Mannheim

Stadt bessert beim Verkehrsversuch nach

Einige Änderungen wurden im Fachausschuss des Gemeinderats vorgestellt. Die Schranke in der Fressgasse senkt sich dauerhaft.

21.06.2022 UPDATE: 22.06.2022 20:00 Uhr 4 Minuten, 15 Sekunden
Von Richtung Ludwigshafen kommend, dürfen nur Radfahrer in die gegenüberliegende Kunststraße einfahren. Autofahrern ist das nicht erlaubt, viele ignorieren das jedoch. Deshalb fordert die IHK, dass die Stadt Verstöße stärker ahndet. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht

Das war deutlich – auch wenn sich nur jedes siebte Unternehmen an der Umfrage von IHK und Handelsverbänden beteiligte. Fast die Hälfte aller Gewerbetreibenden in den Mannheimer Quadraten lehnt den Verkehrsversuch ab. Wenige Stunden, nachdem die Ergebnisse am Dienstag bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurden, tagte der zuständige Fachausschuss des Gemeinderats. Und stellte unabhängig von Forderungen der Wirtschaftsvertreter einige Nachbesserungen vor.

> Fressgasse: Eine Schranke trennt den Abschnitt, in dem eine kleine Fußgängerzone entstanden ist, vom Durchgangsverkehr. Bislang wird sie unter der Woche und samstags von 6 bis 11 Uhr für Lieferfahrzeuge geöffnet. Damit soll ab kommenden Montag, 27. Juni, Schluss sein. Dann senkt sich die Schranke mindestens bis zum Ende des auf ein Jahr angelegten Versuchs. Wie Ulrike Kleemann von der Stadtplanung den Räten erläuterte, stellte die Verwaltung bei einer Kontrolle an einem Tag Ende April fest, dass 300 Fahrzeuge unberechtigt während des Anlieferzeitraums durch die schrankenfreie Fressgasse brausten und nur 90 mit Erlaubnis. "Dadurch entstanden immer wieder gefährliche Situationen zwischen Autos, Fußgängern und Radlern", begründete sie die Maßnahme.

> Konkordienstraße: Laut Kleemann gab es viele Beschwerden, dass der Verkehr aus dem Parkhaus in Q 7 zu langsam abfließe. Deshalb hat die Verwaltung die rechte Abbiegespur zum Innenstadtring verlängert und dafür Parkflächen geopfert. Es gilt dort jetzt ein absolutes Halteverbot.

> Erbprinzenstraße: Das ist ein recht langer und sehr enger Seitenarm der Fressgasse Richtung Ring. In die Erbprinzenstraße biegen Fahrzeuge kurz vor der Schranke ein. Es war von Anfang an klar, dass der Verkehr hier infolge des Zwölf-Monats-Tests deutlich zunehmen wird. Und so ist es auch gekommen. Die Verwaltung will analog zur Konkordienstraße untersuchen, ob auch dort Parkflächen zugunsten des fließenden Verkehrs wegfallen können.

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> Kunststraße: "Die Autofahrer nutzen nach wie vor jedes Schlupfloch", sagte Kleemann. Obwohl sie – aus Richtung Ludwigshafen kommend – eigentlich nach rechts gen Schloss abbiegen müssen, fahren sie häufig verbotswidrig geradeaus in die Kunststraße. Die Stadt will das mit massiveren "Leitboys", also einer Absperrung, ändern, allerdings gibt es derzeit noch Lieferschwierigkeiten. Deshalb sollen kurzfristig mobile Baustellenelemente verschraubt werden.

> Marktstraße E 1/E 2: Ähnlich wie in der Kunststraße, wird auch dieser Abschnitt – inzwischen eine reine Fahrradstraße – weiterhin von Autofahrern genutzt. "Sie schieben dafür die Barken einfach auf die Seite", so Kleemann. Um dies zu unterbinden, Anliegern sowie Kunden aber weiterhin die Durchfahrt zu ermöglichen, wird die Stadt den Händlern und Gastronomen in diesem Bereich bei einem Vor-Ort-Termin an diesem Donnerstag eine digital gesteuerte Mietschranke vorschlagen. Das System kann einerseits vorher eingegebene Kennzeichen erkennen. Für alle anderen soll eine Art Klingel installiert werden, durch die Personen sich direkt bei dem Geschäft melden und um Einfahrt bitten können.

> Beschilderung: Händler hatten sich an dem Wort "Sperrung" gestoßen. Das würde Kunden vergraulen, hieß es. Gemeinsam mit ihnen entwickelte die Stadt nun neue Hinweisschilder und -banner an mehreren Standorten mit positiven Botschaften zum Einkaufen und Verweilen in der City.

> Sauberkeit: Durch die neuen Aufenthaltsflächen entsteht mehr Müll. Die Stadt plant, dort weitere Abfallbehälter anzubringen.

> Verkehrsüberwachung: Nur die Polizei dürfe den fließenden Verkehr überwachen, stoße aber personell an ihre Grenzen, sagte Kullmann. Was Halteverbote angeht, sind städtische Mitarbeiter bis auf Sonntag sieben Stunden täglich im Einsatz.

