Wie können die Kommunen die Herausforderungen meistern?
Der Städtetag Baden-Württemberg diskutierte in Heidelberg über den Klimawandel. Oberbürgermeister Würzner fordert mehr Tempo.

Von Michael Abschlag
Heidelberg. Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Der Klimaschutz ist das zentrale Thema der diesjährigen Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg: "Stadt macht Klima – den Wandel gestalten", lautet das Motto. Und Heidelberg als Gastgeber lädt an einen Ort, der ganz nahe an seinem Vorzeige-Projekt in Sachen CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit ist: der Bahnstadt.
Wie sollen die Kommunen mit den Herausforderungen durch den Klimawandel umgehen? Wie können sie zum Klimaschutz beitragen, wie zugleich die unvermeidlichen Folgen der globalen Erwärmung bewältigen? Um diese Fragen geht es bei der zweitägigen Veranstaltung im SNP-Dome, die am Donnerstagvormittag startete. Sie selbst ist, wie man betont, natürlich komplett CO2-neutral und ressourcenschonend – von der Passivbauweise der gläsernen Arena bis hin zu den wiederverwertbaren Kaffeebechern und Salatboxen.
Stolz verweist denn auch Heidelbergs Oberbürgermeister Eckhart Würzner als Gastgeber auf Erfolge, die man bereits errungen hat. Im nahen Technologiepark wurde "die Zukunft gebaut", die Bahnstadt selbst sei "eine der größten klimaneutralen Städte, die je gebaut wurden". 80 Prozent der städtischen Mobilität habe man bereits auf CO2-neutrale Verkehrsmittel wie Bus, Bahn und Fahrrad umgelenkt. Und natürlich darf auch ein Verweis auf das gerade beschlossene 3-Euro-Ticket für junge Menschen nicht fehlen, dass sie "für den öffentlichen Nahverkehr begeistern soll".
Doch auch Würzner ist klar, dass Selbstzufriedenheit das falsche Signal wäre. Deshalb fügt er die Kritik gleich hinterher: Vielerorts gehe es immer noch zu langsam, stünden aufwändige Genehmigungsverfahren den notwendigen Maßnahmen im Weg. "Der Bau des Radschnellwegs von Heidelberg nach Mannheim dauert fünf Jahre", kritisiert er. "Das dauert zu lange, soviel Zeit haben wir nicht!" Die Bahnstadt-Bauweise werde wohl erst in 15 Jahren Standard sein – ebenfalls zu spät. Und Windräder, fordert er, müssten eigentlich genehmigungsfrei sein. "Wir sind offenbar nicht bereit, Prioritäten zu setzen, die Gesetzgebung zu entrümpeln", so sein Fazit.
Auch interessant
Auch sein Mannheimer Amtskollege Peter Kurz – amtierender Präsident des Städtetags – dämpft den Optimismus: "Wir hatten zwar durch die Pandemie eine unerwartete CO2-Minderung, aber das ist natürlich noch keine richtige Einsparung", räumt er ein. Mit Blick auf die beiden Städte an Rhein und Neckar, die bis 2030 CO2-neutral werden wollen, sagt er: "Wir sind unter den Langsamsten die Schnellsten." Oder, anders formuliert: "Wir sind näher am Pfad als andere, aber wir sind noch nicht auf dem Pfad."
An dieser Stelle kommt Gudrun Heute-Bluhm ins Spiel, die als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied alle 179 Mitglieder des Städtetags vertritt – auch jene, die weniger Geld und Möglichkeiten haben als Heidelberg und Mannheim. Sie nimmt deshalb vor allem das Land in die Pflicht: "Aufgaben wie die energetische Sanierung der Schulen liegt bei den Kommunen, die aber sind teils nicht handlungsfähig", sagt sie und: "Wärmenetze sind nicht für alle verfügbar, auch da brauchen wir das Land." Stuttgart, so die von Kern formulierte Forderung, müsse einen "Klimaschutzfonds" auf den Weg bringen, "abseits der Verschuldungsregeln". Genaue Zahlen werden erst einmal nicht genannt, Heute-Bluhm spricht aber von einem "höheren sechsstelligen Betrag" für Kredite – "etwas weniger, wenn es direkt in Projekte fließt".
Überhaupt ist die Finanzierung die eigentlich heikle Frage. Tekla Walker (Grüne), als Südwest-Umweltministerin die Vertreterin der Landesregierung, will aber ebenfalls keine konkreten Zahlen nennen, geschweige denn Versprechen abgeben. "Da sind uns mit dem Haushalt und der Schuldenbremse Grenzen gesetzt", sagt sie. "Anders als der Bund können wir auch keinen Schattenhaushalt mit Sondervermögen aufbauen. Da sehe ich, ehrlich gesagt, ein Problem." Immerhin verweist sie auf die Förderprogramme des Landes: 11,5 Millionen Euro etwa gibt in einem Wettbewerb für das beste Konzept, um bis 2035 CO2-neutral zu werden.
Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future zeigt sich weder davon noch von anderen Ankündigungen beeindruckt. "Heidelberg kann nicht mit leeren Worten beeindrucken, der große Umsetzungsstau muss endlich aufgelöst werden", teilte sie per Pressemitteilung mit.
In einem sind sich allerdings alle einig: Selbst bei größten Anstrengungen werden sich einige Folgen des Klimawandels nicht mehr verhindern lassen. Vor dem SNP-Dome ist die Luft heiß und schwül. Vom Himmel brennt die Sonne.