Kai Kircher (v.l.) mit Gastmüttern und Studenten: Martina Kulozik, Tor Jansson, Susanne Rögler, Emily Labedz, Claudia Breuer und Ilana Novakoski. Foto: Hentschel
Von Denis Schnur
Heidelberg. Weihnachten ist wohl die Zeit, in der nur wenige Studenten in Heidelberg sind: Wer kann und nicht hier aufgewachsen ist, fährt meist in die Heimat - zu Familie und Freunden, die man sonst selten sieht. Emily Labedz, Ilana Novakoski und Tor Jansson bilden da eine Ausnahme: Die drei US-Amerikaner nehmen am Parlamentarischen Patenschaftsprogramm teil. Ein Jahr verbringen sie in Deutschland, den größten Teil davon in Heidelberg - jedoch mit der Einschränkung, dass sie zwischendurch nur in Ausnahmefällen nach Hause dürfen.
Weihnachten 7000 Kilometer entfernt von Zuhause - ist das nicht schwierig? "Ein bisschen schon", gesteht Emily. "Aber es hilft, dass wir hier eine gute Familie haben. Für meine Familie in den USA ist es wahrscheinlich schlimmer", so die Soziologie-Studentin. Die drei leben seit Oktober in drei Gastfamilien und sind dort fest in den Alltag eingebunden. Zuvor verbrachten sie drei Monate in Köln oder Radolfzell, wo sie ihr Deutsch verbesserten. Hier besuchen sie nun Vorlesungen an der Uni, betätigen sich ehrenamtlich - sie helfen im Regisitrierzentrum für Flüchtlinge in Patrick-Henry-Village - und absolvieren im nächsten Jahr ein Praktikum.
"Bei dem Patenschaftsprogramm geht es aber in erster Linie um Kulturaustausch", betont Kai Kircher, der die Studenten betreut. Sie machen hier keine Abschlüsse, sondern sollen sich integrieren und in der Heimat Verständnis für das jeweils andere Land schaffen - so die Idee des Programms, das der amerikanische Kongress und der Bundestag 1983 initiierten. Und bei Emily, Tor und Ilana scheint das zu funktionieren: "Ich bin sehr zufrieden hier", erklärt Tor, der in den USA seinen Bachelor in Biologie macht und fachlich etwas mitnehmen möchte: "In meinem Bereich ist Deutschland nach wie vor sehr wichtig." Ilana ist vor allem von der Hilfsbereitschaft angetan: "Das hat mich sehr beeindruckt", so die Chemikerin, die bei der Familie von Claudia Breuer lebt.
Damit tritt sie in die Fußstapfen zweier Vorgänger, die auch von der RNZ vorgestellt wurden: "Im ersten Artikel stand, dass Gasteltern gesucht werden. Da habe ich gleich gewusst: Das mache ich", erzählt Breuer. Die Erfahrungen mit dem ersten Gaststudenten waren dann so gut, dass für sie klar war: "Da bleibe ich dabei." Auch Susanne Röger ist durch den Artikel auf das Programm aufmerksam geworden. "Bei uns ist das eine Familientradition", betont sie. Schon als sie selbst noch Schülerin war, lebten amerikanische Studenten im Haus, zu denen bis heute teilweise Kontakt bestehe. Die eigenen Kinder seien mittlerweile aus dem Haus.
Ähnlich geht es auch Martina Kulozik, die Tor bei sich aufgenommen hat. Ein Brief ihrer Freundin Claudia Breuer überzeugte sie vergangenes Jahr, eine Studentin aufzunehmen. Mittlerweile ist auch der dritte ihrer Söhne ausgezogen, und da sei es sonst "zu einsam" im Haus. Da kommt Tor gerade richtig, auch wenn das Familienleben für ihn ungewohnt ist: "Meine Verwandten in den USA sind ziemlich verteilt, hier sind alle nah beieinander. Ich genieße das." Bei Emily herrscht gewissermaßen das Kontrastprogramm vor: "Meine Familie hier ist wie meine zu Hause. Das passt richtig gut", so die 23-Jährige. Essen und Kultur seien natürlich anders, aber beim Musikgeschmack trifft man sich wieder: "Zum Todestag von John Lennon vor zwei Wochen, trugen wir beide Trauer", lacht Susanne Rögler.
Zumindest in den nächsten Tagen hat es aber Ilana wohl am besten: "Meine Familie kommt mich über die Feiertage besuchen", freut sie sich. Als einzige kann sie also Weihnachten mit gleich zwei Familien feiern.
Info: Wer ab Oktober 2017 einen US-Studenten aufnehmen möchte, wendet sich an Kai Kircher, Telefon: 0151/21666375. Informationen unter www.bundestag.de/ppp.