Plus Badisches Staatstheater Karlsruhe

Wie ein Schiedsgericht Intendant Peter Spuhler rehabilitierte

Die fristlose Kündigung hatte keinen Bestand. Die Aufklärung erfolgte dank hartnäckiger Fragen der FDP.

09.07.2022 UPDATE: 09.07.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 26 Sekunden
Ein Bild aus offensichtlich besseren Zeiten: Die spätere Wissenschaftsministerin Theresia Bauer mit dem damaligen Intendanten des Heidelberger Theaters, Peter Spuhler, im Jahr 2010. Eine Dekade später gab es die fristlose Kündigung, die aber keinen Bestand hatte. Archivfoto: Kresin

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Den 7. Juli 2021 wird Peter Spuhler nicht so schnell vergessen. Nicht, weil es sein 56. Geburtstag war. Sondern, weil sein Arbeitgeber ihn an diesem Tag fristlos vor die Tür setzte.

Es war der unrühmliche Höhepunkt eines bühnenreifen Dramas am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Die Hauptrolle hatte Generalintendant Spuhler inne, der das Haus in seiner zehnjährigen Intendanz künstlerisch weit nach vorne gebracht und dabei die Besucherzahlen erhöht hatte. Doch intern knirschte es. Der Personalrat ging an die Öffentlichkeit, Mitarbeiter demonstrierten. Bestaunt wurde nicht mehr die hohe, vielfach prämierte Kunst, sondern ein Netz aus Intrigen und Anschuldigungen. Ein Eklat mit bundesweiter Aufmerksamkeit.

Politiker mögen keine Eklats. Und die beiden wichtigsten Chefs von Spuhler waren Politiker. Für die Spitze des Verwaltungsrates des Staatstheaters standen damals – wir schreiben November 2020 – wichtige Wahlen bevor: Die Grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hatte im März 2021 eine Landtagswahl zu gewinnen, und der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD), wollte am 7. Dezember 2020 wiedergewählt werden.

Der Druck war groß, die Rückendeckung nicht. So kam es, dass sich Spuhler im November 2020 bereit erklärte, seinen erst kurz zuvor bis ins Jahr 2026 verlängerten Vertrag vorzeitig aufzulösen. Das Aufsichtsgremium und der Intendant verabredeten, sich in den nächsten Monaten über die Details zu einigen. So teilte es Bauer im Anschluss vor der Presse mit. Geplantes Arbeitsende: der 31. Juli 2021.

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Doch dann kam alles anders. Bauer und Mentrup gewannen zwar ihre Wahlen – der "Fall Spuhler" hatte also keinen negativen Einfluss auf das jeweilige Ergebnis gehabt. Aber statt einer gütlichen Einigung kam sieben Monate später die fristlose Kündigung. Mit unüberhörbarer Begleitmusik: Die neueste Entwicklung wurde auf der Homepage des Ministeriums als Pressemitteilung publiziert.

Jeder Arbeitgeber ist per Gesetz verpflichtet, die Schutzrechte seiner Arbeitnehmer zu wahren. Eine fristlose Kündigung ist ein Angriff. Sie bedarf eines triftigen Grundes. Welchen, wollte der FDP-Landtagsabgeordnete Nico Weinmann vier Tage nach Spuhlers Rauswurf von Wissenschaftsministerin Bauer wissen. Bis heute kennt der Jurist aus Heilbronn die Gründe nicht. Kein Wunder. Es gibt sie nicht.

Doch zunächst wird viel Bühnennebel produziert: In ihrer Antwort auf Weinmanns Kleine Anfrage macht Bauer am 29. Juli 2021 "personaldatenschutzrechtliche Gründe" geltend, die eine genauere Auskunft verböten. Der Verwaltungsrat habe die "außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses (…) zustimmend und ohne Gegenstimme zur Kenntnis genommen". Man habe "den Generalintendanten mit sofortiger Wirkung abberufen".

Gäbe es die FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag nicht, dann wäre die Geschichte an dieser Stelle für die Öffentlichkeit zu Ende. Und besucht man die Homepage des Ministeriums, so endet sie dort auch heute noch.

