Geschäftsleute fordern sofortigen Stopp der Fressgasse-Sperrung
Sperrungen in der Mannheimer City: Mehr als 100 Gewerbetreibende haben Brief an Oberbürgermeister Peter Kurz unterzeichnet.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Mehr Aufenthaltsqualität, bessere Luft, weniger Blechlawinen: Diese Ziele verfolgt die Stadt Mannheim und will die autoarme City ein Jahr lang testen. Ein Abschnitt der Fressgasse ist bereits seit fast sechs Wochen für den Durchgangsverkehr unterbrochen, die Marktstraße hat sich in eine reine Fahrradstraße verwandelt. Und bis 6. Mai sollen auch in der Kunststraße ab dem Stadthaus keine Autos mehr rollen. Dann geht der Verkehrsversuch erst richtig los. Bisher schien es, als käme das ganze gut an.
Doch es gibt auch Gegner des Versuchs: 103 Gewerbetreibende entlang der betroffenen Straßen haben in einem Brief bei Oberbürgermeister Peter Kurz protestiert. Die Geschäftsleute verlangen einen sofortigen Stopp des Experiments. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Betreiber von Mode-, Schuh- und Feinkostläden, Cafés, Bäckereifilialen, Telefonshops und Döner-Imbissen sowie Optiker, Juweliere und niedergelassene Ärzte. Es sind einige prominente Namen darunter mit Strahlkraft über die Mannheim hinaus: Eis-Fontanella, Grimminger, Nordsee oder das Südlandhaus. Sie alle fürchten in dem Brief "weitere existenzgefährdende Umsatzeinbußen".
Die Unternehmer argumentieren, ihnen seien in den vergangenen fünf Jahren immer wieder durch verschiedene Umstände "Hindernisse in den Weg" gelegt worden. Konkret nennen die Unterzeichner die Corona-Krise, der Umbau der Planken oder ganz aktuell der Ukraine-Krieg. Hinzu komme, dass die City für Kunden aus dem Umland immer schwerer erreichbar sei – durch die Sperrung der Rheinbrücke, des Fahrlachtunnels und den dreistufigen Ausbau der B 38 bei Weinheim.
Die neue und schlecht durchdachte Verkehrsführung in der Innenstadt verschlechtere die Situation noch einmal dramatisch, weil die Fahrzeuge nur schwer aus der Fressgasse herauskämen und Zufahrten auf die Brücken stark eingeschränkt seien. Nur wenige Geschäfte hätten diese Veränderungen finanziell unbeschadet überstanden, seien auf die Unterstützung Dritter angewiesen oder an ihre Reserven gehen müssen. "Speziell der Plankenumbau und Covid haben bis dato die tiefsten Löcher in die Firmenfinanzen gerissen", heißt es in dem Schreiben. "Viele Kollegen, zum Teil auch große Unternehmen mussten mittlerweile ihre Geschäfte schließen, einige sogar Insolvenz anmelden."
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Deshalb ist es für die Unterzeichner unverständlich, dass unter diesen Rahmenbedingungen der Verkehrsversuch überhaupt gestartet wurde. Diesen habe der Gemeinderat zwar beschlossen – jedoch auf Basis von Studien und Erhebungen vor zwei Jahren. Die Betriebe werfen den meisten Stadträten ein mangelndes Gespür für das Führen eines Einzelhandelsgeschäfts oder einer Gastronomie und den damit verbundenen Sorgen. "Sonst wäre so eine einschneidende und geschäftsschädigende Entscheidung nie gefallen."
Die Unterzeichner fordern nicht nur eine sofortige Einstellung des Verkehrsversuchs, sondern diesen für mindestens 24 Monate einzustellen, "bis wieder etwas Ruhe eingekehrt ist und der Mannheimer Einzelhandel sich von den Ereignissen in den letzten vier bis fünf Jahren erholt hat".
Stadtsprecherin Corinna Hiss sagte auf RNZ-Anfrage, dass die Entwicklung von der Verwaltung stetig beobachtet werde, in Kürze werde mit Verkehrszählungen beginnen. "Die Bedenken der Händler nehmen wir ernst, weshalb wir sie zu einem Gespräch einladen werden, um über den aktuellen Stand zu sprechen", kündigte sie an.
Manfred Schnabel, der Präsident der IHK Rhein-Neckar, erinnerte daran, dass der Verkehrsversuch – wegen der Sperrung des Fahrlachtunnels – bereits einmal verschoben wurde. "Für viele Gewerbetreibenden kommt er dennoch zur Unzeit. Sie leiden noch unter den Nachwirkungen von zwei Pandemie-Jahren", erklärte er. Nun schließe sich nahtlos die nächste Krise an, die die Inflation weiter anheize und die Konsumlaune habe abstürzen lassen. "Bei vielen Unternehmern liegen daher verständlicherweise die Nerven blank". Die IHK wolle den Langzeittest "kritisch-konstruktiv" begleiten und habe dafür Kriterien dafür entwickelt, an denen er sich messen lassen müsse, zum Beispiel die Erreichbarkeit der City für Kunde und Lieferanten. Wenn das nicht gelinge, müsse Verkehrsversuch gegebenenfalls abgebrochen werden.



