Von Sebastian Riemer
Prof. Dr. Hans-Werner Huneke ist seit 1. Oktober neuer Rektor der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (PH). Der bisherige Prorektor an der Freiburger PH tritt als Nachfolger von Annelie Wellensiek, die im Juni nach schwerer Krankheit verstorben war, ein großes Erbe an, denn Wellensiek hatte die PH aus der Finanzkrise geführt und sie als "University of Education" völlig neu aufgestellt. Im RNZ-Gespräch nimmt der 59-Jährige zu den Herausforderungen seiner Amtszeit Stellung.
Herr Prof. Huneke, haben Sie Angst vor der Landtagswahl nächstes Jahr?
Nein. Ob mit der jetzigen oder einer neuen Regierung - wir arbeiten gemeinsam mit der Politik sachorientiert und unideologisch weiter. Das war auch beim letzten Regierungswechsel so, als Grün-Rot die von Schwarz-Gelb vorbereitete Reform der Lehramtsstudiengänge umsetzte. Die jetzige Bachelor-/Master-Reform ist der nächste Schritt auf diesem Weg.
Begleitend starten PH und Uni gemeinsam "heiEducation". Was ist dabei der konkrete Mehrwert für die Lehramtsstudenten?
Im Campus Bergheim gibt es bald eine Anlaufstelle, wo Lehramtsstudierende qualifizierte Beratung bekommen, die sie auf dem ganzen Weg vom Studienbeginn bis zum Berufseinstieg begleitet. Das schließt auch den Übergang von der Bachelor- in die Masterphase mit seinen verschiedenen Optionen ein. Zudem wird "heiEducation" dazu beitragen, dass die drei wesentlichen Komponenten des Studiums - Bildungs- und Fachwissenschaft sowie Fachdidaktik - stärker verzahnt werden. Auch das ist eine gute Nachricht für Studierende.
Die Lehramtsreform will zweierlei: Studenten noch besser auf den Lehrberuf vorbereiten, zugleich aber auch ermöglichen, nach dem Bachelor andere Berufswege einzuschlagen. Sind diese Ziele überhaupt vereinbar?
Ja, und es wird künftig leichter sein als bisher. Der Bachelor enthält die bildungswissenschaftlichen Anteile, aber der Fokus ist nicht so eng, dass es nur den einen Weg gibt. Der Bachelor gibt grundlegende Orientierung in den jeweils studierten Fachwissenschaften.
Aber wie soll der Student herausfinden, ob der Lehrerberuf ihm liegt, wenn er im Bachelor nur zwei oder drei Wochen an einer Schule ist?
Ich denke, dass das begleitete Orientierungspraktikum diese Selbsterklärungsfunktion bietet. Dort lernen die Studierenden, ihre Lehrtätigkeit zu reflektieren. Und auch die fachwissenschaftliche Ausbildung ist ja berufsbezogen. Wer Deutsch studiert, lernt Germanistik am Beispiel der Inhalte, die im Lehrerberuf relevant sind.
Mit der Reform wird die klassische Zweiteilung der Lehrerbildung aufgeweicht. Werden in Zukunft überhaupt noch beide Hochschultypen gebraucht?
Ja. Denn wo die Lehrerausbildung nur an Universitäten stattfindet, entsteht das Risiko der mangelnden Berufsbezogenheit. Hochschulen mit einem bildungswissenschaftlichen Schwerpunkt wie ihn die Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg haben sind weiterhin sinnvoll und wertvoll.
Die vielen Flüchtlinge in Deutschland zu integrieren, ist eine gesellschaftliche Herausforderung - und eine große Bildungsaufgabe. Was kann die Pädagogische Hochschule da beitragen?
Interkulturelles Lernen und Sprachförderung spielen in unseren Ausbildungskonzeptionen schon lange eine zentrale Rolle. Aber wir werden auch konkret unserer Verantwortung gerecht: Noch in diesem Semester wollen wir eine begleitende Zusatzausbildung "Deutsch als Fremdsprache" speziell für Lehrkräfte anbieten. Ebenso wollen wir ein Kontaktstudium auf die Beine stellen für Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren und sich interkulturelle Kompetenzen aneignen wollen. In der Forschung begleiten wir das Thema Integration von Flüchtlingen zum Beispiel mit dem Kooperationsprojekt "Asylsuchende in Heidelberg" (siehe Hintergrund).
Sechs Prozent der PH-Lehramtsstudenten haben einen Migrationshintergrund. Muss es nicht auch ein Ziel sein, diesen Anteil zu erhöhen?
Ja, das ist ganz klar unser Ziel. Wir müssen und werden die Ansprache an diese Zielgruppe weiter verstärken. Dabei spielt das bei uns angesiedelte Heidelberger Zentrum für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik eine wichtige Rolle.
Sie sind zunächst für sechs Jahre gewählt. Was wollen Sie, neben "heiEducation" und Flüchtlingsthematik, in dieser Zeit angehen?
Wir sind ja nicht nur eine lehrerbildende Hochschule. Wir sind zum Beispiel stark aufgestellt in der Frühkindlichen Bildung und der Gesundheitsförderung. Wir haben - neben unserer Expertise im Bereich Inklusion - einen bundesweiten Auftrag im Bereich der Sonderpädagogik - und zwar als Forschungs- und Ausbildungsstandort. All diese Bereiche wollen wir weiter ausbauen, auch was den Anteil der Studierenden angeht.
Das würde auf Kosten der Lehramtsstudienplätze gehen.
Aktuell studieren rund drei Viertel unserer Studierenden einen Lehramtsstudiengang. Eine Zwei-Drittel-Verteilung ist durchaus denkbar. Wir müssen als Hochschule flexibel bleiben, unsere Stärken betonen und uns an den Bedarf anpassen. Eine Monostruktur sollten wir vermeiden.
Was ist denn aus Ihrer Sicht die wichtigste Eigenschaft eines Lehrers?
Interesse an Kindern und Jugendlichen. Gute Lehrkräfte interessieren sich für ihre Schülerinnen und Schüler und für deren Perspektive auf ihr Fach.
Lernt man dieses Interesse im Lehramtsstudium oder ist das eine persönliche Voraussetzung?
Ich glaube nicht, dass man zum Lehrer geboren ist. Gewisse Persönlichkeitsmerkmale - wie Offenheit oder Freude an der Kommunikation - sollte man zwar mitbringen, aber alles andere ist eine Frage der Ausbildung. Im Integrierten Semesterpraktikum entwickelt sich dieses Interesse an Schülerinnen und Schülern und deren Sichtweise besonders stark.
Haben Sie sich damals vom Studium gut auf den Lehrberuf vorbereitet gefühlt?
Sagen wir so: Ich habe den ersten Schüler am zweiten Tag meines Vorbereitungsdienstes gesehen. Das war ein Risiko und es ging zum Glück gut, denn dann habe ich schnell gemerkt, dass es der richtige Beruf für mich ist. Und vorher im Studium habe ich das Fachwissen erworben.
Waren Sie schon in "Fack Ju Göhte 2", einem Kinofilm, den kaum ein Schüler in Deutschland versäumt?
Noch nicht, aber ich werde reingehen. Den ersten Teil habe ich gesehen.
Kann man als künftiger Lehrer etwas von den unkonventionellen Methoden des von Elyas M’Barek gespielten Lehrers Zeki Müller lernen?
Ich glaube, ehrlich gesagt, dass unsere Lehramtsstudierenden das noch besser können. Die sind nicht so auf Effekte angewiesen und gehen sensibler vor im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern. Das lernen sie schließlich bei uns.