteinen des Jazz.
Und nicht nur das: "Blues forever" hieß es schließlich dann auch noch gegen Ende mit dem Titelstück von Emil Mangelsdorffs 2007 erschienenem Album, das seinerzeit gleichzeitig wegweisend war für das, was der Meister trotz seines bereits damals hohen Alters noch vorhatte - und weiterhin vorhat.
Also: Die Legende lebt. Und sie wird mit Sicherheit auch weiterhin noch für wundervoll beswingte Abende sorgen. Hoffentlich bald wieder vor Live-Publikum direkt im Saal!
Info: Nächstes Live-Stream-Konzert aus dem "Ella & Louis Club" am Freitag, 22. Januar, 20 Uhr, mit Sängerin Jutta Glaser und Gitarrist Claus Boesser Ferrari. Tickets über www.ellalouis.de.