Videos über Gewalt unter Jugendlichen bewegen eine Stadt
Ein runder Tisch arbeitete die per Video verbreiteten Attacken auf. Polizei: Die Vorfälle sind eher selten. Bülent Ceylan erwähnte Präventionsprojekt in Talkshow.

Weinheim. (cab) Die Vorfälle ereigneten sich Anfang Juli. Aber sie bewegen Schüler, Eltern und die Akteure der Weinheimer Präventionsarbeit noch immer. Eigentlich die ganze Stadtgesellschaft. Am Samstag, 9. Juli, gingen zwischen 18 und 19 Uhr mitten in der Zweiburgenstadt, am Anfang der Fußgängerzone, zwei 12 und 13 Jahre alte Jungen auf zwei Gleichaltrige los, beleidigten sie, schlugen sie und ließen sie vor sich auf die Knie gehen. Einer der Angreifer soll mit einem Messer bewaffnet gewesen sein.
Schon am Vortag gab es einen gewaltsamen Vorfall zwischen zwei Jugendlichen, bei dem der zwölf Jahre alte Angreifer vom Samstag das Opfer gewesen sein soll. Zu beiden Attacken existieren Videos, die schnell die ganz große Runde machten. Die Verwaltung reagierte. Auf Einladung von Oberbürgermeister Manuel Just und des Bildungsamts gab es vergangene Woche intern einen Runden Tisch, der die Vorgänge aufarbeitete.
Die Schulleitungen waren laut einer Mitteilung dabei, Lehrkräfte und auch Endrik Ebel vom Staatlichen Schulamt. Dazu Akteure der Schulsozialarbeit, das Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises sowie der Gesamtelternbeirat, der Jugendgemeinderat, der Stadtjugendring und auch die Polizei.
Fassungslos waren die Experten nicht nur über die Brutalität der Taten, sondern auch über die Teilnahmslosigkeit der Passanten gerade bei dem Vorfall vom Samstag in der Fußgängerzone. Die Aufnahmen zeigen: Viele gingen vorbei, niemand schritt ein. Niemand alarmierte die Polizei. Diese erfuhr von dem Angriff nach RNZ-Informationen erst, als sich eines der Opfer selbst meldete.
Der Leiter des Weinheimer Polizeireviers, Holger Behrendt, teilte mit, dass die Verdächtigen ermittelt und befragt worden seien. Und er betonte, solche Vorfälle seien sehr selten. Das Problem der Jugendgewalt schätze man als eher gering ein. Gleichwohl: Gerade auch die Tat vom Samstag müsse man ernst nehmen.
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"Das Problem entsteht im Elternhaus", so Oberbürgermeister Just. Die Eltern bräuchten Unterstützung, meinten auch die Schulsozialarbeiterinnen. Doch die Schulen würden an Grenzen stoßen, sagte Ebel. Sie würden sich mehr Kontakte zu den Elternhäusern wünschen, mehr Zeit – und mehr Personal, hieß es.
Das Jugendamt werde mehr als Aufsichtsbehörde wahrgenommen, und kurzfristige Termine bei Kinderpsychologen oder Beratungsstellen seien rar. Kurz: Es müsse mehr Experten geben, die dabei helfen, dass es zu solchen Vorfällen gar nicht erst kommt.
Und sicher muss man sich auch der jungen Opfer annehmen, die bedroht, geschlagen und gedemütigt wurden. Es muss also was passieren in der Prävention. Die Weinheimer Experten wollen sich im Herbst wieder treffen. Bis dahin soll auch ein Netzwerk gegen Gewalt unter Heranwachsenden erörtert werden.
Es ist aber nicht so, dass sich in Weinheim nicht schon lange etwas täte. Gerade auf Schulebene. Jüngstes Beispiel ist das Werner-Heisenberg-Gymnasium (WHG). Das gehört jetzt zu einem Netzwerk von etwa 3500 Schulen und darf sich "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" nennen, die sich gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt stellt. Das Prädikat wurde im Rahmen eines kleinen Festaktes verliehen.
Prominente Paten des Schulprojekts sind die Krimi-Autorin Ingrid Noll und Comedian Bülent Ceylan. Dieser saß am vergangenen Freitag in der WDR-Talkshow "Kölner Treff", sprach über sein neues Buch, über Mobbing und Gewalt. Beides hat er selbst als Schüler über sich ergehen lassen müssen.
Schülern, die heute Ähnliches erleben, will er Mut machen, dass sie sich rechtzeitig anderen anvertrauen. "Ich war gerade wieder an einer Schule, in Weinheim am Werner-Heisenberg-Gymnasium", sagte Ceylan und erwähnte lobend dessen Aufnahme in das Netzwerk. Und er sprach ein Video an, das jetzt wieder rumgehe, in dem "Kinder Kinder mobben". Er werde nie wieder auf die Knie gehen, sagte Ceylan. Damals hat er niemandem davon erzählt.