1899 Hoffenhehim

Wenn die einen nicht wollen ...

... und die anderen nicht können - Die TSG bleibt trotz Pleite Vierter

06.05.2018 UPDATE: 06.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 9 Sekunden

Wenn die einen nicht wollen und die anderen nicht können

Nach einer guten halben Stunde wurde es laut in der Mercedes-Benz Arena. Und das, obwohl der Ball auf dem Stuttgarter Rasen gerade gar nicht rollte. Auf der Anzeigetafel blinkte der neue Zwischenstand aus Frankfurt auf: 1:0. Für die Eintracht gegen den HSV. Es mag eine natürliche Reaktion des Publikums gewesen sein, weil viele offenbar nichts gegen den ersten Abstieg überhaupt des seit Jahren darbenden Dinos aus der Hansestadt hätten. Dennoch musste der neutrale Beobachter staunen ob der Begeisterung, die nicht minder zum Ausdruck kam, als der zweite Frankfurter Treffer in Bad Cannstatt verkündet wurde. Schließlich spielt der VfB längst nicht mehr gegen den Abstieg und könnte sogar noch auf einen Europapokalplatz rutschen. Nicht der HSV, sondern vielmehr Tabellennachbar Frankfurt heißt dieser Tage eigentlich der Schwaben-Kontrahent. Der Verdacht liegt also nahe, dass beim Aufsteiger die Lust auf internationale Abenteuer in der kommenden Saison gar nicht so groß ist.

Ganz anders bei der TSG. Auch wenn es für "Hoffe" zugegebenermaßen um reizvollere Dienstreisen geht, Duelle gegen Real statt Razgrad winken. Von "gemischten Gefühlen" berichtete Kapitän Kevin Vogt nach dem enttäuschenden 0:2. Schließlich habe man einerseits eine große Chance vertan, die Königsklasse schon am vorletzten Spieltag zu erreichen. Andererseits "haben wir nun am Samstag das Endspiel, das wir uns vor ein paar Wochen alle gewünscht haben". Nadiem Amiri schlug in die gleiche Kerbe: "Das ist für jeden Fußballer das Geilste - wir haben ein Finale gegen Borussia Dortmund, was gibt es Schöneres!?"

Die unterschiedlichen tabellarischen Ambitionen im Ländle spiegelten sich auf dem Rasen wider: Die einen, die Weißen mit dem roten Brustring, wollten gar nicht. Und die anderen, die wollten, konnten nicht - genau so sahen die 90 Minuten dann auch aus. Aberwitzige 25 zu sechs Torschüsse zählten die Statistiker. "Die letzten 20 Minuten standen die ja mit neun Mann im eigenen Strafraum - Wahnsinn", haderte Julian Nagelsmann.

Was der TSG-Trainer wohl gedacht haben mag, als VfB-Coach Tayfun Korkut während der Pressekonferenz behauptete, wegen Spielen wie diesem "lieben wir alle den Fußball"? Eine gewagte These, wenngleich es dem 44-jährigen Deutsch-Türken eher um die Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse ging. Dass sich der spielerisch arg limitierte VfB unter Korkut zum Europapokal-Anwärter gemausert hat - und dass sich die TSG an den schwäbischen Maurermeistern die Zähne ausbiss - ist wenig schmeichelhaft für die Gesamtbewertung der Bundesliga. Zumal sich auch "Hoffes" Widersacher aus Dortmund und Leverkusen seit Wochen eher nach Europa stolpern als spielen. So wie sich die hochbegabten Borussen gegen Kellerkind Mainz von ihrem Heimpublikum verabschiedeten, könnte man glauben, die Schwarz-Gelben hätten kein gesteigertes Interesse daran, ihren dritten Platz zu behalten. "Die sind nicht gut drauf", diagnostizierte Amiri aus der Ferne zutreffend: "Ich glaube, wir können sie packen."

Die Ausgangslage ist simpel: Gewinnt die TSG mit mehr als einem Tor Vorsprung, überflügelt sie den BVB und wird Dritter. Der 21-jährige gebürtige Ludwigshafener kann das finale Kräftemessen jedenfalls kaum erwarten: "Wir haben jetzt schon wieder Bock auf Samstag", sagte Amiri nur wenige Minuten nach dem Abpfiff in Stuttgart.

Doch sollten am Samstag erneut diejenigen, die zweifelsohne wollen, nicht können - dann bleibt den 1899-Anhängern nur noch die Hoffnung, beim Blick auf die Anzeigetafel jubeln zu dürfen. Werden dort mehrheitlich Tore von Hannover 96 in Leverkusen angezeigt, würde es reichen für Rang vier - und mit Sicherheit auch in der Rhein-Neckar-Arena richtig laut werden.