Gezögert beim Treueschwur

Doch vor dem Tor fackelt Vedad Ibisevic nicht lange und schießt Hoffenheim zum 2:0-Sieg in Nürnberg      

12.12.2011 UPDATE: 12.12.2011 15:33 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden
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Doch vor dem Tor fackelt Vedad Ibisevic nicht lange und schießt Hoffenheim zum 2:0-Sieg in Nürnberg

 

 

 

Würde einer im Standesamt so lange zögern, er riskierte das Ende des gemeinsamen Lebensweges. Auf die Frage, ob man sich auch im neuen Jahr wiedersehen werde, murmelte Vedad Ibisevic "mhm" und noch mal "mhm". Erst danach rang er sich zu einem "Ja" durch. Ein Treueschwur klingt anders.

Dabei hatte der Bosnier gerade bewiesen, wie wertvoll er für Hoffenheim ist. Seine beiden Tore zum 2:0-Sieg in Nürnberg beendeten – zumindest fürs Erste – die Krise der Kraichgauer.

Dass Trainer und Torjäger nicht gerade ein Herz und eine Seele sind, konnten Beobachter auch bei der Auswechslung des Angreifers erkennen. Holger Stanislawski herzte und drückte, Ibisevic ließ die Liebkosungen über sich ergehen. Vermutlich weil er nicht vergessen hat, dass er zuletzt nicht mehr erste Wahl war. "Der Trainer hat das letzte Wort", sagt er lapidar.

Man kann davon ausgehen, dass Ibisevic am Samstag gegen Berlin wieder in der Startelf stehen wird. Doch ein klares Bekenntnis gab Stanislawski nicht ab: "Mal sehen, wie die taktische Ausrichtung sein wird." Der Fußballlehrer mag Angreifer, die ständig ihre Positionen wechseln, Kilometer fressen wie beispielsweise Ryan Babel, den wiederum wegen mangelnder Zielstrebigkeit die Fans gefressen haben.

Doch: Kann Hoffenheim auf Ibisevic verzichten? Der Torjäger hat in den letzten zehn Spielen fünf der mickrigen sechs Tore erzielt. Er hat das, was den meisten seiner Kollegen fehlt: Chuzpe und Durchsetzungsvermögen. Er hat eine Eigenschaft, die auch Stanislawski zu schätzen weiß. Der Coach wünscht sich mehr Spieler, die auch mal "die Sau rauslassen". Wenn es stimmt, was Philipp Wollscheid erzählt, dann hat sich Ibisevic genau damit hervorgetan. "Er hat zu mir gesagt: Gleich tut’s weh", beklagte sich der Nürnberger Verteidiger bei den Journalisten, "dann hat er mir mit dem Ellenbogen auf den Hals geschla- gen, dass ich keine Luft mehr bekam und zu Boden gegangen bin." Während Wollscheid am Mittelkreis seine Wunden leckte, köpfte Ibisevic das 1:0 (39.). Den Vorwurf seines Gegenspielers weist er entschieden zurück: "Der soll keinen Blödsinn erzählen. Er ist noch jung und muss noch viel lernen. Ich bin kein Boxer, sondern Fußballprofi."

Die fränkische Volksseele kochte, weil die Hoffenheimer nach Wollscheids Knockout den Ball nicht ins Seitenaus kickten, sondern ins Nürnberger Tor köpften. "Der Schiedsrichter hätte unterbrechen müssen", ärgerte sich Dieter Hecking. Es spricht für den Club-Trainer, dass er nicht der Versuchung erlag und das zweifelhafte Tor und einen umstrittenen Platzverweis für Timothy Chandler (43.) für die Niederlage verantwortlich machte. "Die Hoffenheimer haben verdient gewonnen", stellte Hecking fest, "sie waren schon vor dem Rückstand und der roten Karte die bestimmende Mannschaft. Wir konnten sie mit unseren Möglichkeiten nicht in Verlegenheit bringen." Spätestens nach dem 0:2 (56.) war Ruhe im Karton, nachdem es zuvor mit fünf gelben und einer roten Karte heiß hergegangen war und später auch noch Marvin Compper wegen einer Notbremse runter musste (90 + 1).

Den Ibisevic-Toren war maßge schneiderte Vorarbeit von Fabian Johnson vorausgegangen. Der Allrounder spielte – aus traurigem Anlass – linker Verteidiger und interpretierte die Rolle ebenso offensiv wie überzeugend. Edson Braafheid musste am Vorabend abreisen, nachdem ihn die Nachricht vom Tod seiner Oma ereilt hatte. Betreuer und Busfahrer Matthias Bauer betrauerte den Tod seiner Mutter. Der mitfühlende Stanislawski sprach von einem "traurigen Tag". In sportlicher Hinsicht gab’s da- gegen wenig auszusetzen. "Wir haben bewiesen, dass wir auch mit Druck umge- hen können", meinte der Trainer, "fuß- ballerisch brauchen wir uns vor keinem Gegner zu verstecken." Fast hatte man vergessen, wie gut die Kraichgauer kicken können.

Auch der Manager sah sich bestätigt. "Wir sind besser als die Mannschaften, die hinter uns stehen, aber unsere Vorteile kommen nur zur Geltung, wenn wir kompakt stehen und auch kämpferisch dagegen halten", erklärte Ernst Tanner. Das 2:0 in Nürnberg und die Aussicht auf Siege gegen Berlin und im Pokal gegen Augsburg machen Veränderungen in der Winterpause unwahrscheinlicher.

Chinedu Obasi, so Tanner, sei nicht abgeschrieben. Wegen Schlafstörungen habe er Tabletten genommen und sei möglicherweise deshalb zu spät zum Training gekommen. Einen ausgeschlafenen Eindruck macht derweil Ibisevic. Zwar glaubt Tanner, dass ein Wechsel zum englischen Abstiegskandidaten Blackburn keine überzeugende Alternative sei, doch wenn ein entsprechendes Angebot kommt, müsse man reden. Das meint auch der Profi. Eine Liebe ohne Wenn und Aber schaut anders aus – doch wir sind nun mal nicht im Standesamt. 

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