Der Funke muss überspringen
1899 Hoffenheim baut im Krisengipfel am Sonntag gegen den VfB auf seine Fans
1899 Hoffenheim baut im Krisengipfel am Sonntag gegen den VfB auf seine Fans
Vor knapp fünf Monaten sah es ganz danach aus, als ob die TSG 1899 Hoffenheim einen völlig missratenen Saisonstart ganz schnell vergessen machen könnte. "Im ICE unterwegs", titelte die Rhein-Neckar Zeitung nach dem souverän herausgespielten 3:0 (1:0)-Erfolg bei an diesem Mittwochabend allerdings schwachen Stuttgartern. Nach dem ersten Pflichtspielsieg drei Tage zuvor gegen Hannover (3:1) schien die Mannschaft von Trainer Markus Babbel durch den neuerlich gelungenen Auftritt das 0:4-Pokaldebakel beim Berliner AK und die anschließenden Bundesliga-Niederlagen in Gladbach (1:2), zu Hause gegen Eintracht Frankfurt (0:4) und in Freiburg (3:5) gut weggesteckt zu haben. Also doch Europa-League – wie von Babbel vorm Rundenstart allzu großspurig angekündigt – anstatt Abstiegskampf?
Doch knapp 48 Stunden nach dem vermeintlichen Befreiungsschlag verunglückte Boris Vukcevic (22) schwer und ein geschocktes 1899-Team kämpfte sich tags darauf zu einem torlosen Remis gegen Augsburg. Seitdem hat sich die Mannschaft, mittlerweile von Marco Kurz betreut, nicht wieder erholt und befindet sich in der schwierigsten sportlichen Situation seit dem Eintritt ins Oberhaus.
Immerhin, zwei Tage vorm Krisengipfel gegen die Schwaben (Sonntag, 17.30 Uhr), konnte Manager Andreas Müller gestern positive Nachrichten von Vukcevic, der im Hinspiel noch für seine TSG auf dem Platz stand, vermelden. "Ich war angenehm überrascht über seinen Zustand und habe einen sehr positiven Eindruck von Boris", sagte Müller, der im Beisein von Vukcevics Mutter eine dreiviertel Stunde mit dem Reha-Patienten verbringen konnte. "Es war schön zu sehen, dass er eine wahnsinnige Kämpfernatur ist", fügte Hoffenheims Manager hinzu, erklärte aber auch: "Es waren ein bis zwei Schritte dabei, die für ihn einen großen Sprung nach vorne bedeutet haben. Aber es wird noch lange dauern, bis er wieder ganz gesund sein kann." Auch wir von der RNZ wünschen Boris Vukcevic auf dem langen Weg bis zu seiner völligen körperlichen Wiederherstellung alles Gute.
Seinen Mannschaftskameraden sollten die erfreulichen Nachrichten Auftrieb geben. Denn mit viel Rückenwind gehen Kapitän Andreas Beck und Co. nach dem 0:1 in Hannover nicht ins richtungsweisende Derby. Trainer Kurz fordert deshalb eine energische Vorgehensweise des Tabellen- 16. gegen die seit fünf Partien punktlosen Spieler von Bruno Labbadia. "Wir brauchen mehr Brutalität vor dem Tor und Klarheit in den Aktionen", sagt Kurz, gebürtiger Stuttgarter, wie Manager Müller. "Brutal" zwar, aber nicht durch überhartes Einsteigen den Gegner verletzen. Ob so der erst zweite "Dreier" gegen die Cannstätter gelingen kann?
Personell wird sich gegenüber dem Auftritt in Hannover wenig ändern. Roberto Firmino fehlt wegen der fünften Gelben Karte. Im Tor wird Heurelho Gomes stehen, der am Freitag seinen 32. Geburtstag feierte und der den spielentscheidenden Patzer gegen die 96er hoffentlich gut verkraftet hat. Und was macht Tim Wiese? Der Ausgemusterte wird vorläufig nicht in den Kader zurückkehren und weiter nur Tribünengast in der Sinsheimer Rhein-Neckar Arena sein. "Kein Zeitfenster" gäbe es beim ehemaligen Nationaltorwart, der gemeinsam mit Mittelfeld-Rackerer Tobi Weis Anfang der Woche einen unrühmlichen Auftritt beim Rosenmontagsball in Neckarsulm hatte. "Gomes und Koen Casteels decken die Torhüterposition ab", so Kurz auf RNZ-Anfrage, Weis indes wird laut Kurz trotz seines Ausrutschers im Aufgebot zu finden sein.
Im Klassenkampf bauen die Kraichgauer auf ihre Fans. "Der Funke muss, so wie gegen den SC Freiburg, vom Spielfeld auf die Tribüne überspringen", hofft Kurz. Bis gestern waren 27 000 Karten verkauft. Spannend, ob 1899 diesmal wieder im ICE unterwegs ist – oder in rasender Geschwindigkeit weiter in Richtung zweite Liga düst.