Mit der Landtagswahl im Frühjahr 2021 änderte sich so einiges. Seither begleitete der Schwäbisch Haller Abgeordnete Stephen Brauer für die Liberalen das Thema. Der Oberstudienrat aus Crailsheim hakte im März 2022 nach. Ihn interessierten die "Kosten der Vertragsauflösung des Generalintendanten des Badischen Staatstheaters".

Geändert hat sich aber auch der Kündigungsfall Spuhler. Der war mittlerweile vor einem Schiedsgericht gelandet. Unbemerkt von der Öffentlichkeit. Dort einigte man sich "einvernehmlich", wie Ministerin Bauer am 20. April auf Brauers Kleine Anfrage antwortet. Eine Abfindung wurde gezahlt. Die Kündigung war damit hinfällig. Und der Schiedsspruch bereits seit 17. Februar gültig.

Diese Information findet sich aber nicht auf der Homepage des Ministeriums. Ist der Ministerin an einer öffentlichen Entlastung ihres ehemaligen Angestellten Spuhler nicht gelegen? Ein Sprecher erläutert auf RNZ-Nachfrage, Personalangelegenheiten seien "mit besonderer Sensibilität zu behandeln. Eine aktive Pressearbeit entspricht demnach nicht den Gepflogenheiten". Gleichwohl sei das Ministerium "der Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament" nachgekommen. Damit ist Bauers Antwort auf die Kleine Anfrage gemeint.

Darin heißt es ergänzend, die Parteien, also der Verwaltungsrat und der ehemalige Generalintendant, hätten "Stillschweigen über den Inhalt des Schiedsspruchs vereinbart". Doch das bezieht sich ja auf den Inhalt, nicht auf die Tatsache an sich. Insofern erstaunlich, dass zwar die fristlose Kündigung online steht, die für Spuhler entlastende Nachricht, dass die Kündigung vom Tisch ist, dagegen nicht.

Hätte das Schiedsgericht triftige Gründe für eine fristlose Kündigung gesehen, wäre es nicht zum einvernehmlichen Schiedsspruch gekommen. Das sieht auch der Liberale Abgeordnete Brauer so.

Ihn ärgert aber die Abfindung in unbekannter Höhe, die aus dem Etat des Staatstheaters gezahlt wird – parallel zum Gehalt des Nachfolge-Intendanten Ulrich Peters. Brauer findet es unmöglich, dass hier Steuergelder verschwendet würden. Ins Detail gehen darf er aber nicht. Nur im Vertrauen wurden wenige Abgeordnete im Landtag informiert.

Auch Peter Spuhler muss schweigen. Die RNZ-Anfrage beantwortet er wie folgt: "Es war eine harte Zeit, die viel Kraft verlangt hat und an der ich gewachsen bin. Beim Schiedsgericht wurde nun Klarheit hergestellt. Ich fühle mich rehabilitiert und kann von hier aus in die Zukunft blicken."

Spuhler und Bauer kennen sich übrigens schon lange. Aus Heidelberger Zeiten, wo der Theatermann von 2005 bis 2011 das hiesige Theater leitete (und gemeinsam mit der RNZ rettete). Beide duzten und schätzten sich. Im Karlsruher Staatstheater ward die Wissenschaftsministerin von Zeit zu Zeit als Zuschauerin gesehen. Genauso wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Tempi passati.

Fiel die Trennung von Spuhler deshalb so ruppig aus? Um jeden Anschein zu vermeiden, Bauer könnte befangen sein? Diente die fristlose Kündigung sozusagen als größtmögliche öffentliche Distanzierung? Alles ohne sachlichen Grund?

Es ist wieder Wahlkampf. Bauer will die Rolle wechseln. Sie legt ihr Ministeramt Ende September nieder und tritt gegen Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) an.

Die Causa Spuhler ist jetzt politisch abgeräumt. Gut möglich, dass sich die beiden mal wieder über den Weg laufen. Spuhler wohnt seit einiger Zeit in Heidelberg. Einer von rund 100.000 Wahlberechtigten.

Am 6. November ist Wahltag.

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