Sperrzeiten in Heidelberg

Bald soll der Altstadt-Lärm gemessen werden

Der Bürgerinitiative "Linda" zufolge sei die Situation "viel schlimmer als letztes Jahr". Nun will der Verwaltungsgerichtshof Lärmgutachten in Auftrag geben.

23.07.2022 UPDATE: 23.07.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 12 Sekunden
Blick über die Dächer der Altstadt.  Foto: Hörnle

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Zwei Jahre war es ruhig im Streit um nächtlichen Lärm in der Altstadt. Doch nach mehreren Lockdowns, 2G- und 3G-Regelungen brechen die alten Konflikte zwischen den Feiernden und einigen Anwohnern wieder auf. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) über die Rechtmäßigkeit der aktuellen Kneipenöffnungszeiten (siehe Hintergrund) steht noch aus. Um diese Frage zu klären, wird der Sechste Senat in den nächsten Wochen ein Lärmgutachten in Auftrag geben.

Geht von den Gaststätten so viel Krach aus, dass er die Anwohner um den nächtlichen Schlaf bringt und ihre Gesundheit gefährdet? Das behaupten 31 Kläger. Sie wollen, dass das Gericht Sperrzeiten von 0 Uhr werktags und 2.30 Uhr am Wochenende durchsetzt.

"Es ist viel schlimmer als letztes Jahr", sagt Christoph Egerding-Krüger, der sich seit Jahren in der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) engagiert. Ständig werde er mitten in der Nacht von Gruppen, die grölend durch die Gasse ziehen, geweckt. "Das geht bis 5 Uhr morgens." Viele Anwohner seien frustriert und meldeten die Ruhestörungen gar nicht mehr bei Polizei und Stadt. Egerding-Krüger: "Sie wissen, dass das doch sowieso nichts bringt."

Dass ein neues Lärmgutachten nötig ist, hatte der VGH im Juli 2020 entschieden. Doch der Rechtsstreit lag wegen der Corona-Pandemie auf Eis. Noch immer gibt es keinen richterlichen Beschluss, der festlegt, welche Fragen genau das Gutachten beantworten soll, wo die Messpunkte eingerichtet werden und welches Büro den Auftrag für die Untersuchung bekommt.

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Ein Gerichtssprecher sagt aber auf RNZ-Anfrage: "Der Beweisbeschluss wird in den nächsten Wochen kommen." Da zuvor sowohl die klagenden Anwohner als auch die Stadt angehört werden müssen, kann er noch kein genaues Datum nennen.

In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht im Sommer 2019 den Klägern Recht gegeben. Die Karlsruher Richter forderten den Gemeinderat auf, strengere Sperrzeiten zu beschließen. In den besonders von Lärm belasteten Gebieten der Altstadt sollten die Kneipen demnach künftig werktags um Mitternacht schließen. Doch der Gemeinderat widersetzte sich und ging in Berufung. Und der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof schlug dann fast ein Jahr später eine gerichtliche Mediation vor, um den Streit zu befrieden.

Dieses Vergleichsangebot schlugen wiederum die Kläger aus, weshalb nun das neue Lärmgutachten in Auftrag gegeben wird. Die alten Daten von 2016 könnten nicht mehr zur Rate gezogen werden, so der VGH, zu viel habe sich geändert. Ein Argument: Auch die "Spätis", die Nachtkiosks, zögen viel Publikum an. Deren Lärm könne nicht den Kneipengängern angelastet werden. Zudem versuche die Stadt, mit flankierenden Maßnahmen wie den Nachtbürgermeistern und einer Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes für mehr Ruhe zu sorgen. Das Recht auf eine strengere Sperrzeitverordnung bestehe erst, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Lärmreduzierung ausgeschöpft wurden – und wenn feststehe, dass die Gesundheit der Anwohner durch lang geöffnete Kneipen gefährdet sei.

Zur aktuellen Situation in der Altstadt sagt ein Stadtsprecher: "Das Beschwerdeaufkommen ist im Vergleich zu den Vorjahren nicht gestiegen, aber auch nicht eklatant zurückgegangen." Die Situation an der Alten Brücke, wo sich letzten Sommer viele Menschen getroffen hatten, habe sich durch eine engmaschige Kontrolle durch Ordnungsdienst und Polizei entspannt. Ein erhöhtes Aufkommen von Straftaten im Vergleich zu den vergangenen Jahren sei in der Altstadt nicht festzustellen, heißt es von der Polizei. "Im Bereich der Unteren Straße und der Altstadt werden nach wie vor Ruhestörungen gemeldet oder es kommt vereinzelt zu Körperverletzungsdelikten", so ein Polizeisprecher: "In den meisten Fällen handelt es sich um alkoholisierte Beteiligte."

In der Altstadt bewegten sich die Fallzahlen in den letzten Jahren gleichbleibend bei rund 200 bis 220 eingeleiteten Strafverfahren wegen Körperverletzung. Im Jahr 2020 wurden dem Polizeirevier Mitte 20 Belästigungen durch Gaststättenlärm gemeldet. 2021 waren es 25. "In diesem Jahr stellen wir eine leicht steigende Tendenz fest", so die Polizei: "Bei den Lärmbelästigungen in der Altstadt ohne direkten Bezug zu Kneipen bewegen wir uns auf dem Niveau der Vorjahre." 2021 waren es 266.


Sperrzeiten - was gerade gilt

> Die aktuelle Sperrzeitsatzung für die östliche Altstadt wurde am 17. Oktober 2019 mit 22 zu 20 Stimmen vom Gemeinderat verabschiedet. Seitdem dürfen die Kneipen werktags bis 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag bis 4 Uhr ihre Gäste bewirten. Zugleich legten die Stadträte Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (VG) ein, das die Kneipenöffnungszeiten werktags auf Mitternacht und am Wochenende auf 2.30 Uhr begrenzen wollte.

> Nicht die ganze Altstadt ist betroffen: Die strengeren Sperrzeiten gelten nur in dem Bereich mit der höchsten Gaststättendichte. Er wird im Norden durch den Neckar und im Süden durch die Plöck begrenzt. In West-Ost-Richtung reicht er in etwa vom Kurpfälzischen Museum bis zum Völkerkundemuseum. In der restlichen Altstadt beginnt die Sperrzeit wie in ganz Baden-Württemberg werktags um 3 Uhr, an Wochenenden um 5 Uhr.

> Es gab schon mehrere Verfahren: Ab 1. Januar 2017 durften die Kneipen in den Nächten auf Freitag ("studentischer Donnerstag") bis 4 Uhr öffnen, an den restlichen Tagen bis 2 Uhr. Doch diese Regelung wurde vom Verwaltungsgerichtshof gekippt. Das Lärmgutachten von 2016 zeige, dass die Gesundheit der Anwohner gefährdet sei. Nach dem Urteil verabschiedete der Gemeinderat Sperrzeiten von 4 Uhr samstags und sonntags, 3 Uhr (Nacht zum Freitag) und 1 Uhr, die wiederum das Verwaltungsgericht kassierte. hob

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