Update: Mittwoch, 22. Juni 2022, 20.00 Uhr


Verliert die Einkaufsstadt wegen Verkehrsversuch an Attraktivität?

Von Harald Berlinghof

Mannheim. Einzelhändler und Gastronomen in der Innenstadt stehen dem vor mehr als drei Monaten mit diversen Maßnahmen gestarteten Verkehrsversuch skeptisch gegenüber – obwohl doch der auf ein Jahr angelegte Test die Aufenthaltsqualität und das Shoppingerlebnis in den Quadraten verbessern soll. Das hat eine Befragung von Betrieben durch IHK Rhein-Neckar, den Handelsverband Nordbaden und die Werbegemeinschaft Mannheim City ergeben.

Am 11. März hat die Stadt am östlichen Ende der Fressgasse eine 140 Meter lange, zusätzliche "Fußgängerzone" bekommen. Die Parkbuchten dort und in der Kunststraße, den beiden parallel zu den Planken verlaufenden Straßen, wurden zu Aufenthaltsflächen umgestaltet. Die zuvor für den Durchgangsverkehr wichtigen Achsen sind außerdem seit einiger Zeit durch Schranken unterbrochen. Die Marktstraße verwandelte sich in eine reine Fahrradstraße.

Was Anwohnern und Flaneuren zupass kommt, schmeckt vielen Einzelhändlern, Gastronomen, Hoteliers und Dienstleistungsbetrieben ganz und gar nicht. 56 Prozent der Befragten sind der Meinung, von einer verbesserten Aufenthaltsqualität nichts zu spüren. Dass der Verkehrsversuch den Durchgangsverkehr reduziert, glaubt ebenfalls mehr als die Hälfte (52 Prozent) nicht. 49 Prozent fordern gar einen sofortigen und dauerhaften Abbruch des Experiments, 19 Prozent verlangen Nachbesserungen. Nur ein Drittel der Befragten ist dafür, den Langzeittest in seiner bisherigen Form fortzusetzen.

IHK-Präsident Manfred Schnabel appellierte an die politischen Kräfte in der Stadt, den Verkehrsversuch nicht mit zusätzlichen Zielen zu überfrachten. Oberstes Ziel sei es, den Durchgangsverkehr weiträumig um die Stadt herum zu leiten. Der sogenannte Zielverkehr in die Einkaufsmetropole müsse aber weiterhin funktionieren. "Manche Akteure wünschen sich die autofreie City. Das mag ein legitimes politisches Ziel sein, es ist aber in jedem Fall nicht durch den Gemeinderatsbeschluss zum Verkehrsversuch gedeckt." Geschäfte und Betriebe seien auf den Individualverkehr von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern angewiesen. "Wer diese Verkehre unmöglich macht, legt die Axt an die Innenstadtwirtschaft", betonte der IHK-Präsident.

"Wir haben als Einkaufsstadt an Attraktivität eingebüßt. Aber das ist angesichts der uns umgebenden Krisen nicht verwunderlich. Der Versuch greift zu kurz. Er sollte den Durchgangsverkehr verringern, verlagert ihn aber aktuell auf den Innenstadtring", sagte Schnabel. "Wir sind der Meinung, dass der Versuch inhaltlich verbessert werden muss. Und das schnell".

Weder der Einkaufssonntag im Oktober noch das extrem wichtige Weihnachtsgeschäft dürften davon beeinträchtigt werden, betonten Schnabel sowie Hendrik Hoffmann und Swen Rubel, beide vom Handelsverband Nordbaden. Ansonsten, so befürchtet der IHK-Präsident, könne so manchem Händler die Luft ausgehen. "Die Innenstadtwirtschaft braucht nach zwei Jahren Pandemie ein gutes Weihnachtsgeschäft. Daher fordern die Unternehmen zu Recht Klarheit, wie es mit dem Verkehrsversuch weitergeht", sagte Schnabel.

Schnell verbessert werden könnte die irreführende Beschilderung. Das Leitsystem zu den Parkhäusern sei verbesserungswürdig, kritisierte Hoffmann. Viele der Befragten forderten auch eine bessere Kontrolle und verlangten, Verstöße stärker zu ahnden. Die vermeintlich bessere Aufenthaltsqualität werde durch die Vermüllung der frei gewordenen Parkplätze konterkariert. Man sei mit der Verwaltung und der Politik im Gespräch über Verbesserungen. Das Ziel des Verkehrsversuchs bleibe weiterhin richtig: Der Durchgangsverkehr müsse raus aus der City, und man teile auch das langfristige Ziel, dass perspektivisch der Verkehr in die Innenstadt emissionsfrei fließen solle, so Schnabel.

Er höre aber immer wieder von einigen Seiten auch die kriegerische Parole "Wir erobern die Stadt". Dazu Schnabel: "Diese Eroberung möchte ich nicht sehen, wenn dadurch der Einkaufsstandort beschädigt wird." Immerhin werde jeder zehnte Euro der Region in Mannheim ausgegeben. Doch haben Corona, Inflation und der Ukraine-Krieg Spuren in der Bilanz des Einzelhandels hinterlassen.

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